Selbstständigkeit: Kein Karrierefeuerwerk – aber ein echter Perspektivwechsel
Ein Erfahrungsbericht aus den ersten Monaten als Solo-Unternehmerin.
Wenn Menschen sich selbstständig machen, erzählen sie oft von Freiheit, von Selbstverwirklichung und davon, wie sehr sich „alles verändert“ hat. Ich hatte ähnliche Erwartungen – oder besser: diffuse Vorstellungen. Dass sich mein Alltag transformieren würde. Dass ich durch andere Entscheidungen automatisch ein anderes Leben führen würde. Vielleicht sogar ein bisschen mehr Glanz, mehr „Gründerin-Gefühl“, mehr „Wow“.
Heute, einige Monate später, kann ich sagen: Die Realität ist deutlich unspektakulärer.
Aber vielleicht ist genau das die Erkenntnis, die man nicht in Podcasts und auf Gründungs-Events hört – und die sich auch nicht in einem Instagram-Karussell mit fünf Learnings pressen lässt.
Denn die Wahrheit ist:
Mein Alltag fühlt sich erstaunlich gleich an.
Recruiting bleibt Recruiting.
Kunden bleiben Kunden.
Und Meetings – sie finden weiterhin statt. Sie sind weder effizienter noch inspirierender geworden, nur weil mein Titel jetzt ein anderer ist.
Natürlich gibt es Unterschiede. Aber sie sind subtiler, feiner, leiser.
Zum Beispiel:
– Ich entscheide selbst, wann mein Tag beginnt – und wann er aufhört.
– Ich wähle aus, mit wem ich arbeite – und mit wem eben nicht.
– Ich kann Projekte ablehnen, ohne dass jemand im Hintergrund die Pipeline diskutieren muss.
Diese Freiheit ist nicht laut. Sie fühlt sich eher an wie ein gut sitzender Pullover: nicht auffällig, aber sehr angenehm.
Was ich tatsächlich gelernt habe?
Zunächst: Bürokratie wird nicht leichter, nur weil man plötzlich selbst die Geschäftsführung ist.
„Steuer“ ist in vielen Fällen lediglich ein anderes Wort für „bitte noch eine Unterlage“.
Meine Krankenkasse? Hat offenbar beschlossen, unsere Beziehung ab sofort auf wöchentliche Missverständnisse zu gründen.
Und mein rosafarbener Touchscreen-Laptop, der optisch perfekt ins Pinterest-Büro gepasst hätte? Funktioniert wunderbar – solange man nicht zehn Stunden am Tag damit arbeitet.
Erkenntnis am Rande: Es gibt einen Grund, warum Menschen im Businessumfeld fast einheitlich auf dieselben, leistungsstarken Geräte zurückgreifen. Ästhetik ist nett – Ergonomie ist besser.
Was bleibt, ist ein unspektakuläres, aber sehr stabiles Fazit:
Wer vorher gut in seinem Job war, ist es auch danach.
Selbstständigkeit ist kein Karrieresprungbrett, sondern eher eine neue Perspektive auf alte Gewohnheiten.
Man trägt nun mehr Verantwortung. Man hat weniger Pufferzonen. Und man erlebt die eigenen Entscheidungen unmittelbarer. Es gibt niemanden, der noch einmal gegenprüft. Kein Team, das das auffängt, was man selbst übersehen hat. Das kann beängstigend sein – aber auch befreiend.
War es die richtige Entscheidung? Absolut.
Nicht, weil plötzlich alles besser ist. Sondern weil ich anders damit umgehe.
Weil ich entscheiden kann. Und auch verantworten muss.
Und das – obwohl es sich nicht immer spektakulär anfühlt – ist vielleicht der ehrlichste Gewinn überhaupt.