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Dr. Alexandra Hildebrandt

Sag mir, wo die Blumen sind: Wo Liebe offenbar wird

Das Antikriegslied „Sag mir, wo die Blumen sind" („Where Have All The Flowers Gone") ist nicht nur ein Appell, die Gefahr zu erkennen, sondern erinnert auch daran, uns mehr um unseren inneren Garten zu kümmern - und die Liebe, die durch Blumen zu uns spricht. Das Lied wurde 1955 vom US-amerikanischen Songwriter Pete Seeger geschrieben und wurde durch die Interpretation von Marlene Dietrich berühmt. Am 28. März 2017 starb die Schauspielerin Christine Kaufmann an den Folgen einer Leukämieerkrankung. Im Alter von acht Jahren begegnete sie dem Regisseur Harald Reinl, der 1954 mit ihr den Film „Rosen-Resli" drehte. Es ist der letzte Film des Schauspielers Otto Gebühr, der einen alten Gärtner in einer Rosenzucht spielt, der sich liebevoll um das verwaiste Mädchen Resli kümmert, das zu einer Familie, die auch auf der Farm arbeitet, in Pflege gekommen ist. Da die Pflegemutter schwer erkrankt ist, muss das Kind nun bei einer Familie im Rosenzuchtunternehmen leben. Um Geld für Essen zu verdienen, trägt es Rosen aus und züchtet später selbst welche. Die Spuren des Krieges zeigen sich im traurigen und verhärteten Gesicht der Pflegemutter. Das Weiche und Zarte lässt sich ahnen, wenn man in Reslis Kinderaugen blickt.

Sonst wäre die Rose nur eine Pflanze, mit der gehandelt wird. Der Nachkriegsfilm mag heute vielleicht einigen Menschen welk erscheinen - aber die Botschaft ist hochaktuell. In ihrem Buch „Verführung zur Lebenslust" beschrieb Christine Kaufmann ihre Kindheit in Deutschland nach dem Krieg, die sie als sehr angefüllt mit allem empfand, was es heute nicht mehr gibt: „Ruhe, wenig Autos, das sparsame Licht. Die Geborgenheit im Einfachen." Blumen. In der Studie im Fachblatt „Perspectives in Psychological Science" präsentierten die Schwestern Selin und Pelin Kesebir vor einigen Jahren die Ergebnisse einer bis ins Jahr 1900 gehenden Datenrecherche, die Naturbezüge und deren Häufigkeit in Popsongs, Romanen und Filmen untersucht. Das Ergebnis: Mit dem Thema, das die jeweilige soziale Stimmung anzeigt, geht es seit den 1950er-Jahren stetig bergab. Am stärksten sind die Blumen (!) betroffen. Dafür machen die beiden den technischen Fortschritt wie Fernsehen und Internet verantwortlich. „Haben sich nicht schon alle viel zu sehr daran gewöhnt, ‚später' zu schauen und das Erlebnis durch ein Surrogat zu ersetzen? Sich mit dem tückischen Videoausschnitt zufriedenzugeben und damit das Eigentliche zu verpassen?" Fragt Kaufmann in ihrem Buch, die ihre frühe Fessel („Ich muss") in mühevoller Lebensarbeit mit dem magischen „Ich werde" ersetzt hat. Im Gartenkontext ist es die Periode der Saat, der Entfaltung und des Aus-sich-Herausgehens bzw. Herauswachsens.

Demut hängt mit Bodenständigkeit („Grund unter den Füßen") zusammen. Das Wort kommt von „diomuoti" („dienende Gesinnung") und drückt die Bereitschaft aus, andere als Hilfe und Korrektiv an sich arbeiten zu lassen. In ihren Filmen und Büchern schenkte sie uns Momente der Nahbarkeit und des Tiefgangs, in denen sie vom guten Leben erzählte und uns zeigte, wo die Blumen sind. Wo immer sie gefunden werden, erwacht ein Augenblick der Ermächtigung und wird unser Möglichkeits- und Wirklichkeitssinn geschärft, den wir gerade heute so gut brauchen können.

Christine Kaufmann: Verführung zur Lebenslust. Zen und Sinnlichkeit. Kösel-Verlag, München 2007.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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