Seid Ihr noch zu retten? Zwölf Thesen für eine dringende Reform der Katholischen Kirche – bevor es zu spät ist
Für gewöhnlich schreibe ich an dieser Stelle über Fragen von Führung, Management und Corporate Governance im Kontext von Unternehmen und weltlichen Organisationen. Heute soll es um eine Organisation und Institution der besonderen Art gehen: die Katholische Kirche. Immerhin der erste „Global Player“ der Weltgeschichte.
Mit 1,4 Milliarden Mitgliedern ist die Katholische Kirche ein weltweites Schwergewicht, was die Zahl ihrer „Kunden“ angeht. In Deutschland und Europa sieht das schon anders aus. Hier gehen die Katholikenzahlen dramatisch zurück. Die Gründe hierfür sind vielfältig, liegen aber insbesondere in Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlusten, Führungsschwächen, Reformverweigerungen, undemokratischen Machtstrukturen – und als Folge zeigen sich Relevanzdefizite.
Ein Bekenntnis
Vorab ein Bekenntnis: Ich glaube noch immer an die Katholische Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen. Mit der Institution Kirche tue ich mich aber schon sehr viel schwerer. Ich glaube aber auch an eine Kirche, die viel besser und glaubwürdiger sein könnte, als sie sich seit Jahren darstellt. Der Missbrauchsskandal, der Hand in Hand geht mit einem Vertuschungsskandal, Finanzskandale in Deutschland ebenso wie im Vatikan, Ausgrenzungen und Diskriminierungen von Menschen in der Kirche haben glaubenserschütternde Folgen und Vertrauensverluste nach sich gezogen. Die Zahl der Kirchenaustritte steigt dramatisch. Für viele verliert die Kirche an Relevanz, weil ihr nicht mehr zugetraut wird, Orientierung für die Gestaltung eines gelingenden Lebens zu geben.
… und ein Auftrag
In Gesprächen spüre ich oft, dass sich viele Menschen nicht etwa vom Glauben abwenden, sondern von der Institution Kirche. Das wirkt sich nicht nur aktuell auf die Zahl der Katholiken in Deutschland aus, sondern hat auch Fernwirkung in die nächsten Generationen hinein, wenn immer mehr Kinder ohne jeglichen Kirchenbezug in ihren Familien aufwachsen. Vieles, was heute noch dank des großen Engagements der Menschen in den Kirchengemeinden vor Ort möglich ist, wird künftig nicht mehr stattfinden. Wenn wir in den Gemeinden den Glauben auch weiterhin in starken Gemeinschaften leben wollen, muss der Trend zur Kirchenferne jetzt gestoppt werden – Bevor es zu spät ist.
Schon das Zweite Vatikanische Konzil hat uns als Kirche einen klaren Auftrag mit auf den Weg gegeben: Die Kirche ist zur „dauernden Reform gerufen, deren sie allzeit bedarf“. Der „Synodale Weg“ in Deutschland hat dazu wichtige Anstöße gegeben, prallte aber auch gegen bischöfliche und vatikanische Festungsmauern. Bevor es zu spät ist, müssen wir jetzt den lähmenden Stillstand und die konservativen Beharrungskräfte in der Katholischen Kirche überwinden. Bevor es zu spät ist, müssen wir jetzt die offensichtlichen Missstände in der Kirche beseitigen. Und bevor es zu spät ist, habe ich, nicht zuletzt aus Sicht eines ehrenamtlich engagierten Mitglieds der Katholischen Kirche, deshalb diese Thesen für eine Kirchenreform im konziliaren Sinne aufgeschrieben.
1. Wir brauchen den Zugang von Frauen zu allen kirchlichen Weiheämtern.
Frauen sollen die Möglichkeit erhalten, sich in der Katholischen Kirche zu Diakoninnen, aber eben auch zu Priesterinnen weihen zu lassen. Bei genauer Betrachtung handelt es sich hier nicht um eine theologische Frage, die den Kern des katholischen und unbedingt zu bewahrenden Glaubensschatzes betrifft, sondern um eine Frage der Organisationshoheit der Institution Kirche. Angesichts des immer stärkeren Priestermangels wäre es schon allein deswegen eine kluge Entscheidung, Frauen, die geeignet sind und sich berufen fühlen, den Zugang zu den Weiheämtern zu ermöglichen.
Schwerer aber wiegt noch, dass man damit eine gravierende Diskriminierung von Frauen in der Katholischen Kirche endlich beseitigen würde. Wie will die Kirche glaubhaft gegen Diskriminierungen an anderer Stelle in der Gesellschaft eintreten, wenn sie selbst genau diese Diskriminierung im eigenen Haus praktiziert und bewusst verteidigt?
2. Der Pflichtzölibat für Priester ist abzuschaffen.
Ebenso wie für Frauen muss künftig auch für Verheiratete der Zugang zum Priesteramt möglich sein. Es gibt keine durchgreifenden Argumente, die ein Pflichtzölibat theologisch rechtfertigen könnten. Vielmehr handelt es sich auch hier um einen Diskriminierungstatbestand, da der Beziehungsstatus kein sachlich rechtfertigender Differenzierungsgrund ist, um Menschen vom Priesteramt auszuschließen. Wenn es zum Glaubenskern der Katholischen Kirche gehört, dass Gott den Menschen in Freiheit und Verantwortung geschaffen hat, dann sollte es aber auch in die freiwillige Entscheidung eines jeden Priesters gestellt sein, ob er sich für oder gegen eine zölibatäre Lebensweise entscheidet.
Zudem lässt es sich angesichts des zunehmenden Priestermangels sogar theologisch gut begründen, den Pflichtzölibat abzuschaffen. Die Kirche steht in der Verpflichtung, möglichst allen Gläubigen die regelmäßige Teilnahme an der Eucharistie zu ermöglichen. Die Abschaffung des Pflichtzölibats gibt zumindest die Chance, wieder mehr Menschen für das Priesteramt zu gewinnen und so das Eucharistieangebot sicherzustellen.
Zudem verlangt es die Wahrheit gegenüber der Kirchengeschichte, dass die Durchsetzung des Pflichtzölibats im 16. Jahrhundert im Wesentlichen nicht theologisch sondern kirchenstaats-fiskalisch und ökonomisch getragen war. So konnte verhindert werden, dass der Nachlass eines Priesters an die Ehefrau oder hinterbliebene Kinder vererbt wurde, statt in den Kirchenbesitz zu fallen. Ebenso konnten eventuelle mit moralischem Anspruch geltend gemachte Versorgungsansprüche von Witwen und Waisen verstorbener Priester gegenüber der Kirche von vornherein ausgeschlossen werden.
Sich zu dieser Wahrheit zu bekennen und Folgerungen daraus zu ziehen, ist auch eine Führungsaufgabe. Jüngste Äußerungen des Papstes geben zumindest Anlass für leise Hoffnungen.
3. Allumfassende Segnungen von Partnerschaften sich liebender Menschen müssen möglich werden.
Unsere Kirche soll eine einladende und dem Menschen zugewandte Kirche sein, die niemanden ausschließt, der für eine verantwortungsvolle und auf Verbindlichkeit angelegte Partnerschaft um den Segen Gottes bittet. Wir sprechen hier über eine Kernkompetenz der Kirche. Eine Kirche, die diesen Segen verweigert, gleich ob im Falle wiederverheirateter Geschiedener oder einer homosexuellen Partnerschaft, verkennt die Lebenswirklichkeit der Menschen, unterstellt unlautere Motive, wo diese nicht vorhanden sind und konterkariert die dem Menschen zugesagte Liebe Gottes. Diese Kirche verhält sich unmenschlich und unchristlich.
Der Synodale Weg hat öffnende Schritte in diese Richtung unternommen. Dass das dann auch in jedem Bistum umgesetzt wird, ist damit leider noch nicht gesagt.
4. Es bedarf einer dringenden Demokratisierung der kirchlichen Strukturen.
Kirchenrechtlich ist es nach wie vor so, dass ein Diözesanbischof die ihm anvertraute Diözese mit gesetzgebender, ausführender und richterlicher Gewalt leitet. Eine Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative sucht man auf kirchlicher Ebene immer noch vergeblich. Wie man hinlänglich gesehen hat, ist eine solche Struktur denkbar ungeeignet, um Missbrauch und seine Vertuschung oder auch finanzielle Unregelmäßigkeiten wirksam zu bekämpfen.
Im Gegenteil ist es sogar so, dass die Machtkonzentration auf eine Person, die für das kirchliche Leitungsprinzip an der Spitze prägend ist, solche skandalösen Entwicklungen oft erst ermöglicht oder gar befördert hat. Prinzipien der Gewaltenteilung und der kollegialen Führung haben sich in der Wirtschaft ebenso wie im Staatswesen zur Vermeidung schädlicher Machtkonzentration bewährt. Es wirkt daher seltsam aus der Zeit gefallen, wenn in der Katholischen Kirche weiter die Tendenz zur konservativen Verteidigung des Althergebrachten besteht, die Vorsorge für die Bewältigung der aktuellen und kommenden Probleme trotz Erkenntnis besserer Lösungen aber zumindest fahrlässig oft aber auch vorsätzlich vernachlässigt wird.
Ich begrüße es daher sehr, dass zum Beispiel im Bistum Münster nun erste Schritte zum Aufbau einer kircheneigenen aber unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit unternommen werden. Dies ist aber nur ein erster, wenn auch wichtiger, Schritt zur Demokratisierung der Kirche. Geht die Kirche diesen Weg nicht mutig weiter, wird sie zunehmend an Akzeptanz und Relevanz verlieren, wenn sie andernorts Mängel in der Gewaltenteilung, der demokratischen Grundordnung und der Partizipation der Menschen kritisieren will.
5. Eine Beteiligung der Laien in den Bistümern bei der Bischofswahl ist überfällig.
Für die Sendung der Kirche sind Einsatz und Partizipation der Laienchristen von grundlegender Bedeutung. Aus den diversen Skandalen der letzten Jahre haben wir gelernt, dass Macht und Führung in den Strukturen der Kirche dringend eingehegt, kontrolliert und geteilt werden müssen. Dabei können die Laien im Bistum eine besondere Aufgabe und Verantwortung übernehmen, sofern dafür die Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Dies beginnt bei der Frage, wem Macht und Führung übertragen werden. Verantwortung setzt Beteiligung und Entscheidungsmöglichkeiten voraus. Die Partizipation von Laien bei der Bischofswahl kann den Blick weiten und einer klerikalen Verengung der Sichtweisen entgegenwirken.
6. Es braucht eine bessere Qualifizierung und Vorbereitung für das Bischofsamt.
Das Ausmaß der mit dem Bischofsamt übertragenen Verantwortung ist geeignet, Menschen zu überfordern oder zu versuchen. Es ist durchaus verständlich, dass immer wieder geeignete Kandidaten für das Bischofsamt abwinken und sich der Übernahme dieser Aufgabe verweigern. Auf der anderen Seite gelangen immer wieder Menschen in diese hohen Kirchenämter, die nicht in der Lage sind, mit Macht und Führung verantwortlich umzugehen. Die Auswahl von Kandidaten für ein Bischofsamt muss daher dringend professionalisiert werden. Der inzwischen bekannt gewordene Fragebogen zur Beurteilung von Bischofs-Kandidaten zeigt, dass die Katholische Kirche von einer Professionalisierung auf diesem Gebiet noch weit entfernt ist.
Neben der Entwicklung und Evaluierung geeigneter Auswahlkriterien ist es unverzichtbar, den Menschen, die in ein Bischofsamt berufen werden sollen, das notwendige „Handwerkszeug guter Führung“ vor Amtsantritt mit auf den Weg zu geben. Ich rate sehr dazu, sich nicht darauf zu verlassen, dass mit der Bischofsweihe der Heilige Geist die Regie übernimmt und es schon richten wird. Die zahlreichen Fälle von krassem bischöflichen Fehlverhalten, gleich ob aus Nachlässigkeit oder mit Absicht begangen, zeigen, dass die Verantwortung beim Menschen verbleibt und die Kirche diesen Menschen dabei helfen muss, dieser Verantwortung gerecht zu werden.
7. Die konsequente Beseitigung der systemischen Ursachen von Machtmissbrauch jeglicher Art und die vollständige Aufklärung aller Missbrauchsfälle ist ein noch laufender, aber dringlicher Prozess.
Der zum Beispiel im Bistum Münster, aber auch andernorts eingeschlagene Weg führt in die richtige Richtung, ist aber noch lange nicht am Ende angekommen. Noch immer gibt es Erscheinungsformen eines schädlichen Klerikalismus, auf dessen Boden Machtmissbrauch auch weiterhin gedeihen kann. Täter dürfen auf keinerlei Toleranz hoffen. Im Zentrum aller seelsorgerischen Bemühungen müssen die Betroffenen von Missbrauch stehen.
Gerechtigkeit ist ein nicht verhandelbarer Kern der Frohen Botschaft. Dem muss die Kirche auch bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle gerecht werden. Die Betroffenenfürsorge steht über dem Täterschutz und steht auch über einem falsch verstandenen Schutz der Institution Kirche. Um das sicherzustellen, müssen staatliche Gerichte umgehend mit diesen Fällen befasst werden.
8. Die anstehende Beseitigung diskriminierender Tatbestände im kirchlichen Arbeitsrecht ist zu begrüßen.
Die notwendige Umsetzung in den einzelnen Bistümern muss nun unverzüglich erfolgen. Jedwede Verzögerungstaktik auf diesem Gebiet ist inakzeptabel. Die benötigten Texte liegen ausgearbeitet vor und können sofort in die jeweiligen Bistumsregelungen eingepflegt werden. Ob damit sämtliche Diskriminierungstatbestände beseitigt wurden, ist in der Zukunft zu beobachten und die Regelungen sind je nach Erkenntnisstand ggfs. weiter anzupassen.
Mit überfälligen Korrekturen im kirchlichen Individualarbeitsrecht ist es m.E. aber nicht getan. Eine Reform des kollektiven kirchlichen Arbeitsrechts mit der Zulassung von Tarifverträgen inkl. Streikrechts außerhalb des seelsorgerischen Kernbereichs steht noch aus. Für das Regelwerk der Mitarbeitervertretungen ist zu prüfen, wo gegenüber dem Betriebsverfassungsrecht Regelungslücken ohne Sachgrund bestehen und geschlossen werden müssen.
9. Die Abendmahlsgemeinschaft mit allen getauften Mitgliedern aller christlichen Kirchen und Glaubensgemeinschaften, insbesondere mit den Christen in der Evangelischen Kirche, darf nicht länger mit fadenscheinigen Argumenten blockiert werden. Zur Weiterentwicklung der Ökumene ist sie unumgänglich. Auch darf niemand wegen seines Beziehungsstatus von der Mahlgemeinschaft ausgeschlossen werden.
Christus selbst ist es, der zum Abendmahl einlädt, lehrt die Katholische Kirche. Wer dem Jesus-Wort „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ ernsthaft und aufrichtig folgen will, muss bei der Eucharistie auch willkommen sein. Dies ist eine Gewissensfrage, die jeder Gläubige vor seiner Teilnahme an der Eucharistie mit sich und vor Gott ausmachen muss.
Die Katholische Kirche erkennt an, dass die Gegenwart Christi im Sakrament der Eucharistie, im Abendmahl auf immer ein tiefes Geheimnis des Glaubens bleiben wird. Aber genau deshalb kann und darf sich die Katholische Kirche nicht anmaßen, die Reichweite der Einladung Christi nach ihren eigenen Maßstäben vermessen und eingrenzen zu können. Jegliche Einschränkung auf diesem Gebiet ist Ausdruck menschlicher und kirchlicher Hybris.
10. Eine uneingeschränkte Zulassung der Laienpredigt in allen Erscheinungsformen von Andachten und Gottesdiensten sollte selbstverständlich sein.
Der Synodale Weg hat dazu Zeichen gesetzt. Wir haben dazu die klare Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils erhalten, wonach alle Getauften und Gefirmten berufen und ermächtigt sind, das Wort Gottes zu verkünden. Weltkirchliche Beschränkungen, die noch aus vorkonziliarem Verständnis herrühren, dürfen insoweit nicht bindend sein.
Hier erwarte ich von den deutschen Bischöfen mehr Mut zur Veränderung. Über die individuelle Verleihung der Predigtbefugnis durch den Diözesanbischof würde auch ein geeignetes Instrument zur Qualitätssicherung zur Verfügung stehen. Wir sollten es ernst nehmen: Der Geist weht, wo er will!
11. Einheit in Vielfalt.
Reformbemühungen werden immer wieder mit dem Hinweis auf angeblich notwendige einheitliche Regelungen in der Weltkirche und mit andernfalls drohenden Kirchenspaltungen blockiert. Die Art und Weise vatikanisch-kurialer Reaktionen auf Reformvorschläge lässt vermuten, dass es weniger um die Sicherung von Glaubensinhalten geht, sondern eher um Machterhalt und Kontrolle. Dabei sollten doch gerade die Traditionalisten in der Katholischen Kirche wissen, dass es diese Vielfalt schon immer gegeben hat und bis heute z.B. in Form unterschiedlicher Messordnungen in einigen Regionen immer noch existiert.
Wenn die Katholische Kirche heute Schaden nimmt, dann gewiss nicht an vielfältigen Ausdrucksformen des Glaubens, sondern an der Unterdrückung derselben.
12. Sprecht die Sprache der Gläubigen.
Im Diskurs um mögliche Reformschritte in der Kirche gefallen sich gerade die Reformgegner häufig darin, sich einer verbrämten und nur vermeintlich theologischen Sprache zu bedienen. Dass sich darin dann eher ein Sammelsurium von Scheinargumenten, Zirkelschlüssen und schlichtweg schlechter Theologie verbirgt, fällt dem Laien oft gar nicht mehr auf, weil er den verschwurbelten Sprachduktus nicht mehr versteht. Ein durchaus beabsichtigter Effekt, wird damit doch zugleich die Botschaft ausgesandt, dass die Kirchenmitglieder bei diesen Fragen halt zu schweigen hätten, wenn sie von der Sache nichts verstehen. Ein leicht zu entlarvender Plan.
Wer sich hinter theologischen Fachbegriffen verschanzt, hat eher etwas zu verbergen, denn zu offenbaren. Wer aber an einem ehrlichen Dialog interessiert ist, sollte die Sprache sprechen, mit der er verstanden wird. Ein Kommunikationsgebot, das grundsätzlich immer von der Kirche beherzigt werden sollte. Sprache ist der erste Zugang zur Lebenswirklichkeit der Menschen. Wer daran kein Interesse zeigt, offenbart zugleich sein fehlendes Interesse an den Menschen selbst.
Ein Unternehmen, das kein Interesse an seinen Kunden hat oder auch nur von seinen Kunden verstanden zu werden, wird bald keine Kunden mehr haben. So sieht es auch bei den Kirchenmitgliedern aus. Auch Sprache kann Kirchenferne bewirken. Und schwache Kommunikation ist auch schwaches Führungsverhalten.
Reformdiskussion ohne Wagenburgmentalität
Im Synodalen Weg in Deutschland, aber auch in vielen Stellungnahmen von katholischen Christen aus anderen Ländern zu der von Papst Franziskus ausgerufenen Weltsynode sehen wir die Einsicht in die Reformnotwendigkeit und sehen sich die Reformwilligen in der Kirche zugleich gemeinsam getragen von Willen und Mut zur Veränderung. Mit Zuversicht, aber auch mit einer klaren Erwartungshaltung können wir diesen Weg der Veränderung gehen. Als freiwillig Engagierter in meinem Bistum (Münster) gehe ich diesen Weg in der Gewissheit, nicht allein zu sein, sondern in Deutschland sogar von der Mehrheit der Bischöfe begleitet zu werden.
Der letzte ad limina-Besuch der deutschen Bischöfe im Vatikan war dagegen ernüchternd. In ihrer ekklesiologischen Introvertiertheit verhaftet, scheint die vatikanische Kurie eine Wagenburgmentalität entwickelt zu haben, die eine automatische Abwehrhaltung gegenüber allem auslöst, was an Reformvorschlägen an sie herangetragen wird. Dabei übersieht die Kurie aber, dass das pilgernde Volk Gottes längst das Interesse daran verloren hat, irgendwelche Reformkämpfe mit der Kurie austragen zu wollen und statt dessen allein weiterzieht.
So wird die kuriale Wagenburg am Rande zurückbleiben und weiter an Relevanz einbüßen, wenn sie sich nicht endlich auf den Weg macht, dem Bild einer ecclesia semper reformanda, einer Kirche, die sich immer wieder erneuern muss, zu entsprechen.
Die Frage an die Amtskirche: „Seid Ihr noch zu retten?“, ist noch nicht beantwortet, in Anbetracht der Größe der Kirchenkrise aber dringlicher denn je.