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SAP: So erregt der Software-Konzern den Ärger vieler Banken

Spezialsoftware für Banken und Versicherungen entwickelt SAP seit Kurzem in einem Joint Venture mit einem Finanzinvestor. Viele Institute sehen das kritisch – der Konzern reagiert.

SAP hat sich den Unmut einer wichtigen Kundengruppe zugezogen: der Finanzbranche. Nach Informationen des Handelsblatts aus Branchenkreisen sind noch immer viele Manager über die Ausgliederung des Geschäfts mit Finanzdienstleistungssoftware verstimmt.

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Der Softwarekonzern habe den Bereich abgespalten, weil er nicht so profitabel sei wie das Geschäft mit anderen Sektoren, mutmaßt etwa ein Vorstand einer großen deutschen Bank. Er wertet den Schritt von SAP als „Abkehr von der Finanzindustrie“.

Dabei liegt die Gründung des Unternehmens SAP Fioneer bereits mehr als ein Jahr zurück, und der Softwarekonzern versprach sich und den Kunden nur Vorteile. Im September 2021 hatte SAP das Geschäft mit Spezialsoftware für Finanzdienstleister (FSI) in ein Gemeinschaftsunternehmen ausgegliedert – und den Finanzinvestor Dediq als Partner an Bord geholt.

SAP Fioneer: Banken und Versicherung sehen Ausgliederung kritisch

Finanzchef Luka Mucic hatte den Kunden schon bei der Ankündigung der Pläne im Frühjahr mehr Dynamik versprochen. Die neue Einheit werde wie ein „Schnellboot“ agieren und sich „auf rasche Innovationen für Kernprozesse von Banken und Versicherungen konzentrieren“, sagte er. Dediq sollte Mittel für zusätzliche Investitionen stellen.

Die überraschende Ausgliederung wird in vielen deutschen Banken und Versicherungen jedoch immer noch kritisch gesehen, wie mehrere mit dem Thema vertraute Personen dem Handelsblatt sagten. Manager bemängeln unter anderem, dass ein Finanzinvestor das Sagen hat. Und sie fürchten, dass die Konstruktion Probleme mit den Regulierungsbehörden schafft. Mehrere Geldhäuser hätten bei SAP sogar protestiert, heißt es.

Ein hochrangiger Manager betont, dass mehr europäische Eigenständigkeit nötig sei. „Für die deutsche Kreditwirtschaft ist es problematisch, dass sich ein Unternehmen wie SAP aus der Bankfachlichkeit verabschiedet.“

SAP sieht in der Kritik dagegen nur ein vorübergehendes Phänomen. „Dass die Ausgliederung des FSI-Geschäfts Fragen grundlegender Natur aufwirft, ist ganz natürlich“, sagte Finanzvorstand Mucic dem Handelsblatt – sowohl was die Vertragsgestaltung als auch was die Struktur des Gemeinschaftsunternehmens betreffe. Der Softwarehersteller sei „von einigen Häusern“ angesprochen worden, darunter mehr Banken als Versicherungen.

Das Engagement von SAP in der Finanzdienstleistungsbranche stehe nicht infrage, betonte der Manager: „Der Schritt soll ja gerade dazu dienen, dass wir mit den Kunden schneller Produktinnovationen entwickeln können.“ Die Mehrwerte würden aber zunehmend erkannt, daher sei es „zu einer deutlichen Entspannung der Bedenken“ gekommen. Mehrere große Banken hätten umfangreiche Projekte mit Fioneer begonnen.

SAP Fioneer ist eine ungewöhnliche Konstruktion für die Softwarebranche

Fioneer ist eine für die Softwarebranche ungewöhnliche Konstruktion. Die Beteiligungsgesellschaft Dediq will über die Jahre mehr als 500 Millionen Euro in das Geschäft investieren und erhält dafür 80 Prozent der Anteile, SAP ist nur noch Minderheitseigentümer.

Trotzdem ist die Verbindung eng: So nutzt das Gemeinschaftsunternehmen Technologien und Datenmodelle des Dax-Konzerns, um Kompatibilität zu gewährleisten. Auch im Vertrieb arbeiten die Unternehmen zusammen.

Dediq hat sich auf IT-Firmen und Geschäftsmodelle mit hohem Digitalisierungspotenzial spezialisiert. Die Münchener Firma ist etwa an der Unternehmensberatung Convista Consulting beteiligt, die an der Schnittstelle von Technologie und Betriebswirtschaft tätig ist. Externe Investoren können sich an Übernahmen beteiligen – das Family-Office von SAP-Mitgründer Hasso Plattner zählt zu den Kapitalgebern.

Bei SAP ist die Ausgliederung Teil einer Strategie: „Wir werden unser Portfolio weiter vereinfachen und konsolidieren, um uns auf wachstumsstarke Lösungen zu konzentrieren“, sagte Vorstandssprecher Christian Klein kürzlich Finanzanalysten. Insbesondere Speziallösungen für einzelne Branchen oder Funktionen stehen derzeit auf dem Prüfstand.

Partner sollen die Lücken schließen. So empfiehlt SAP für die Vertragsverwaltung eine Lösung des Spezialanbieters Icertis, an dem der Dax-Konzern beteiligt ist. Beim Patientenmanagement für Krankenhäuser will der E-Health-Anbieter Compugroup einspringen.

Die Kundenorganisation DSAG vermutet, dass der Softwarehersteller weitere Branchenlösungen an Gemeinschaftsunternehmen übergeben werde. Ähnliches sei bei der Mittelstandssoftware Business ByDesign zu erwarten.

Die Fokussierung ist aus Sicht von SAP nachvollziehbar. Aus Sicht der Kunden kann sie aber für Friktionen sorgen. Wenn etwa Unternehmen Services von verschiedenen Anbietern nutzen, würden Vertragsmanagement und „operatives Handling“ „um einiges komplexer“, sagt Karin Gräslund, bei der DSAG Fachvorständin für „Financials & Sustainability“. „Eine weitere Herausforderung, die wir als DSAG sehen, ist es, die immer anspruchsvollere Regulatorik zu gewährleisten.“

SAP in der Kritik: Sorge wegen Finanzinvestor

Im Fall von Fioneer besteht unter Bankern Sorge darüber, dass mit Dediq nun ein Finanzinvestor den Ton angibt. Ein Teil der Branche fürchtet, dass der Softwarespezialist dadurch unter Druck steht, schnell den Gewinn zu steigern – und deswegen früher oder später die Preise deutlich erhöhen könnte. Ein Wechsel zu einem anderen Anbieter komme dann kaum noch infrage, sagt ein Insider: Die Einführung von Banksoftware sei extrem kompliziert.

Andere Banker haben dagegen die Sorge, dass Fioneer zu sehr auf die Kosten achtet und nicht genug in die Weiterentwicklung von Software für die Finanzdienstleistungsbranche investiert. Das wäre ein gewaltiges Problem für den deutschen Bankensektor, da fast alle großen Institute sowie die IT-Dienstleister von Sparkassen und Genossenschaftsbanken Software von SAP nutzen.

SAP-Finanzchef Mucic betont, dass es sich um einen besonderen Investor handle. „Wir hätten unser Geschäft mit Lösungen für Finanzdienstleister niemals an eine klassische Beteiligungsgesellschaft übertragen. Dediq hat eine langfristige und unternehmerisch orientierte Perspektive.“ Die Zusammenarbeit eröffnet branchenspezifische Investitionsspielräume, die SAP mit dem breiten Portfolio nicht habe.

Die Preise für Bestandskunden habe Fioneer im vergangenen Jahr nicht erhöht, sagte Firmenchef Dirk Kruse. Im kommenden Jahr werde man nur Anpassungen im „Rahmen der Inflation“ vornehmen, so, wie es in der Branche üblich sei – beispielsweise bei den Tagessätzen für Berater.

Ein weiteres Diskussionsthema in der Finanzbranche: Beteiligte weisen darauf hin, dass Banken und Versicherungen ihre Partner bei der Auslagerung von Dienstleistungen genau unter die Lupe nehmen müssen – auch um den Anforderungen der Finanzaufsicht zu entsprechen. Einige Banken setzen bei Software deshalb möglichst auf große Partner mit langjähriger Erfahrung und guter Reputation.

Das Unternehmen hat viele Mitarbeiter von SAP übernommen - auch der Manager war zuvor beim Dax-Konzern beschäftigt. Quelle: SAP Fioneer

Für SAP treffe das zu, für Fioneer dagegen nicht, sagt ein Bankvorstand. Wäre Fioneer ein neu gegründetes, unabhängiges Unternehmen, würden viele Großbanken seiner Einschätzung nach wohl nicht mit der Firma zusammenarbeiten.

„Natürlich hat SAP Fioneer als jüngst gegründetes Joint Venture zwischen SAP und Dediq noch keine langjährige Historie“, sagt Firmenchef Dirk Kruse. Die Produkte seien aber seit vielen Jahren etabliert und hätten „Hunderte zufriedene Kunden“, darunter viele große Banken und Versicherungen. Zudem sei bei der Gründung viel „personelle Kompetenz“ ins Joint Venture gewechselt.

Einige Banken bei SAP vorstellig geworden: „Keine Lösung in Sicht“

Viele Banken haben sich nach Handelsblatt-Informationen untereinander über ihre Probleme mit Fioneer ausgetauscht. Einige sind zudem direkt bei SAP vorstellig geworden. Eine Lösung sei dabei allerdings nicht in Sicht, klagt ein hochrangiger Bankmanager. „Das ist eine offene Baustelle.“

Mindestens eine Großbank hat Finanzkreisen zufolge darauf bestanden, dass sie weiterhin einen Vertrag mit SAP und nicht mit Fioneer habe – und dass sie auch alle Dienstleistungen weiterhin vom Dax-Konzern beziehen wolle. Der habe zugestimmt, um nicht die gesamte Geschäftsbeziehung zu gefährden.

SAP erklärte, dass zwar Fioneer für das Neugeschäft mit Branchenlösungen zuständig sei. „Wir haben hiervon insbesondere in der immer noch laufenden Übergangszeit aufgrund der Komplexität einiger Kunden- und Vertragssituationen Ausnahmen gemacht.“ Das sei beispielsweise in einigen laufenden Projekten der Fall gewesen. „Mittlerweile betrifft dies nur noch Einzelfälle, die wir individuell prüfen.“

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