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Schaltzentrale im Lockdown: Der Küchentisch

Im Lockdown mussten viele Menschen von heute auf morgen ihre Büro-Arbeitsräume verlassen und sich in der heimischen Umgebung einrichten. Der Küchentisch ist für Claudia Silber, Leiterin Unternehmenskommunikation bei der memo AG, ein Symbol der aktuellen Situation: "Bis Januar 2020 war er Treffpunkt für gemeinsame Abendessen im Kreise von Familie oder Freunden und der Mittelpunkt so manch spontaner Küchenparty. Das hat sich in den letzten Monaten grundlegend geändert, denn der Küchentisch muss in der Pandemie vielfach und in erster Linie als Arbeitstisch dienen. Vor allem in kleinen Wohnungen ist häufig kein Platz für einen gesonderten Schreibtisch mit entsprechender Ausstattung. Auch die Politik hat das erkannt und fordert vorerst für die Steuererklärung kein gesondertes Arbeitszimmer mehr.“ Und so wurde vor allem die Küche in ein Homeoffice verwandelt und der Esstisch zum Familienschreibtisch bzw. zur Kommunikationszentrale umfunktioniert. Hier finden seit Monaten Videokonferenzen, Cloud-Working und Homeschooling statt. Das zeigt auch, dass das Smartphone kein Ersatz für ein komplettes Büro ist – und dass ein Tisch auch heute unverzichtbar ist. Schon das bureau des 18. Jahrhunderts war zunächst ein mit Stoff bespannter Tisch, später dann der Schreibtisch und zuletzt der Raum, in dem ein Schreibtisch steht (das Büro). Auch wenn das Büro der Gegenwart nicht mehr das ist, was es früher war (ein Ort für Schreibarbeiten und Datenablagen), so ist der Tisch als Relikt der Vergangenheit geblieben, wenngleich alles funktionaler und digitaler geworden ist.

„Der Küchentisch ist die Multitasking-Zentrale der Corona-Zeit.“ (Johan Schloemann)

Die Hightech-Küche selbst ist in diesen Zeiten in den Hintergrund gerückt – wichtiger geworden ist das Zusammensitzen um einen ausladenden Tisch, bevorzugt aus stabilem Massivholz (Ökobewusste achten auch auf die FSC-Zertifizierung) und hochwertiger Verarbeitung. Durch den Teleskopauszug lassen sich Tische leicht vergrößern (memolife). Die Formen im Handel sind oval, rund, quadratisch oder rechteckig. Da Küche und Wohnraum ineinander übergehen, liegen auch multifunktionale Küchenmöbel im Trend.

Bereits 2020 drangen immer mehr Küchenhersteller raumübergreifend ins Wohnsegment vor. Vor allem in diesem Jahr steht die Ausgestaltung des Homeoffice im Fokus. Die Küchenhersteller LEICHT, Häcker und rational haben dafür entsprechende Räume in ihren Ausstellungen geschaffen. Sie zeigen, wie beispielsweise mit einem Stahlregal oder einer aufgesetzten Küchenschublade mit entsprechender Tiefe und Beton-Dekor (Häcker) die Schreibtischausstattung zum Homeoffice direkt vom Küchenfachhändler mitgeplant werden kann. Claudia Silber denkt nicht, dass der Küchentisch nach Corona wieder vollständig zu seinem eigentlichen und ursprünglichen Nutzen zurückkehrt: „Die Vorteile, die flexibles und individuelles mobiles Arbeiten für ArbeitnehmerInnen und ArbeitsgeberInnen gleichermaßen hat, sind zu groß. Es bleibt jedoch die Hoffnung, dass der Küchentisch als Ort der Begegnung und des Miteinanders bald zurückkehrt."

Dennoch: Ein Dauerzustand sollte die Verschiebung vom Schreib- an den Küchentisch nicht sein. Wo es keine privaten Rückzugsmöglichkeiten zwischen Wohnwelten und Homeoffice mehr gibt, verlieren wir unsere Kraftzonen und innere Stabilität. Um sich nicht zu verlieren und gute Arbeit hervorbringen zu können, braucht es auch den Schutz der Zurückgezogenheit im richtigen Raum und Fokussierung auf das Wesentliche.

Weiterführende Informationen:

OFFICE PIONEERS: Ausblicke auf das Büro 2030. Visionen. Chancen. Herausforderungen. Hg. von Robert Nehring, Berlin 2020

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Küchen-Kultur und Lebensart: Warum Verantwortung nicht zwischen Herd und Kühlschrank aufhört. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2018.

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Wohnen 21.0: Grundzüge des Seins von A bis Z: global – lokal –nachhaltig. Amazon Media EU S.à r.l.

Johan Schloemann: Epizentrum. In: Süddeutsche Zeitung (23./24.1.2021), S. 20.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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