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Selbstgemachtes: Passende Gaben in Corona-Zeiten

„Die schönsten Geschenke spiegeln nicht unsere Kaufkraft, sondern unsere Bindung an den anderen Menschen.“ Anja Rützel

Wer Persönliches schenkt, gibt nicht nur etwas von seinem Wesen hinzu, sondern auch Zeit und Gedanken.Gerade im Hineinversetzen in den anderen besteht ein Reiz des Schenkens. Diesem Ritual wird gerade zur Weihnachtszeit verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet. In diesem Jahr ist – auch und vor allem durch die Corona-Krise - der Trend zum Selbermachen in besonderer Weise ausgeprägt. Es wird gebacken, gebastelt, gebaut – alles, was mit dem Wechsel von Hand- und Kopfarbeit zu tun hat.

Basteln ist auf Dinge bezogen, die Körper und Geist gleichermaßen erfüllen und befriedigen, denn es findet ein Wechsel von Hand- und Kopfarbeit statt. Mit der Hand zu arbeiten bedeutet, sich von der einseitigen Konzentration zu regenerieren und zugleich etwas über das Hervorbringen der Dinge zu erfahren. Der Trend zu haptischen Themen ist vermutlich auch ein Reflex auf die Digitalisierung, die unseren Lebens- und Arbeitsalltag prägt. Ohne Tastsinn wären wir nicht lebensfähig. Auch ein gesundes Maß an Experimentierfreudigkeit und Neugier spielen eine wichtige Rolle. Für den Philosophen Friedrich Nietzsche stellte Neugier einen der mächtigsten Antriebe des modernen Menschen dar: Sie war für ihn nicht nur Teil der anthropologischen Grundausstattung, sondern auch notwendige Bedingung für das Glück.

„Wer Selbstgemachtes überreicht, zerschlägt das System der Schenkeökonomie.“ Anja Rützel

In unserer Konsumgesellschaft kann fast alles fertig gekauft werden. Viele Produkte lassen kaum mehr erkennen, wie sie hergestellt wurden und sichtbar funktionieren. Dabei kann gerade das Basteln die Kreativität fördern und dazu beitragen, dass vor allem Kinder verschiedene Materialien kennenlernen. Der Umgang mit Werkzeugen wie Schere, Kleber und Malstiften schult ihre motorischen Fähigkeiten.

In Berlin-Kreuzberg gibt es ein Bastelkaufhaus, Modulor, wo auf vier Etagen alles erhältlich ist zum Malen, Kleben und Bauen. Wer auch beim Basteln auf rein ökologische Produkte setzen möchte, wird in Deutschland beispielsweise in den Filialen von Knauber Freizeit fündig, die unter dem Motto „Selbermachen – Wohlfühlen - Aufblühen“ stehen, aber auch im Onlineshop des Bonner Familienunternehmens. Weitere Online-Plattformen zum Thema nachhaltiges Basteln sind u.a. Grüne Helden, Nachhaltig einkaufen, Utopia oder der Onlineshop memolife für Privatkunden. Hier gibt es beispielsweise ökoNORM Flüssigkleber, der rein pflanzlich und biologisch abbaubar ist, aber auch Knete, Kreide und Fingerfarben, die die Motorik und Vorstellungskraft von Kindern schulen.

Maltropfen aus nachwachsenden Rohstoffen lassen sich von den Kleinen sehr gut greifen, sind bruchstabil, abwaschbar und sparsam im Verbrauch. Alle Produkte dieser Marke werden zu 100 % aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt. Vom Öko-Pionier selbst gibt es u.a. einen Naturfarbkasten, der zwölf vegane Wasserfarben enthält. Aber auch Kunsthaarpinsel für Schule, Kindergarten oder Hobbybedarf sind hier zu finden, deren Stiele aus FSC-zertifiziertem Holz sind. Viele Klebebänder sind aus reißfestem Polypropylen hergestellt und haben einen Kern aus Recyclingmaterial. Auch Maler-Krepp, der zu 100 % frei von Bleichmitteln ist und mit lösemittelfreier Kautschukklebmasse gehört zum Angebotsspektrum. Zudem Scheren mit Recyclingkunststoff, Tonzeichenpapier-Block aus Recyclingpapier sowie JoyPac Bastelsets aus FSC-zertifiziertem Karton zum Zusammenstecken und Bemalen. In dieser Bastel- und Malserie wird stabile, weiß kaschierte Recyclingwellpappe schnell und ohne Kleber in Spielzeuge verwandelt. „Wir haben natürlich sehr viele nachhaltige Produkte auch für gewerbliche Kunden, z.B. Kindergärten. Für diesen Bereich gilt prinzipiell das gleiche wie für den Bereich Schulbedarf - möglichst umwelt- und gesundheitsverträglich“, sagt Claudia Silber, die Leiterin der Unternehmenskommunikation der memo AG.

Besonders beliebt ist auch echter Wollfilz, der seit Jahrtausenden aus reiner Schafwolle hergestellt wird. Das Material ist umweltfreundlich, klimatisierend, dämmend, dämpfend, isolierend, wasser- und schmutzabweisend, elastisch, widerstandsfähig und biologisch abbaubar. Durch seine natürliche Struktur ist er extrem haltbar – ganz ohne chemische Beimischungen oder Klebstoffe. Monika Reiter ist eine Hobbyfilzerin aus Österreich: Mit ein paar Büchern, einer Packung „Märchenwolle“ und Filznadeln aus dem Bastelladen begann sie ihr Filz-Hobby. Sie bastelte schon immer gern für unterschiedlichen Anlässe und versuchte, ihre gebastelten Geschenke zu individualisieren und auf die Beschenkten abzustimmen. Der erste Miniaturmensch der Hobbyfilzerin entstand zufällig: Ein Freund der Familie feierte seinen 60. Geburtstag, und weil ihr kein passendes Geschenk einfiel, versuchte sie spontan den Freund so, wie er auf der Einladung zu sehen war, zu filzen. Seitdem packte sie das Filzfieber. Ihre Puppen sind zeitaufwändig, weil Monika Reiter sie nicht „produzieren“, sondern „einzigartige Kunstwerke erschaffen will.“

Basteln ist eine greifbare Form der Nachhaltigkeit.

Wird unsere Konzentration geschwächt, weil wir ständig auf Außenreize reagieren, können wir uns auch immer weniger beherrschen: Wir lassen uns mehr beeinflussen und manipulieren und kaufen sogar mehr. Wenn wir den Kampf um Aufmerksamkeit verlieren, indem wir einen Großteil darauf verwenden, die auf uns einstürmenden Außenreize zu verarbeiten statt uns zu fokussieren, gehen uns auch lebenswichtige Fähigkeiten verloren, die wir für unsere Identität benötigen. Sie haben mit den Händen zu tun, mit denen wir die Welt begreifen, gestalten und ehrlich geben.

Weiterführende Informationen:

Anja Rützel: Mit Liebe gemacht! In: DIE ZEIT (29.11.2918), S. 62.

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Denken und Schenken: Warum Geben im Kopf beginnt. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2016.

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Verpackt oder unverpackt? Warum Stoffkreisläufe eine Frage der Nachhaltigkeit sind. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2018.

Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020,

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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