Schwierige Zeiten für Supermarktketten: Lidl und Kaufland wachsen langsamer
Nach einem Boom hat sich das Wachstum von Lidl und Kaufland verringert. Auch das Cloud-Geschäft der Schwarz-Gruppe schwächelt. Wo die Probleme liegen – und wo der Handelsriese investiert.
Düsseldorf. Trotz hoher Preise für Lebensmittel ist der Discounter Lidl 2024 so schwach gewachsen wie seit drei Jahren nicht mehr. Die Umsätze in den Filialen stiegen weltweit um 5,3 Prozent auf 132,1 Milliarden Euro. Im Vorjahr hatte das Plus aber noch bei 9,4 Prozent gelegen. Schlechter hatte sich die Supermarkt-Kette zuletzt nur im Coronajahr 2021 mit 4,7 Prozent entwickelt.
Auch bei Kaufland hat sich das Umsatzwachstum von 7,8 Prozent im Vorjahr auf 2,9 Prozent abgeschwächt. Schwächer hatte sich Kaufland zuletzt 2018 entwickelt. Lidl und Kaufland sind das Kerngeschäft der Schwarz-Gruppe, die ihre Geschäftszahlen am Donnerstag mitteilte. Das Geschäftsjahr der Gruppe endet am 28. Februar.
Was die Gründe für das gedrosselte Wachstum sind – und was die Schwarz-Gruppe plant, um wieder stärker zu wachsen.
Lidl und Kaufland scheinen wie andere Ketten unter der Kaufzurückhaltung der Verbraucher infolge der wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheit zu leiden. „Auch für Discounter ist es derzeit nicht einfach, Kundinnen und Kunden zum Geldausgeben zu bewegen“, sagte Kai Hudetz, Handelsexperte beim IFH Köln. Verbraucher kauften nicht nur preisgünstigere Produkte ein, sondern auch insgesamt weniger.
» Lesen Sie auch:Was hinter den Nachhaltigkeitsversprechen von Aldi, Lidl und Co. steckt
Gedämpft wird das Wachstum der Supermärkte auch von der zurückgehenden Inflation. Noch 2022 konnten Kaufland und Lidl ihren Umsatz vor allem durch Preissteigerungen prozentual zweistellig steigern. Höhere Preise fallen als Wachstumstreiber nun zunehmend geringer aus.
Dennoch sind Lidl und Kaufland stärker gewachsen als der Markt. Einer Studie von McKinsey und dem Branchenverband Eurocommerce zufolge haben Lebensmittelhändler in Europa im vergangenen Jahr ihren Umsatz im Durchschnitt um 2,4 Prozent gesteigert. Davon entfällt noch immer ein großer Teil auf Preiserhöhungen, die verkaufte Menge hat lediglich um 0,2 Prozent zugenommen.
Inflationsbereinigt liegt der Umsatz der Sparte sogar um 4,1 Prozent unter dem Vor-Pandemie-Niveau von 2019. Branchenkenner gehen davon aus, dass auch Lidl und Kaufland 2024 ihre Verkaufszahlen kaum gesteigert haben dürften. Details dazu gibt das Familienunternehmen nicht bekannt.
Lidl und Co. haben nur noch ein Günstig-Image
Dass sich das Wachstum von Lidl und Kaufland abschwächen würde, sei absehbar gewesen, sagte Handelsexperte Hudetz: „Das Wachstum findet in einem gesättigten Markt statt.“ Gleichzeitig seien viele Konsumenten nicht mehr ganz so verunsichert wie vor einem Jahr und kauften auch wieder mehr bei Vollsortimentern wie Rewe oder Edeka ein.
Das Handelsgeschäft von Rewe in Deutschland, zu dem auch Penny zählt, steigerte seinen Umsatz 2024 um 3,2 Prozent auf 41,6 Milliarden Euro. Deutschlands größter Lebensmitteleinzelhändler Edeka wuchs um 6,5 Prozent – und damit stärker als Lidl.
Edeka ist dabei vor allem in Deutschland aktiv und global betrachtet mit seinen 75,3 Milliarden Euro Umsatz deutlich kleiner als Lidl. Der Discounter betreibt 14.200 Filialen in 32 Ländern. Konkurrent Aldi hat bislang keine Zahlen bekannt gegeben.
Discountern fällt es zunehmend schwerer, sich von Vollsortimentern zu unterscheiden. Mittlerweile sehen Einkaufsstätten allerorts ähnlich aus.
Aldi und Lidl: Wo die Kunden wirklich sparen können
Auch wenn Aldi und Lidl unter vielen Kunden noch das Image haben, günstiger als die Konkurrenz zu sein, sind vor allem die Eigenmarken oft auf den Cent genau gleich teuer. Sparen können Kunden vor allem mit Sonderangeboten. Die gibt es zwar verstärkt – doch reihum bei allen Händlern.
Das Onlinegeschäft von Lidl und Kaufland stagnierte im vergangenen Jahr bei 1,7 Milliarden Euro. Anders als Wettbewerber Aldi haben beide Märkte der Schwarz-Gruppe eigene Online-Marktplätze aufgebaut. Im gesamten Onlinegeschäft ist nach dem Boom nach den Coronajahren nun eine Seitwärtsbewegung zu beobachten.
Umsatzplus der Schwarz-Gruppe ist so schwach wie seit einer Dekade nicht mehr
Zum viertgrößten Handelsunternehmen der Welt gehören neben Lidl und Kaufland auch etwa die Cloud-Sparte Schwarz Digits und die Entsorgungsfirma Prezero. Das gesamte Familienunternehmen mit Sitz im baden-württembergischen Neckarsulm steigerte seinen Umsatz um 4,9 Prozent auf 175,4 Milliarden Euro. 2023 lag das Plus noch bei 8,5 Prozent, 2022 sogar bei 15,4 Prozent.
Damit war das Umsatzplus 2024 so schwach wie in keinem anderen Jahr der vergangenen Dekade. Wie sich das auf den Gewinn auswirkt, gibt das Familienunternehmen nicht bekannt.
Nach Einschätzung von Experten wirft das klassische Handelsgeschäft immer weniger Gewinn ab. „Für Händler sind es gerade schwierige Zeiten, um mehr Geld zu verdienen“, sagte Experte Hudetz. Händler sind in einem Dilemma: Erhöhen sie angesichts hoher Kosten ihre Verkaufspreise, wandern die preissensiblen Kunden zur Konkurrenz ab. Senken sie den Preis, drückt das ihre ohnehin geringe Marge.
Zukunftsbereich Cloud-Geschäft schwächelt
Um neue Erlösquellen abseits des Handelsgeschäfts zu erschließen, baut der Chef der Schwarz-Gruppe, Gerd Chrzanowski, den Handelskonzern seit Jahren deutlich stärker um, als es die Konkurrenz macht. Als Vorbild gilt dabei der US-Handels- und Tech-Riese Amazon.
So betreibt das Familienunternehmen unter dem Namen Schwarz Digits seit 2023 eine eigene Cloud-Sparte. Damit will es die Gruppe mit Tech-Giganten wie Microsoft oder Amazon aufnehmen. Die IT-Lösungen zielen vor allem auf den öffentlichen Dienst und Mittelständler ab, die Vorbehalte haben, ihre Daten auf Servern von US-Konzernen abzulagern.
Doch die Wachstumshoffnungen haben sich für Chrzanowski bislang nicht erfüllt: Der Umsatz stagniert im zweiten Geschäftsjahr bei 1,9 Milliarden Euro.
Das überrascht, weil das Cloud-Geschäft ein Wachstumsmarkt ist. Die Cloud-Tochter Amazon Web Services (AWS) etwa wuchs 2024 um19 Prozent.
Offenbar fällt es der Schwarz-Gruppe schwer, neue Kunden zu gewinnen. Ein Großteil der Umsätze dürfte laut Experten aus internen Aufträgen resultieren. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben eine dreistellige Zahl externer Kunden, darunter Siemens, Zeiss oder den FC Bayern München.
Lidl-Konzern ist einer der größten Lebensmittelhersteller Deutschlands
Schwarz-Chef Chrzanowski will künftig einen Großteil des gesamten Wertschöpfungskreislaufs abdecken. So ist die Gruppe mittlerweile zu einem der größten Lebensmittelhersteller Deutschlands aufgestiegen. In eigenen Fabriken werden zum Beispiel Eis, Schokolade, Kaffee, Nudeln oder Brot hergestellt. Experten befürworten diese Strategie, weil sich die Schwarz-Gruppe so eigenständiger aufstellt.
Die produzierenden Unternehmen der Gruppe lieferten 2024 Waren im Wert von 4,6 Milliarden Euro vor allem an Lidl und Kaufland. Das sind fast zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Damit liegt Schwarz vor den Nahrungsmittelunternehmen von Dr. Oetker, die im vergangenen Jahr einen Umsatz von 4,3 Milliarden erzielt haben.
Der Lidl-Konzern erhöhte seine Produktionskapazitäten durch den Betrieb einer neuen Nussrösterei in Rheine und eines neuen Getränkewerks in Derby in Großbritannien. Das ist der erste Produktionsstandort außerhalb Deutschlands.
Gleichzeitig betreibt Schwarz mit Prezero eines der größten Entsorgungsunternehmen Europas. Auch weil der Konzern nach eigenen Angaben Marktanteile ausbauen konnte, erhöhte sich der Umsatz dieser Sparte um mehr als fünf Prozent auf fast vier Milliarden Euro.
Milliarden-Investitionen für Deutschland
Trotz der unsicheren Weltlage will das Familienunternehmen seine Investitionen weiter erhöhen – auch in Deutschland. In diesem Jahr plant die Schwarz-Gruppe, 9,6 Milliarden Euro zu investieren, davon 3,7 Milliarden Euro in den Heimatstandort.
595.000 Beschäftigte arbeiten bei der Schwarz-Gruppe. / Quelle: Schwarz-Gruppe
Schon 2024 steigerte der Konzern seine Investitionen auf 8,6 Milliarden Euro, davon 3,3 Milliarden in Deutschland. Das Geld floss in den Ausbau von Filialen und Lagern. Außerdem wurde die Kapazität der europäischen Rechenzentren erweitert.
„Dadurch konnten wir auch in einer Zeit globaler Unsicherheiten in allen Sparten gemeinsam nachhaltig wachsen und weiter in den Wirtschaftsstandort Deutschland und ein digital souveränes Europa investieren“, sagte Chrzanowski. Im vergangenen Jahr habe man 20.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, allein 4000 in Deutschland. Insgesamt beschäftigt die Gruppe 595.000 Mitarbeiter.
👉Das Handelsblatt wird 79 – und Sie feiern mit!
