Schulkultur 21.0 braucht Klimabildung
Klimaschutz ist eine der wichtigsten Aufgaben der Gegenwart. Dazu braucht es einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel – auch im Schulalltag.
Viele Jugendliche treibt die Sorge um den Klimawandel und die Dringlichkeit der Lage schon lange um, wie auch die Jugendbewegung Fridays for Future zeigt, in denen viele Schüler:innen aktiv sind. Viele fühlen sich allerdings mit ihrem Engagement nicht immer ernst genommen. Häufig hörten sie in der Vergangenheit Sätze wie „Ihr geht für das Klima auf die Straße, aber danach geht ihr zu McDonald’s. Wenn ihr die Politik zur Nachhaltigkeit auffordert, müsst ihr auch selbst etwas machen.“
Die Teenager eines Lübecker Gymnasiums haben sich allerdings nicht entmutigen lassen und gründeten die Initiative „Wir lernen klimaneutral“, die sich als Graswurzelbewegung betrachten lässt: Aus der Schülerschaft entwickelt, soll sie die Schule durchdringen und darüber hinaus auch weitere Schulen, Städte und Kommunen erreichen. Allerdings ist es derzeit noch nicht möglich, den CO2-Ausstoß deutscher Schulen auf Null zu reduzieren. Die unvermeidbaren Treibhausgase können jedoch an anderer Stelle eingespart und somit kompensiert werden.
Informieren: Informationen über den Klimawandel, die aktuelle Sachlage und mögliche Tools sammeln.
Vernetzen: Mitstreiter:innen an der Schule suchen – auch unter den Lehrkräften, Eltern, der Schulleitung sowie außerhalb der Schule.
AGs gründen: An der Schule sollte es eine (nicht zu große) Koordinierungsstelle geben (am besten eine AG), in der sich alle Beteiligten regelmäßig austauschen. Daneben kann es noch weitere AGs zu speziellen Themen geben wie Recycling oder Schulhof-Begrünung.
Verbrauch erfassen: Daten zum Ausstoß von Treibhausgasen der Schule in verschiedenen Bereichen sammeln und berechnen.
Konzept entwickeln: Nach der Auswertung des Verbrauchs kann die Schule ein darauf abgestimmtes Einsparungskonzept entwickeln.
Offizieller Beschluss: Die Schulkonferenz muss Beschlüsse fassen, die das Einsparungskonzept nachhaltig verankern. Dazu sollte ein entsprechender Antrag erarbeitet und eingebracht werden.
Konzept ausbauen: Für nachhaltige Veränderungen in der Schule müssen auch Behörden mit ins Boot geholt werden.
Ergebnisse prüfen: Das Konzept und seine Auswirkungen sollten regelmäßig auf deren Wirksamkeit überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Außerdem sollte regelmäßig das Feedback der Schulgemeinde eingeholt werden.
Wissen teilen: Um andere Schulen auf dem Weg zur klimaneutralen Schule zu unterstützen, sollten Kontakte, Konzepte und Einspartipps transparent sein und Erfahrungen weitergegeben werden.
Zunächst wurden Informationen gesammelt und Kontakt zu anderen Schulen hergestellt, die schon entsprechende Projekte umgesetzt haben. Über „Fridays for Future“ waren sie bereits mit vielen anderen Schülervertretungen vernetzt. Das Johanneum in Lübeck gehört zu den Modellschulen, mit denen Greenpeace im Projekt „Schools for Earth“ zusammenarbeitet. Ziel ist es, dass Klimabildung den gesamten Lehrplan durchdringt – nicht nur einzelne Fächer wie Geografie oder Biologie, sondern auch im Fach Wirtschaft. Der Schulleiter stellte der Initiative Daten zum Energieverbrauch zur Verfügung und vermittelte entsprechende Kontakte bei der Stadt. Auch eine Lehrerin wurde für eine Unterrichtsstunde wöchentlich abgestellt, damit sie die Schüler:innen unterstützen kann. An der Lübecker Schule gibt es auch eine AG „Greenteam“, die bereits kleinere Projekte wie die Umstellung auf Recyclingpapier oder mehr vegetarisches Essen in der Mensa durchgesetzt hat. Wichtige Impulse bei der Entwicklung von „Wir lernen klimaneutral“ kam von der Studierendeninitiative „Public Climate School“, die Wissen zum Klimawandel vermitteln und Schulen befähigen möchte, selbst aktiv zu werden und nachhaltige Projekte zu entwickeln.
In einer anderen Schule in Sachsen gaben Schüler:innen ihrer Mission den Namen „Foucault for Future“. Eine besondere Herausforderung war hier ebenfalls das Zusammentragen der Daten am Projektbeginn. Hilfreich waren dabei Instrumente wie der CO2-Schulrechner, den Greenpeace und das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) mit Unterstützung von bundesweit 15 Pilotschulen konzipiert haben. Dieser kann kostenlos genutzt werden, um Klimabilanzen in Schulen zu erstellen. Zu wissen, aus welchen Bereichen die Treibhausgas-Emissionen Ihrer Schule stammen und welchen Anteil sie an der CO2-Gesamtbilanz haben, ist eine wichtige Basis, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen. So werden im Johanneum in Lübeck Klassenfahrten nicht mehr mit dem Flugzeug gemacht, mehr Schüler:innen kommen mittlerweile mit dem Fahrrad zur Schule, und die Schule hat sich auf einen fleischfreie Brotbox verständigt. Jede Klasse erhält zwei „Klimascouts“, die wie Klassensprecher:innen von der Klasse gewählt werden und auch sicherstellen, dass das Projekt bestehen bleibt, wenn die Initiator:innen nicht mehr an der Schule sind.
Hier besteht großer Nachholbedarf. Um diesen Klimafaktor zu ermitteln, mussten die pro Schuljahr zurückgelegten Personenkilometer (Pkm) je nach Verkehrsmittel erfasst werden. Die Schul- bzw. Arbeitswege wurden danach unterschieden, ob sie zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit öffentlichen Verkehrsmitteln (ÖPNV) oder mit dem Auto zurückgelegt werden. Die Schüler:innen einer 9. Klasse befragten an einem Projekttag alle in der Schule anzutreffenden Klassen bzw. Leistungskurse sowie die Lehrer:innen und Mitarbeiter:innen. Für die nicht angetroffenen Personen wurden die Werte hochgerechnet. Die Entfernungen zwischen Schule und Wohnort wurden in vier Kategorien eingeteilt. Um das unterschiedliche Mobilitätsverhalten je nach Jahreszeit (Winterhalbjahr, Sommerhalbjahr) zu unterscheiden, wurde ein „Jahreszeiten-Faktor“ einberechnet. Das Ergebnis: Fast zwei Drittel aller Schulwege werden umweltfreundlich zurückgelegt - zu Fuß (5 %), mit dem Fahrrad (10 %) oder mit den Öffentlichen (51,5 %). 33 % der Autofahrer verursachen 58 % der Klimagase in dieser Mobilitätsbilanz. Pro Kopf verursacht jede Person des Gymnasiums eine jährliche CO2-Belastung aus dem Schulbetrieb von 760 kg. Wird der Anteil für Mobilität herausgerechnet, sind es pro Kopf jährlich 306 kg CO2-Äquivalente. In weiteren Projekttagen sollen aufgrund der Datenbasis Maßnahmen für die Umsetzung einer Klimaneutralitätsstrategie der Schule entwickelt werden.
Lernende Gesellschaft: Warum Umweltbildung unverzichtbar ist
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. SpringerGabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2020.