Eingangspforte in Graceland - Pixabay

Ruhm und Trauma: „Was ist der Sinn von allem?“

„Sie hörte auf, irgendetwas zu wollen“, schreibt Riley Keough zum Tod ihrer Mutter Lisa Marie Presley, der einzigen Tochter von Elvis Presley. Im Januar 2023 wurde sie nach einem Herzstillstand leblos in ihrem Zuhause aufgefunden. Sie wurde wiederbelebt und starb im Krankenhaus im Alter von 54 Jahren. Als Todesursache wurde ein Darmverschluss festgestellt, der nach einem im Jahr zuvor vorgenommenen gewichtsreduzierenden Eingriff entstanden war. Der Tod kam nicht „überraschend“, wie viele Medien schrieben – sie starb an den Folgen ihres Lebens und an gebrochenem Herzen. Einige Jahre zuvor hatte Lisa Marie damit begonnen, ihre Lebensgeschichte auf Tonbänder zu sprechen, um sie später in Buchform zu veröffentlichen. Ihre Tochter, die Sängerin und Schauspielerin Riley Keough, hatte ihr Ende 2022 zugesagt, bei der Vollendung ihrer Biografie zu helfen. Einen Monat später starb Lisa Marie und konnte ihre Autobiografie nicht mehr vollenden.

Riley Keough wollte ihre Mutter zeigen, wie sie wirklich war. Herausgekommen ist ein berührendes, intimes und erschütterndes Lebensbuch und Zeitdokument. Es ist eine „echte“ Autobiografie, ungeschönt und fragmentarisch wie das Leben selbst – und ohne Eingriffe von Ghostwritern. Das ist auf jeder Seite spürbar: an der nicht geglätteten Sprache und an der Tiefe der Fragen, die uns alle angehen. Riley Keough wollte „das wahre Ich“ ihrer Mutter zeigen - in all ihrer Verletzlichkeit und Ehrlichkeit“. Das ist ihr gelungen. Riley Keough wurde als Schauspielerin für den Emmy, den Golden Globe und den Independent Spirit Award nominiert. Bekannt wurde sie unter anderem für ihre Rollen in „Daisy Jones & the Six und Zola“. Sie wirkte als Co-Regisseurin bei „War Pony“ (2022) mit, der beim Filmfestival in Cannes mit der Caméra d’Or für den besten Debütfilm ausgezeichnet wurde, und gründete gemeinsam mit Gina Gammell die Produktionsfirma Felix Culpa. Sie ist die älteste Tochter von Lisa Marie Presley und Alleinbevollmächtigte von Graceland.

Am 8. Oktober 2024 erschien weltweit und auf Deutsch im Penguin Verlag das Buch „From Here to the Great Unknown – Von hier ins Ungewisse“. Lisa Marie Presley wurde 1968 als einziges Kind von Elvis und Priscilla Presley in Memphis geboren. In den 1985 erschienenen Memoiren ihrer Mutter Priscilla („Elvis and Me“) ist sie kaum mehr als eine Fußnote. Ein Kind, das zu früh in ihr Leben gekommen ist: Sie hatte darüber nachgedacht, sich vom Pferd fallen zu lassen, „um eine Fehlgeburt herbeizuführen.“ Priscilla wollte keine Schwangerschaftspfunde, „die äußere Erscheinung war ihr immer wichtiger als Gefühle“. Lisa Marie lebte bis zur Trennung ihrer Eltern im Jahr 1972 in Graceland in Memphis. Ab 1957 wohnte Elvis mit seinem erweiterten Familienclan und seiner Entourage hier.

Lisa Marie schreibt über das Leben mit ihrem Vater, der tagsüber in gekühlten Räumen schläft und nur nachts wach bleibt. Sie erzählt von seiner bedingungslosen Liebe und Neigung, sie maßlos zu verwöhnen. Er holte seine Tochter mit großen, schwarzen Limousinen ab, wann immer er sie sehen will (auch wenn sie in der Schule ist). Zum Elterngespräch soll er mit einem diamantbesetzten Gürtel und einem Zigarillo im Mund erschienen sein. „Ich hatte das Gefühl, mein Vater konnte das Wetter ändern. Für mich war er ein Gott. Ein Auserwählter.“ Er wird aber nicht nur als charismatisch und gefühlvoll beschrieben, sondern auch als furchterregend und unberechenbar in seinen gelegentlichen Zornesausbrüchen. Erwähnt wird auch sein Medikamentenmissbrauch und der dadurch ausgelöste körperliche Verfall, den sie als Kind beobachtete: „So viele Male hatte ich ihn am Boden vorgefunden oder unfähig, seinen Körper zu kontrollieren.“ Ständig lebte sie in der Angst, ihn zu verlieren. Als Neunjährige sah sie ihn 1977 dann leblos im Badezimmer liegen und wurde schreiend herausgezerrt. Noch bevor Elvis für tot erklärt worden sei, habe seine Entourage das Haus zum „Selbstbedienungsladen“ gemacht - etliche Gegenstände seien verschwunden, die später auf Auktionen wieder gesichtet wurden.

Der Tod des Vaters war allerdings erst der Anfang einer Reihe von weiteren traumatischen Ereignissen. Hinzu kam das Gefühl, ihrer Mutter ausgeliefert zu sein – „bei dieser Frau“ festzusitzen, die das Kind ständig abschob, in immer neue Schulen und in die Räume der Scientology-Sekte. Lisa Marie litt an den Konflikten mit der Mutter, sie wurde von einem Mann missbraucht und wurde schließlich drogensüchtig. In dieser Zeit entwickelte sie auch ein tiefes Misstrauen anderen gegenüber: Die erste große Liebe der Vierzehnjährigen endete damit, dass der ältere Liebhaber heimlich Fotos von ihr machen ließ, die er an die Boulevardpresse verkaufte. Lisa Marie Presley war viermal verheiratet. Die erste Ehe mit Danny Keough, den sie über Scientology kennengelernt hatte, dauerte von 1988 bis 1994. Nach der Scheidung von Lisa Marie las Keough, der lange umherreiste, das damals kurz zuvor veröffentlichte Gedicht von Charles Bukowski und dachte dabei an Lisa Maria. „Bluebird“ ist auch das Eingangsgedicht der Autobiografie:

„In meinem Herzen sitzt ein kleiner blauer Vogel, der

nach draußen will

doch ich bin zu clever, lasse ihn nur manchmal

raus, bei Nacht

wenn alle schlafen.“

Zwei Wochen nach der Scheidung von Keough heiratete Presley den Popsänger Michael Jackson (die Ehe hielt bis 1996). Von ihm fühlte sie sich verstanden, weil er ähnliches durchlebte. Ihr dritter Ehemann wurde 2002 der Schauspieler Nicolas Cage, der nach drei Monaten die Scheidung einreichte. Im Januar 2006 heiratete sie den Musiker und Produzenten Michael Lockwood, mit dem sie 2008 Zwillingstöchter bekam. 2016 reichte das Paar die Scheidung ein, die 2021 vollzogen wurde. Nach einer jahrzehntelangen Unterbrechung ihrer Drogensucht wurde Lisa Marie 2008 rückfällig, als ihr nach der Geburt der Zwillinge durch Kaiserschnitt Opiate verschrieben wurden. Noch in ihren späten Lebensjahren klebte sie in einer abgelegenen Gegend in Florida noch immer die Fenster ihres Hauses mit Alufolie ab, weil sie Angst vor den Paparazzi hatte, die sie seit der Geburt verfolgt haben.

Als Singer/Songwriterin brachte sie 2003 ihr erstes Album „To Whom It May Concern“ auf den Markt, auf dem sie den Tod ihres Vaters sowie ihre Ehen verarbeitete. 2005 folgte das Album „Now What“. Im Mai 2012 erschien ihr Album „Storm & Grace“ (als Singleauskopplung wurde im April 2012 „You Ain’t Seen Nothin’ Yet“ veröffentlicht). Danny Keough war später Bassist in ihrer Band. Mit ihm bekam sie zwei Kinder: Ihre 1989 geborene Tochter Riley Keough und ihren 1992 geborener Sohn Benjamin Keough, der im Juli 2020 im Alter von 27 Jahren durch Suizid starb. Nach seinem Tod bahrte sie seinen Körper zwei Monate lang zu Hause auf Eis auf, weil sie nicht Abschied nehmen konnte. Lisa Marie wurde in Graceland beigesetzt, wo sich auch die Gräber ihres Vaters und ihres Sohnes befinden.

Riley Keough beschreibt sie als fürsorglich und warmherzig. Auch die Themen Bauchgefühl (sie traute auch dem ihrer Kinder) und Nachhaltigkeit spielen immer wieder eine wichtige Rolle, wenngleich die Worte feiner und persönlicher gesetzt sind: „Meine Mutter hatte etwas von Gaia in sich, Göttin der Erde, eine mystische Intuition. Manchmal hatte ich das Gefühl, Mutter Natur durchströmte sie.“ Das Buch ist zugleich eine Liebeserklärung der Tochter an die Mutter: „Ich bin das Ergebnis deines Herzens.“ Auch Elvis und seine Mutter Gladys standen sich sehr nahe - allerdings liebte ihn sie so sehr, „dass sie sich aus Sorge um ihn zu Tode trank.“ Auch Lisa Marie hatte all die Dämonen ihrer Vorfahren in sich, die betäubt werden wollten. Doch sie erkannte auch, dass es etwas braucht, „das größer ist als der Rausch, den Drogen einem verschaffen, größer als dieses Gefühl, als dieser Glückszustand, diese Leere.“ Immer wieder fragte sie ihre Tochter: „Warum sind wir hier? Warum bin ich hier? Was ist der Sinn von allem?“ Auf der Suche nach Sinn war auch ihr Vater Elvis. Davon künden zahlreiche Unterstreichungen von ihn in den Büchern seiner Bibliothek. Riley Keough zeigt auch auf, dass für Vater und Tochter Spiritualität eine wichtige Rolle im Leben spielte. Eine erfolgreiche Verarbeitung ihrer Traumata hätte ihnen dazu verhelfen können, sie auf einer tieferen Ebene neu zu entdecken und Sinn zu finden. Doch auf dem Weg zu sich selbst sind sie zerbrochen.

Wir sind aufgerufen zur Sinnentnahme. Das verband der Neurologe, Psychiater und Vater der Logotherapie Viktor E. Frankl (1905 – 1997) mit höchster Lebenskunst. Durch den Dienst an einem Werk, die Erfüllung einer Aufgabe, das Engagement für eine Idee werden Menschen befähigt, auch in schwierigsten Situationen einen eigenen Sinn zu finden. Es geht vor allem darum, mit jedem Denken und Tun „wirkmächtig“ zu werden – auch über das eigene Leben hinaus. „From Here to the Great Unknown” ist zugleich eine Aneinanderreihung von Traumata, die über Generationen weitergereicht werden. Von Begriffen wie „Trauma“ sprach Lisa Marie erst ab 2021. Es ist das griechische Wort für „Verletzung / Wunde“. Traumasituationen werden in Typ 1 und Typ 2 Traumata unterschieden:

  • Typ 1 beschreiben einmalige Erlebnisse, die von kurzer Dauer sind (z.B. Unfälle, Gewaltverbrechen, Katastrophen oder Verlusterlebnisse)

  • Typ 2 Traumata meinen meistens „Entwicklungstraumata“, die oft mit langanhaltenden, wiederholten traumatischen Beziehungserfahrungen einher gehen (z.B. Kriegsgefangenschaft, langanhaltender sexuellen Missbrauch).

Mit einem Trauma ist immer eine Angst- und Stressüberflutung des gesamten menschlichen Systems verbunden. Einer der berühmtesten Sätze von William Faulkner lautet: "Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen". Dieses Zitat verbindet das Buch mit der Autobiografie „Reserve“ des englischen Prinzen Harry, der es seinem Buch voranstellt. Auch hier geht es um prägende Kindheitsmuster, die noch nicht verarbeitet sind. So beschreibt er ausführlich das Trauma über den Verlust seiner Mutter, die im Sommer 1997 tragisch verunglückte. Damals war er 12 Jahre alt.

Hier werden schwerstkranke Patienten aus Tennessee, Mississippi, Arkansas und Missouri medizinisch versorgt. Es wurde 1983 eröffnet und ist eines der meistbeschäftigten Traumazentren der Stufe 1 im Land. Als einziges Traumazentrum der Stufe 1 im Umkreis von 240 Kilometern um Memphis ist es von entscheidender Bedeutung für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit in Tennessee, Missouri, Arkansas und Mississippi. Großzügige Spender ermöglichen, die Technologie, Schulungen und andere wichtige Ressourcen bereitzustellen. 1990 richtete die Regional One Health Foundation eine Ehrenwand ein, um diese Spenden zu würdigen. Die Wall of Honor ist für Fans auch eine beliebte Möglichkeit, an den berühmtesten Einwohner von Memphis und Namensgeber des Traumazentrums zu erinnern. Auch in Deutschland gibt es ähnliche Ansätze. So bietet die Traumahilfe Netzwerk Augsburg Schwaben beispielsweise offene Traumahilfesprechstunden (gegen Spenden) an. Im Fokus steht die Ermöglichung heilsamer Beziehungserfahrungen, Achtsamkeit für Körperresonanzphänomene, das Meistern herausfordernder Beziehungssituationen. Im Fokus stehen trauma-, bindungs- und entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten. Prof. Dr. Andrea Kerres, Prof. für Psychologie an der KSH München, arbeitet im Vorstand vom Traumahilfe Netzwerk Augsburg Schwaben. Sie ist zudem Psychologische Psychotherapeutin in eigener Praxis und hält auch Vorträge und Workshops im Gesundhaus i-Tüpferl, in dem seit 2022 Gesundheit und Prävention ganzheitlich und zukunftsfähig gelebt werden wird.

  • Lisa Marie und Riley Keough: From Here to the Great Unknown – Von hier ins Ungewisse: Erinnerungen. Penguin-Verlag, München 2024.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

Artikelsammlung ansehen