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Same procedure as every year? Zukunftsbilder sind die bessere Wahl

Allerorts ist nun die bürokratische Planung des Unplanbaren wieder in Gang: die Budgetierungsphase, meist als lineares Fortführen der Vergangenheit konzipiert. Ein zeitaufwendiger Unfug, der keinerlei Wertschöpfung bringt. Besser wäre es wohl, den Blick weit nach vorn zu lenken und Innovationen in Angriff zu nehmen.

Echt jetzt? In jedem Jahr wieder erleben die Unternehmen, wie unvorhersehbare Ereignisse und neue Trends die mühsam erstellte Jahresplanung über den Haufen werfen. Doch so, als ob nichts gewesen wäre, sind bei vielen von ihnen gerade die tradierten Zielfindungs- und Budgetplanungsprozesse für 2025 in Gang.

Wie immer wird die halbe Firma wochenlang in Lähmung verfallen. Für das Tagesgeschäft bleibt kaum noch Zeit. In langatmigen Planungsrunden werden stattdessen die Zielvorgaben für das Folgejahr festgelegt und penibel auf Quartale, Monate, Bereiche, Teams und Einzelpersonen heruntergebrochen.

Auf solche Ratespiele, Wetten auf die Zukunft genannt und von hehrem Wunschdenken geleitet, wird dann eine Punktlandung gefordert – ein Unfug, der irre viel kostet, Geld in falsche Kanäle lenkt, neue Ideen unterdrückt, die Wahrheit verdreht, enorm viel Zeit verschlingt und in Hochgeschwindigkeitswildwasserzeiten völlig untauglich ist.

Ein starrer Plan: der Versuch, die Zukunft zu disziplinieren

Wider besseren Wissens wird die Zukunft aus der Vergangenheit heraus linear fortgeschrieben. Doch leider ist es genauso unmöglich wie vergeblich, das Unvorhersehbare kontrollieren zu wollen. Die Zukunft folgt keinem Plan. Nach den ersten Wochen eines neuen Geschäftsjahrs ist das bereits zu erkennen.

Doch statt die Pläne zu ändern, damit sie zur neuen Situation passen, was macht ein braver Manager da? Er folgt nicht der Wirklichkeit, sondern den Zahlen im Plan. Sie wurden ja schließlich vereinbart! „Bürokratische Zielverschiebung“ nennt man dieses Phänomen. Der Plan wird zum Ziel, was ein strukturgewordener Denkfehler ist.

Was nun passiert? Man sucht nach Kniffen, um Volltreffer auf die Zielzahlen hinzubekommen. Das Zuwenig wird künstlich aufgefüllt. Das Zuviel wird sinnlos verprasst. Getürkte Berichte werden erstellt, Zahlen werden zurechtgebogen, genehme Studien in Auftrag gegeben, opportune Berater zum Testieren an Bord geholt.

Was eine „bürokratische Zielverschiebung“ so bewirkt

Wenn Punktlandungen auf Vorgaben gefordert und incentiviert werden, dann werden eben Punktlandungen auf Vorgaben geliefert. So wird alles schöngerechnet und passend frisiert. In Auftrags- und Projektübersichten werden Zahlen manipuliert, damit die damit verbundenen Statusampeln auf Grün springen. Denn bei Grün gibt’s Goodies, bei Rot hingegen gibt’s Ärger.

Vielversprechende Zukunftsprojekte werden allein deshalb gestrichen, weil sie die Quartalszahlen trüben. Lug und Trug ist in solchen Systemen vorprogrammiert. Egoismus ist eine unausbleibliche Folge. Selbst das Überschreiten moralischer Grenzen wird toleriert, „damit die Zahlen stimmen“. Und alle im Unternehmen schauen „denen da oben“ dabei zu – und mauscheln dann auch.

Schließlich macht sich in den Köpfen der Leute das „Cheater’s High“ breit. Es ist das schäbige Hochgefühl, „beschissen“ zu haben und damit durchgekommen zu sein. Wer beim Rumtricksen mitspielt, der profitiert. Wer das nicht macht, ist der Dumme. Doch niemand will als Versager gelten, der es nicht bringt. Also machen alle mit.

Man folgt nicht der Wirklichkeit, sondern dem Plan

Penible Kontrollen, eine aufgeblähte Zielerreichungsbürokratie und zeitraubende Statusberichte sollen dann im Jahresverlauf dafür sorgen, dass das Plankonstrukt funktioniert. Alle sind nur noch von einem besessen: ihre Zielvorgaben zu schaffen. Denn die Boni gibt’s auf die Planzielerreichung – und nicht auf die Wirklichkeit.

Das gesamte Prozedere fixiert Unternehmen in einer untauglichen Rückschau, behindert die eigentliche Arbeit erheblich und ist irre teuer – trägt aber rein gar nichts zur Wertschöpfung bei. Zudem hält es die Unternehmen davon ab, sich rechtzeitig zu erneuern. Die größten Chancen liegen ja meist jenseits des Plans. Doch für die ist – leider – nichts budgetiert.

„Warum macht ihr das so?“, frage ich. „Das haben wir jedes Jahr so gemacht“, heißt es zur Antwort. Oder: „Das machen doch alle so.“ Oder: „Das haben wir an der Uni so gelernt.“ „Habt ihr schon mal gerechnet, was euch das kostet?“ Nein, haben sie nicht. Herrje! Viele Management-Tools sind wirklich zum reinen Selbstzweck verkommen.

Ein lineares Fortführen der Vergangenheit? Gefährlich!

Planungsprofis waren im Industriezeitalter wichtig und gut, damit die Schlote rauchten. In unserer wissensbasierten Zukunft hingegen braucht es Originalität, Improvisationstalent und Lust auf Experimente, sozusagen rauchende Köpfe. Klar sind Pläne auch heute eine sinnvolle Sache, aber nur dann, wenn man auch von ihnen abweichen darf.

In unserer neuen Businesswelt ist Präzisionsplanung zwecklos. Permanente Vorläufigkeit ist die neue Normalität. Unerwartete Ereignisse lauern an jeder Ecke. Wir wissen nicht, ob oder wann sie kommen, doch wenn, dann kommen sie schnell. Nur die wendigen, flinken, pfiffigen, jederzeit anpassungsfähigen Marktplayer werden das überleben.

Geopolitische Verwerfungen, Krisenherde, die Folgen der globalen Erwärmung sowie die Neukombination von Technologien und Industrien sorgen für Wechselwirkungen, die sich im Vorfeld gar nicht absehen lassen. Das Verfolgen strikter Planvorgaben und „Dienst nach Vorschrift“ sind das letzte, was in diesem Fall hilft.

Viele Unternehmen plagt kognitive Zukunftskurzsichtigkeit

Innovieren? Der Vorstand sagt, er will sich auf die nächsten Quartale konzentrieren. Jetzt sei kein guter Zeitpunkt, um etwas Neues auszuprobieren. Ein schlechter Plan. Was übermorgen der Renner sein soll, müssen wir heute vorbereiten. Denn der Erfolg von gestern sagt rein gar nichts über den Erfolg von morgen. Und „später“ ist sehr schnell „zu spät“.

Ohne Innovationen wird es Ihr Unternehmen bald nicht mehr geben. Denn niemand will mehr ihren Kram von gestern, sobald es besseres Neues gibt. Ergo: Nicht das Erreichen von Planvorgaben, sondern das Fördern von Innovationen muss in die Zielvereinbarungen und Incentiveprogramme. Denn getan wird, was belohnt wird.

Nur durch kontinuierliches, wildes, kühnes, „heißes“ Weiterdenken und rechtzeitiges Innovieren schafft es ein Unternehmen, sich fit für die Zukunft zu machen. Und je schneller wir unterwegs sind, desto weiter müssen wir nach vorne schauen. Hier kommen die Zukunftsbilder ins Spiel. Denn wir müssen eine Vorstellung von der Zukunft haben, um in die richtige Richtung zu laufen. 

Hier entlang! Unternehmen brauchen ein Zukunftsbild

Zukunftsbilder kreieren? Für welche Zukunft denn überhaupt? Niemand, wirklich niemand kennt die Zukunft. Doch wir können versuchen, ihr die Ungewissheit zu nehmen, indem wir Hypothesen erstellen für eine Zeit, die noch nicht da ist. Szenarien sind insofern keine Prognosen, sondern spekulative Zukunftsbilder. Sie sind auch keine Utopien, sondern wollen plausible Wege vom Heute ins Übermorgen aufzeigen.

Solange Szenarien noch Zukünfte sind, können wir uns darauf einstimmen, potenzielle Chancen früh ergreifen, etwaige Risiken antizipieren und über wünschenswerte Varianten vorausschauend debattieren. Natürlich ist es nicht möglich, sich auf jedes Ereignis vorzubereiten, doch immerhin sind dann Optionen zur Hand, um im Ernstfall rasch ins Handeln zu kommen, während andere noch in Schockstarre sind.

Wer sich mit der Szenarienplanung befasst, springt raus aus der Filterblase der eigenen Wahrnehmung und bleibt permanent an den Trendthemen dran. So haben Futurologen, Zukunftsforscher und große Beratungsfirmen mithilfe wissenschaftlicher Methoden längst Szenarien für eine Vielzahl von Technologien und Industrien entwickelt. Viele davon sind sogar kostenfrei abrufbar.

Trendanalysen, Insights aus fortschrittlichen anderen Branchen, Gespräche mit Zukunftsexperten und denen, die neue Technologien in die Welt bringen, bilden eine weitere Grundlage für die Vorausschau. So verknüpft man bereits bekannte Trends und deren Treiber mit mutmaßlichen Einflussfaktoren in Bezug auf Wirtschaft, Technologie, Umwelt, Politik, Gesellschaft, Arbeitsmarkt und Kundenverhalten.

Szenarien simulieren Ausflüge in eine mögliche Zukunft

Szenarien ermöglichen eine differenzierte Sicht auf mögliche Zukünfte und die Handlungsfelder, die das Unternehmen daraus ableiten will und kann. Wen Sie dazu nicht befragen: Ihre Kunden. Diese können zwar sagen, was ihnen heute fehlt, aber nicht, was sie in ein paar Jahren wollen werden. Sie sind, genauso wie das Top-Management, keine Fachleute für Zukunftsthemen und können deshalb auch keine fundierten Prognosen abgeben.

Die systematische Suche nach zukünftigen Wachstumsfeldern kann gar nicht früh genug beginnen. Hierzu empfehle ich, drei Szenarien zu entwickeln:

  • ein Beste-aller-Welten-Szenario

  • ein Sehr-wahrscheinlich-Szenario

  • ein Schlimmster-Alptraum-Szenario

Um nicht der Gefahr zu erliegen, die Zukunft linear aus der Gegenwart heraus fortzuschreiben, bedient man sich der Retropolation, auch Backcasting genannt. Dabei wird, ausgehend von der beschriebenen Zukunft im Zieljahr, in festgelegten zeitlichen Schritten rückwärtsgehend abgeleitet, was jeweils bis zu einem bestimmten Zeitpunkt getan sein muss, damit die erwünschte Zukunft Wirklichkeit werden kann.

In 10 Schritten: So kreieren Sie ein Zukunftszielbild

Zukunftsbilder und -narrative werden am besten in einer Zukunftswerkstatt bzw. einem Future Lab entwickelt. Im Zuge dessen empfehle ich die folgenden Schritte:

1.         Future Taskforce zusammenstellen

2.         Eine Ausgangsfrage formulieren

3.         Die Zielzeitachse bestimmen

4.         Maßgebliche Trends erforschen

5.         Veränderungskräfte identifizieren

6.         Mögliche Szenarien entwickeln

7.         Future Personas konzipieren

8.         Passende Handlungsfelder fixieren

9.         Die Zukunftsstrategie definieren

10.       Umsetzungspläne initiieren

Wie all das ganz genau funktioniert, steht in meinem neuen Buch „Zukunft meistern“.

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Zudem halte ich Impulsvorträge und Keynotes zum Thema. Sie enthüllen, an welchen Stellschrauben man am besten dreht, damit der Sprung in die Zukunft gelingt. Der Blick über den Tellerrand und eine Fülle von Quick Wins sind dabei entscheidend. Anhand vieler Beispiele zeige ich praxisnah und konkret, wie man es fertigbringt, sich für die Herausforderungen der kommenden Zeit hervorragend aufzustellen. Die Vortragsinhalte:

  • Die großen Megatrends der kommenden Zeit

  • Übermorgengestalter: die Zukunft der Unternehmen

  • Zukunftsfähige organisationale Strukturen schaffen

  • Passende Quick Wins für den Sprung nach vorn

  • So schaffen Sie es zu den Honigtöpfen der Zukunft

Interessant für Ihr nächstes Event oder eine Führungskräftetagung? Dann kommen Sie gern auf mich zu: info@anneschueller.de

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Anne M. Schüller writes about Touchpoint Management, Unternehmensführung, Kundenorientierung

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft.

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