Übergriffigkeit am Arbeitsplatz ist verboten! - © Getty Images

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Was Du wissen musst und was Du tun kannst!

Wie kann ich mich gegen sexuelle Belästigung wehren, und was müssen Vorgesetzte tun? Wie kann ich betroffene Kolleg*innen unterstützen, und sind Pornos in der Werkstatt übergriffig? Dieser Beitrag gibt Antworten.

Sexuelle Übergriffe sind in der Arbeitswelt weit verbreitet. Fast jede dritte Frau in Deutschland hat eine solche Situation schon erlebt. Auch Männer und andere Geschlechter sind betroffen. Jede Form der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz ist verboten. Das gilt auch auf der Weihnachtsfeier oder anderen Betriebsfeiern. Die Arbeitgeber*innen müssen Betroffene schützen.

Was genau ist eine sexuelle Belästigung?

Sexuelle Belästigungen sind unerwünschte Bemerkungen, Berührungen oder Aufforderungen mit sexuellem Inhalt. Dazu gehören Kommentare über die Brüste einer Kollegin, das Erzählen von Witzen mit sexuellem Inhalt, Fragen nach dem Sexualleben, Berührungen am Po oder an der Brust oder die Aufforderung zum Geschlechtsverkehr. Auch das Anbringen von pornografischen Bildern im Büro ist eine sexuelle Belästigung.

Hier ein paar Beispiele aus meinen Fällen in der Kanzlei und aus Gerichtsurteilen:

  • Auf der Weihnachtsfeier umarmt der Chef eine Mitarbeiterin von hinten und fasst ihr an die Brust.

  • Der Geschäftsführer fragt seine Mitarbeiterin: "Mit wem schläfst du gerade?"

  • Der Kollege sagt zu einer neuen Kollegin: "Deinen Körper hätte ich gern mal im Bett."

  • In der Werkstatt hängen Pornos.

Auch wenn die Belästigungen einen sexuellen Charakter haben, geht es den Tätern meistens darum, ihre Macht zu zeigen. Der Vorgesetzte oder Kollege will Frauen einschüchtern, um sie besser kontrollieren und sich selbst aufspielen zu können.

Woher weiß ich, ob das, was ich erlebt habe, bereits eine sexuelle Belästigung ist?

Ist Dir auf der Arbeit etwas Unangenehmes passiert? Eine Bemerkung, eine Berührung, Blicke, die Dir nicht gefallen haben? Du bist nicht sicher, ob es rechtlich überhaupt schon eine sexuelle Belästigung war oder nicht? Darauf kommt es erst mal nicht an. Du hast Dich in der Situation nicht wohlgefühlt, also stimmt etwas nicht. Dein Bauchgefühl reicht vollkommen aus. Denn Du musst mit Respekt behandelt werden.

Wenn Dir ein Kommentar oder eine Berührung nicht gefällt, dann sage das dem Kollegen oder der Kollegin. Wenn Dir nicht gleich etwas einfällt, entziehe Dich der Situation. Geh aus dem Raum oder auf die Toilette, um erst mal nachdenken zu können. Auch wenn Du nicht sofort reagiert hast, kannst Du auch später noch etwas dazu sagen und Dir Hilfe holen. Warum? Weil Du so Grenzen setzt. Bis hierhin und nicht weiter. Ist eine Grenze erst einmal überschritten, ist das für den anderen eine Einladung, weiterzumachen. Lass Dir nicht Deine Wahrnehmung absprechen. Du setzt den Maßstab dafür, ob ein Verhalten Dir gegenüber in Ordnung ist oder nicht.

An wen kann ich mich wenden?

Sprich mit Freund*innen oder deiner Familie darüber, was passiert ist. Lass Dir Rückhalt geben und überlege zusammen mit den vertrauten Menschen, wie Du reagieren kannst. Das Wichtigste ist, dass Du etwas tust. Wenn es keine Gegenwehr gibt, gehen die Belästigungen in den meisten Fällen weiter. Dein Schweigen wird vom Täter als Einladung aufgefasst, weiterzumachen.

Du kannst Dich bei dem nächsthöheren Vorgesetzten beschweren. Falls diese Person nicht infrage kommt, weil Du ihr nicht ausreichend vertraust, kannst Du Dich auch an die Vorgesetzten darüber oder an die Personalabteilung wenden. Der Arbeitgeber trägt die Verantwortung dafür, dass die sexuelle Belästigung aufhört. In einigen Betrieben gibt es eine Beschwerdestelle, die für Diskriminierungen am Arbeitsplatz zuständig ist. Dazu gehören auch sexuelle Belästigungen.

Du kannst den Kollegen selbst zur Rede stellen. Vielleicht kannst du eine Kollegin oder Kollegen mitnehmen, die sich mit Dir solidarisiert. Bei mehrmaligen Vorfällen sollten aber die Vorgesetzten eingeschaltet werden. Auch der Betriebsrat ist ein Ansprechpartner für solche Beschwerden. Such Dir ein Betriebsratsmitglied Deines Vertrauens für ein Gespräch.

Kostenlose Beratung bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes

In manchen Fällen fällt es leichter, sich erst mal an Außenstehende zu wenden. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet eine kostenlose Beratung am Telefon oder per E-Mail an (Telefonnummer: 0800 546 546 5 und E-Mail: beratung@ads.bund.de).

Du kannst auch eine Anwältin oder einen Anwalt kontaktieren und so eine Einschätzung zu den arbeitsrechtlichen Möglichkeiten bekommen. Gewerkschaftsmitglieder können sich bei ihrer Gewerkschaft kostenlos beraten lassen.

Beweise sichern

Die Erinnerung an Einzelheiten verschwindet schneller, als man denkt, deshalb rate ich dazu, noch am gleichen Tag ein Gedächtnisprotokoll zu schreiben: Notiere das Datum und die Uhrzeit. Was genau wurde gesagt oder gemacht? Wo war das? Wer war noch dabei? Wenn es schriftliche Nachrichten gibt, wie zum Beispiel Messenger-Nachrichten, speichere diese ab, um Beweise zu sichern.

Was müssen die Vorgesetzten gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz tun?

Der Arbeitgeber muss sich schützend vor seine Beschäftigten stellen und dafür sorgen, dass die sexuelle Belästigung sofort aufhört. Je nach Schwere des Falls muss er den Belästiger ermahnen, abmahnen, versetzen oder sogar kündigen.

Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz muss der Arbeitgeber aber auch vorbeugend handeln. Es fängt damit an, dass er das Gesetz im Betrieb zur Information aushängen muss. Er soll alle Beschäftigten auf das Verbot von Diskriminierungen am Arbeitsplatz hinweisen. Der Arbeitgeber ist außerdem dazu verpflichtet, eine Beschwerdestelle einzurichten, die mögliche Beschwerden über sexuelle Belästigungen entgegennimmt. Diese muss bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bekannt gemacht werden. Sie sollen wissen, an wen sie oder er sich im Falle einer Diskriminierung wenden kann.

Was kann ich selbst in der konkreten Situation tun?

Jede Situation ist anders und es gibt immer mehrere Möglichkeiten, zu reagieren. Deshalb gibt es auch nicht die eine richtige Reaktion. Aber man sollte nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert. Lass Dein Gegenüber merken, dass Du nicht einverstanden bist. Misch Dich ein wenn Kolleg*innen belästigt werden.

Hier ein paar Vorschläge:

  • Sprich aus, was Du gerade denkst: "Das ist ja eklig/ätzend/widerlich!"

  • Werde laut: "Fassen Sie mich nicht an!" Oder: "Solche Sprüche will ich nicht hören!"

  • Schieb den Täter beiseite, nimm seine Hände von Deinem Körper.

  • Entziehe Dich sich der Situation, verlasse den Raum. Das ist zwar ein Rückzug. Aber vielleicht machen es andere nach. Wenn zum Beispiel bei einem sexistischen Witz immer alle rausgehen, ist das ein starkes Signal.

In so einer Situation fällt es oft schwer, schlagfertig zu sein. Meistens wird man überrumpelt und merkt nur noch, wie die Wut die Gedanken lähmt. Sei also nicht streng mit Dir selbst, wenn Du nichts gesagt oder getan hast. Du kannst Dich später jederzeit über den Vorfall beschweren oder die Person selbst zur Rede stellen.

Wie kann ich eine betroffene Kolleg*in oder Freund*in unterstützen?

Für die Betroffenen wird die Situation noch schlimmer, wenn sie sich damit alleingelassen fühlen. Sexuelle Belästigungen in Form von anzüglichen Bemerkungen oder Witzen gegenüber einer Mitarbeiterin finden auch im Beisein von Kolleg*innen statt. Wenn Du so etwas mitbekommst, misch Dich ein und sag, dass solche Kommentare unangebracht sind. Falls das Einmischen in der Situation nicht möglich war, biete der Kollegin später Deine Hilfe bei einer Beschwerde an.

Dieser Artikel erschien ursprünglich als Gastbeitrag auf ZEIT online: Sexuelle Belästigung: So wehren Sie sich gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz | ZEIT Arbeit

Mehr Informationen zum Thema findet ihr auf der Website der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Antidiskriminierungsstelle - Homepage - Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Als Song zum Thema empfehle ich „Can`t hold us down“ von Christina Aguilera

In meinem Buch „Arbeitsrecht für Arbeitnehmer*innen“ findet ihr mehr Informationen zum Thema Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz und zu vielen anderen Rechten im Job.

Julia Oesterling: Arbeitsrecht für Arbeitnehmer*innen - Paperback - Südwest Verlag (penguin.de)

Julia Oesterling schreibt über Job & Karriere, Personalwesen, Wirtschaft & Management, Bildungswesen

Ich bin Fachanwältin für Arbeitsrecht und Autorin des Ratgebers "Arbeitsrecht für Arbeitnehmer*innen". Zur Zeit arbeite ich als Rechtsreferentin für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Bremen.

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