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Schadstoffe in Innenräumen: Schlüsselerlebnisse sind immer Messergebnisse

Wahre Nachhaltigkeit kennt keinen Abfall, keine Emissionen, keine Gifte, keine Ausbeutung. Der Biochemiker und Erfinder des Cradle to Cradle-Prinzips, Prof. Michael Braungart, bemerkt immer wieder, dass es nicht damit getan ist, weniger schädlich sein zu wollen - wir sollten „nützlich“ sein. Erst wenn wir uns wieder einfügen in naturgemäße Kreisläufe und gleichzeitig Produkte erfinden, deren ungiftige Komponenten ebenfalls in Kreisläufen rotieren, handeln wir wirklich nachhaltig. „Keine Grenzen. Stattdessen Überfluss: vielfältig, sicher, gesund, sauber, erfreulich“, schreibt er in seinem Buch „Intelligente Verschwendung“. Keine Ressource sollte als entbehrlich gelten. Eine Cradle to Cradle-Welt würde es uns ermöglichen, Fülle und Überfluss zu genießen sowie Vielfalt zu fördern, ohne dass sie dabei verarmt.

Eigentlich müsste alles noch einmal neu erfunden werden. Dass dies in großen Teilen möglich ist, beweist er mit vielen seiner Produkte, die dem Cradle-to-Cradle-Prinzip unterliegen: „Verbrauchs“güter werden so entwickelt, dass sie im biologischen Kreislauf immer wieder verwendet werden können und nicht am Ende im Müll landen. „Gebrauchs“güter werden nach Verbrauch der Funktion zu technischen Nährstoffen zerlegt. Sie ermöglichen die Produktion neuer Gebrauchsgüter. Zu den Vorteilen von Cradle to Cradle gehört eine hohe Wirtschaftlichkeit, eine geringe bis keine Umweltbelastung, gesteigerte Verbraucherfreundlichkeit sowie Qualität und Sicherheit in endlosen Kreisläufen.

„Wenn man in einem normalen Haus den Feinstaubgehalt in der Luft misst, stellt man fest, dass diese Luft drei- bis achtmal schlechter ist als schlechte städtische Außenluft. Kein einziger Kindergarten hält in den Innenräumen die Feinstaubwerte ein, die draußen in unseren Städten gelten. Wir haben durch Corona 20 Tage Lebenserwartung verloren, durch Feinstaub verlieren wir 4,5 Jahre Lebenserwartung“, schreibt er im Buch „Als ich mich auf den Weg machte, die Erde zu retten“ von Martin Häusler, das von Dr. Eckart von Hirschhausen herausgegeben wurde. Das Thema wird in der Medienberichterstattung leider häufig noch vernachlässigt. Der Schadstoffgehalt hat sich über die Jahrzehnte verändert: „Seine Zusammensetzung verschiebt sich. Wir finden weniger Holzschutzmittel oder Dioxine, dafür mehr Pflanzenschutzmittel und Weichmacher.“ Das bestätigt auch Peter Bachmann, Gründer und Geschäftsführer der Sentinel Haus Institut GmbH, mit dem er das Pilotprojekt „Gesunder Lebensraum Schule“ startete.

„Bei guter Luft lernen Kinder bis zu 15% besser und effektiver. Das heißt sie können bis zu einer Schulnote besser sein“, so Bachmann. Zwei Klassenzimmer wurden in einer Kölner Zentrale errichtet – eines mit konventionellen nicht nach gesundheitlichen Gesichtspunkten ausgewählten Produkten, das andere mit geprüft schadstoffarmen Baustoffen. Ein renommiertes Prüfinstitut führt die Untersuchungen in beiden Klassenzimmern durch, mit denen die Konzentrationen flüchtiger organischer Verbindungen (VOC) in der Raumluft ermittelt werden. „Xylol, Toluol oder Ethylbenzol sind typische Schadstoffe, die häufig als Lösemittel in Farben, Lacken und Klebern eingesetzt werden. Wird bei Auswahl der Baustoffe nicht auf schadstoffarme Produkte geachtet, können mehrere hundert dieser Verbindungen in der Raumluft nachgewiesen werden. Die Konzentrationen dieser Schadstoffe können dann so hoch sein, dass bei den Menschen, die sich in den neuen oder renovierten Räumen aufhalten, gesundheitliche Probleme auftreten.“ Im Fokus stehen die Auswahl der Baustoffe, die Wahl des Mobiliars und der Reinigungsmittel in den Modellklassenzimmern.

Auf die verschiedenen Ursachen für die Belastungen verweist auch der Baudienstleister- und Projektentwickler Krieger + Schramm in einem Blogbeitrag: Heute werden etwa über 100.000 Baustoffe verbaut. Von etlichen ist nicht bekannt, wie sie hergestellt wurden, woraus sie bestehen, und welche Emissionen sie verursachen. Hinzu kommt, dass gedämmte Wände und abdichtende Fenster dafür sorgen, dass zu wenig Luftwechsel stattfindet. „Die Konzentration von Schadstoffen in der Raumluft bleibt konstant hoch.“ Auch hier wird auf die Notwendigkeit ökogeprüfte Baustoffe verwiesen. Noch besser sei eine Liste der verwendeten Baustoffe. Gibt es diese nicht, wird empfohlen, darauf zu achten, dass er generell schadstoffarme Baustoffe einsetzt und auf folgende Baustoffe bzw. deren Bestandteile verzichtet: Holzwerkstoffe (Formaldehyd, Terpene, Aldehyde, Phenol. Holzschutzmittel: Pentachlorphenol, Lindan, Pyrethroide, Chlornapthtaline), Dachdeckungen, Estriche (Asbest), Wärmedämmstoffe (Künstliche Mineralfasern), Bodenbeläge (Asbest, Volatile Organic Compounds (VOC) z.B. Naphthalin, Styrol, Nitrosamine), Farben, Lacke (Volatile Organic Compounds, Isothiazolone, Aromaten).

Richtige Bewertung braucht Zahlen, die vertrauenswürdig sind und ihre Grundlagen offenlegen. Im Kontext der Unternehmen kommt hinzu, dass sie heute besonders gefordert sind, nicht nur über Kosten und Nutzen ihres Handelns, sondern auch über ihr nachhaltiges Engagement zu informieren. Dazu brauchen sie nachvollziehbare, messbare Systeme. Vieles funktioniert bei den heutigen disruptiven Veränderungen nicht mehr - um den Überblick zu behalten, werden neue Perspektiven und Werkzeuge benötigt, weil die Aufgaben zu komplex geworden sind. Hier setzt das Portal von Sentinel, das als erste und bisher einzige Datenbank seitens DGNB als Referenzdatenbank akzeptiert wurde, an (auch anerkannt durch www.greensign.de): Es hilft bei der Recherche nach kreislauffähigen, nachhaltigen (DGNB) und wohngesunden Produkten. Beispielsweise sind unbehandeltes Fichten-, Kiefern-, Eichenholz, Edelstahl, Aluminium auch ohne Zertifikat bei korrekter Fügetechnik kreislauffähig. Die Datenaktualität wird monatlich überprüft. Jede Bauweise kann vollständig mit dem Portal abgebildet werden und (Transparenz der Kriterien für alle Produktkategorien).

Bauunternehmer und Planer können im Rahmen des Steckbries 3.1.3 (QNG) über Filter sofort die geeigneten Produkte sicher identifizieren (Zeitersparnis). Die Produkte erfüllen die geforderten Kriterien der Rechtssicherheit „und ersparen das Risiko von Schadstoffen, Geruch und anderen Schadstoffen“, so Bachmann. Alle Materialien werden erfasst und dokumentiert. Die Datensicherheit wird durch eine programmierte Zertifikatsdatenbank gewährleistet. Jeder Datensatz wird an dem Tag unsichtbar, wenn das Zertifikat abgelaufen ist. Durch eigene Ingenieure sind alle Datensätze handverlesen geprüft. Bei anderen Datenbanken müssen die Hersteller die Daten selbst eintragen (via Schnittstelle). Dieser Ansatz ist zugleich ein Teil fürs Ganze im Kontext der unternehmerischen Nachhaltigkeit: Diese Zahlen ermöglichen zugleich, konkrete Nachhaltigkeitsziele festzulegen und quantifizierbar zu machen. Dazu müssen sie aussagekräftig sein und aus fundierten Daten entwickelt werden, die über einen längeren Zeitraum verfolgt werden können. Außerdem muss die Messbarkeit der Daten gewährleistet sein. Erst dann ist eine kontinuierliche Beobachtung von Entwicklungstendenzen möglich.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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