Diverse Unternehmen punkten mit ihren Betreuungsangeboten. - Quelle: Illustration Berna / Getty Images
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Schweizer Firmen wollen wieder in Kinderbetreuung investieren

Kinder und Job zu vereinen, ist eine Herausforderung. Experten stellen fest: Letztes Jahr investierten Firmen häufiger in die Kinderbetreuung.

Die Grosseltern sind gerade in den Ferien, der Babysitter ist nicht verfügbar, eine Tagesmutter gibt es keine in der Umgebung – wer kümmert sich um die Kinder? Manch einer würde sagen, die Eltern. Doch die arbeiten. Mit diesem Problem müssen sich zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer täglich auseinandersetzen. Die Firmen greifen zunehmend auf interne Kitas zurück.

UBS arbeitet an neuen Konzepten

Die UBS punktet bei den Eltern mit kreativen Konzepten. So sollen Arbeitsplätze geschaffen werden, die neben dem Büro-Drehstuhl auch einen Hochstuhl für den Nachwuchs zur Verfügung stellen. Eine andere Idee zeigt Ess-Nischen, sogenannte Diner Booths, wo Eltern und Kinder zusammen essen können. Die UBS sagt: «Wir testen immer wieder neue Ideen und schauen, ob so etwas genutzt werden würde. Es gibt jedoch keinen Plan, das auszurollen.» Es handelt sich dabei um Testprojekte. Die Bank investiert auf verschiedenen Ebenen in die Kinderbetreuungsmodelle, die sich schon bewährt haben.

UBS-Sprecherin Karin Aquilino sagt auf Anfrage: «Wir arbeiten mit externen Firmen zusammen, welche Beratung zur familienexternen Kinderbetreuung sowie eigene Kinderkrippen und die Vermittlung von Nannys anbieten.» Weiter sagt sie, dass diese externen Firmen auch in Notfallsituationen auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Eltern und individuelle Situationen eingehen würden, indem sie zum Beispiel Tagesmütter vermitteln, Nannys für Notfälle bereitstellen oder Ferienprogramme organisieren.

Nestlé punktet mit Kids-Corner bei den Eltern

Am Hauptsitz von Nestlé Schweiz in La Tour-de-Peilz und am globalen Hauptsitz in Vevey gibt es seit einiger Zeit einen Coworking-Space mit einem «Kids-Corner», einer Kinderecke. Und so funktioniert es: Während Mama oder Papa arbeiten oder Meetings haben, beschäftigen sich die Kinder in der Spielecke. Kinderbücher, Spielsachen, Stifte und Papier stehen zur Verfügung. Wer sich in ein Buch vertiefen möchte, der kann sich auf dem grossen Sofa installieren. Fürs Zeichnen und Malen stehen kindgerechte Stühle und Tische bereit. Das Angebot richtet sich an Väter und Mütter, die «gelegentlich Schwierigkeiten haben», Arbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen, wie die Presseabteilung von Nestlé Schweiz schreibt. Der Kids-Corner ist also nicht als Dauerlösung gedacht, sondern als Überbrückungsmöglichkeit, wenn alle anderen Stricke reissen.

Auch die Uhrenfirma Audemars Piguet setzt auf Kinderbetreuung am Arbeitsplatz. Schliesslich seien die Kleinen ja die Zukunft. «Für Familien arbeiten wir auch am Bau einer Kinderkrippe in Le Brassus, die 2025 eröffnet werden soll», sagt der Personalverantwortliche Frédéric Chardot. Denn wie Familien selbst plant auch Audemars Piguet für die nächste Generation. Doch nicht nur die Kleinsten sowie die aktuelle Belegschaft sollen gut aufgehoben sein beim Unternehmen, sondern ebenso mögliche Talente der Zukunft. Durch Partnerschaften mit Schulen und Universitäten bildet die Firma junge Talente in den spezifischen Berufen aus – denn sie sind die Zukunft der Uhrenmarke.

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Firmen müssen auf die Bedürfnisse der Eltern eingehen

Klara Zürcher ist Co-Gründerin von Tadah, dem schweizweit ersten Coworking-Space mit flexibler Kinderbetreuung. Zudem betreiben sie und ihr Team eine Unternehmenskita bei der Swiss Re – ebenfalls mit flexiblen Plätzen. Als Expertin weiss Zürcher genau, was die Tücken in der Schweiz sind. «Es gibt viele Eltern, vor allem Mütter, die sich nach der Geburt entscheiden, gar nicht oder in einem tiefen Pensum wieder in ihren alten Job einzusteigen. Denn in der Schweiz sind die Rahmenbedingungen oftmals nicht gegeben, hochprozentiger zu arbeiten.» Konkret redet Zürcher von langen Präsenzzeiten, bezahlbarer oder flexibler Kinderbetreuung, Topsharings, Teilzeitkarrieren oder der finanziellen Beteiligung des Unternehmens an der Kinderbetreuung. Die Arbeitskultur sei hier das Stichwort, stellt Zürcher fest. «Wenn beispielsweise die Reaktion auf eine Schwangerschaft positiv ausfällt, fühlt sich die Frau ernst genommen und weiss, dass ihr Muttersein nicht als Karriere-Killer bewertet wird.» Wichtig sei, dass die Massnahmen relevant sind für die Eltern und zur Firma passen. «Teilweise geben Firmen viel Geld aus, beispielsweise für das Vorrecht auf Plätze in regulären Kitas. Oft werden diese Angebote aber gar nicht genutzt, weil sie wenig durchdacht sind oder die Bedürfnisse der Mitarbeiter ganz andere sind», meint Zürcher.

Fünf Akteure und nur zwei zahlen

Einer, der schon lange im Geschäft ist, spricht ebenfalls die Kosten an. Frédéric Baudin ist CEO der Kita-Kette Pop e Poppa, einer Firma, die Kitas und Beratung für Firmen zur Verfügung stellt. Schon über zwanzig Jahre existiert seine Firma. Er ist vertraut mit dem Problem Finanzen. Durchschnittlich koste ein voller Betreuungsplatz, sprich fünf Tage die Woche, jährlich 30’000 Franken in der Schweiz. Üblicherweise sucht die Firma den Dialog mit den Eltern, um sich auf eine Aufteilung der Kosten zu einigen. «Gegebenenfalls beteiligt sich die Firma im Durchschnitt mit 10 bis 50 Prozent. Das unterscheidet sich aber stark von Firma zu Firma. Es gibt mittlerweile Dutzende Arten der Kostenaufteilung der Kinderbetreuung.» Meistens seien es aber die Eltern, die am meisten zahlen müssen. Baudin erklärt: «Es gibt fünf Akteure, die von der Kinderbetreuung in der Schweiz profitieren: der Bund, die Kantone, die Gemeinde, die Arbeitgeber und die Eltern. Finanziell beteiligen sich im Moment vor allem die Eltern, dann die Gemeinden und, durchschnittlich mit sehr kleinen Beiträgen, die Kantone. Im seltensten Fall beteiligt sich auch der Arbeitgeber.» Um ein faires Modell zu schaffen, sollte man die Kosten auf alle fünf Akteure vernünftig verteilen. So würden sich mehr Eltern eine Betreuung leisten können und die Wirtschaft davon sehr profitieren, schlägt Baudin vor.

Die UBS will dem Finanzproblem entgegenwirken und greift den Eltern unter die Arme. Aquilino sagt: «Darüber hinaus werden die Kosten für Not-Nannys für bis zu drei Tage pro Jahr erstattet, unabhängig von Rang und Beschäftigungsgrad der jeweiligen Mitarbeiterin oder des jeweiligen Mitarbeiters. Dies erfolgt im Rahmen unserer stetigen Bemühungen, berufstätige Eltern in allen Lebensphasen zu unterstützen.»

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