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Sehnsucht nach Ordnung und Struktur: Warum Puzzle gerade populär sind

Gegen das Chaos der Welt

In der Corona-Krise haben viele Menschen das Gefühl, im Chaos einer Welt zu versinken, die aus den Fugen geraten ist und in viele kleine Teile zerfällt. Sie finden nur noch Stückwerk, aber kein Ganzes mehr. Das Wort Ordnung kam über die Architektur ins moderne Denken, wo es ursprünglich für ein Ganzes stand: Alle Teile passten zueinander, so dass keines ersetzt werden konnte, ohne die Harmonie zu zerstören. Unordnung spiegelt sich in einem Denken, das sich nicht mehr sammeln kann, weil es den Überblick verloren hat.

Dass Puzzlespiele gerade jetzt so beliebt sind, mag daran liegen, dass hier Ordnung und Struktur selbstbestimmt Stück für Stück wiederhergestellt werden und Menschen wieder Kontrolle über ihr Leben bekommen. Der Puzzle-Hype zeichnete sich allerdings schon in den vergangenen Jahren ab: 2019 wurden 20 Prozent mehr Puzzles verkauft als noch im Jahr zuvor. In Zeiten von Corona hat sich die Nachfrage sogar verfünffacht.

Der äußere Rahmen des Puzzles gibt Halt vielen Halt. Um voranzukommen, setzen sich zuweilen sogar Etappenziele und gehen Schritt für Schritt vor – ganz im Sinne des Managementexperten und Unternehmers Matthias Krieger, der in seinem Buch „Die Lösung bist Du! Was uns wirklich voranbringt“ schreibt: „Eine Vision, ein großes Ziel, das auf lange Sicht erreicht werden soll, steht wie ein Leuchtturm in der Ferne. Der Weg dorthin lässt sich in kleinere Teilziele zerlegen. Mit diesen Teilzielen erhält man Orientierungspunkte, an denen man sich festhalten kann - die Ziele als Wegweiser.“

Der Unordnung der Welt haben die Klugen und Reflektierten schon immer eine eigene Logik entgegengesetzt, die sie selbst geschaffen haben: durch auswählen, sammeln, zerlegen und neu zusammenfügen. Damit verbunden ist auch ein Netz aus Routinen, die wiederum eine wichtige Grundlage für zielgerichtete Aufmerksamkeit sind. Der Begriff „Routine" ist eine Verkleinerungsform von Route (einem schmalen Pfad). Beide haben mit Wiederholungen zu tun, die gleichzeitig mit dem Bedürfnis nach Sicherheit sowie mit der Sehnsucht nach Fokussierung, Sammlung und Aufgeräumtheit einhergehen. Eine nur „seelenlose" Routine würde allerdings unsere Aufmerksamkeit nicht mehr binden und einen mechanischen Eindruck machen.

In Corona-Zeiten geht alles nur kleinteilig und langsam voran, aber wir lernen täglich, dass jedes noch so kleine Teil wichtig für das Ganze ist - nichts darf übersehen werden, denn sonst ist das Große unvollständig.

Weiterführende Informationen:

„Unsere Welt ist jetzt ein Puzzle“. stern-Gespräch mit Stephan Grünwald. In: stern (23.4.2020), S. 45-48.

Matthias Krieger: Die Lösung bist Du! Was uns wirklich voranbringt. BusinessVillage Verlag, Göttingen 2011.

Ordnung ist das halbe Leben. Hg. von Häcker Küchen 2018.

Adam Soboczynski: Die Ordnung der Dinge. In: DIE ZEIT (19.1.2017), S. 3.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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