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Sand: Warum das Fundament der modernen Zivilisation ins Wanken gerät

Sand ist heute nach Wasser und Luft die wichtigste natürliche Ressource. Schon die alten Ägypter benutzen ihn zum Bauen.

Im 15. Jahrhundert fand ein italienischer Handwerker heraus, wie sich daraus durchsichtiges Glas herstellen lässt, was die Entwicklung von Mikroskopen, Ferngläsern sowie anderen technischen Errungenschaften ermöglichte. Auch für die Produktion von Computerchips, Papier, Zahnpasta, Kosmetika, Arzneimitteln oder Solarzellen ist Sand notwendig. Als Grundstoff von Beton steckt er heute in fast allen Gebäuden und Straßen. Jedes Produkt enthält graue Energie, die sich aus der Energie addiert, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung benötigt wurde. Deshalb steckt in jedem Gebäude viel graue Energie: Zement, Sand, Kies und Baustahl müssen abgebaut und hergestellt werden.

„Gebäude sind für die nächsten 100 Jahre errichtet. Wenn wir also auch nur annähernd die Pariser Klimaschutzziele erreichen wollen, müssen wir vor allem in Neubauprojekten alle technischen Möglichkeiten eines klimaneutralen bzw. klimapositiven und kreislaufbasierten Bauens angewendet werden. Im Gebäudebestand stehen uns hinsichtlich einer klimaschonenden Ertüchtigung weitere Herausforderungen bevor“, sagt Matthias Schäpers, der bei der Unternehmensgruppe Krieger+Schramm für den Bereich Nachhaltigkeit und Wohngesundes Bauen zuständig ist. „Ressourcen sind nicht endlos verfügbar, selbst Sand wird knapp“, so Schäpers.

Die UN-Umweltorganisation UNEP schätzt, dass jährlich weit über 50 Milliarden Tonnen verbraucht werden. In einigen Gegenden wird der Rohstoff bereits knapp, und die Nachfrage ist so groß, dass weltweit ganze Flussbetten und Strände geplündert, landwirtschaftliche Flächen und Wälder zerstört, Menschen eingesperrt, gefoltert und ermordet werden. Der Abbau zu industriellen Zwecken führt auch dazu, dass Meeresstrände verschwinden, vor allem in Ländern wie Indonesien, Indien, Kambodscha und den USA.

In vielen EU-Ländern, darunter auch Deutschland, ist die Förderung von Flusssand mittlerweile verboten. Dies führte zu einer Verlagerung des Abbaus in Länder des globalen Südens, in denen der Markt noch nicht reguliert ist oder gesetzliche Vorschriften leichter unterlaufen werden können. Sand wird zwar „natürlich“ produziert, indem Felsfragmente in Flüssen auf ihrem Weg von den Bergen ins Meer mechanisch zerkleinert und weiter transportiert werden – doch dieser Prozess dauert Jahrtausende. Wie in so vielen Bereichen ist heute auch hier der aktuelle Verbrauch größer als das, was die Natur hergibt. Der Sandabbau vernichtet den Lebensraum von Wildtieren, verseucht Flüsse und zerstört landwirtschaftliche Flächen. Der in Los Angeles lebende Journalist Vince Beiser hat die Erkenntnisse seiner Recherchen in seinem Buch „Sand“ zusammengefasst, in dem er auch beschreibt, was uns droht, wenn er ausgeht. Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Der Abbau von Fluss- und Meeressanden trägt in vielen Regionen zur Ufer- und Küstenerosion bei, die ohnehin durch den steigenden Meeresspiegel beschleunigt wird.

  • Nicht jeder Sand – wie der im Überfluss vorhandene Wüstensand – ist für jede Art von Produkt geeignet, denn er bietet kaum Haftungsfläche wie die Fluss- und Küstensande. Deshalb importiert Dubai den Sand für seine Wolkenkratzer häufig aus Australien.

  • Bauunternehmer und Betonhersteller sind häufig global agierende Konzerne, viele Abbauunternehmen sind jedoch eher kleinteilig und regional tätig. Bestechung von Beamten ist keine Seltenheit, Umweltschützer werden gewaltsam bekämpft, und Enthüllungsjournalisten müssen um ihr Leben fürchten.

  • Spitzenreiter im illegalen Sandhandel ist Indien: Die Sandmafia macht dort jährlich Umsätze von 2,3 Milliarden US-Dollar.

Um mit der drohenden Sandknappheit auf angemessene Weise umzugehen und die bestehenden Rohstoffvorkommen zu schonen, gibt es verschiedene Möglichkeiten (Baustoffrecycling und den Einsatz alternativer Baumaterialien, Verwendung von Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen, Häuser aus einem 3-D-Drucker). Die Wiederverwertung von Bauschutt ist allerdings sehr aufwendig und teuer. Häufig wird beim Bauen das Recycling nicht mitgedacht und Materialien so verwendet, dass sie später kaum voneinander zu trennen sind.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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