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Shared Mobility und Nachhaltigkeit: Worauf es jetzt ankommt

Carsharing erlebte in den vergangenen Jahren, ausgelöst durch neue technische Möglichkeiten und das Engagement von Mobilitätsanbietern, vor allem in Großstädten eine große Verbreitung.

Gegenwart und Zukunft der geteilten Mobilität

Beim Carsharing ist zu unterscheiden zwischen stationsgebundenem Carsharing (Fahrzeuge können nur an bestimmten Orten geliehen und auch zurückgegeben werden) und Free-floating-Car-Sharing oder On-demand-Car-Sharing (Fahrzeuge können überall im öffentlichen Straßenraum abgestellt werden). Ride-Sharing-Unternehmen (Uber, Lyft und Didi Xunking) setzen darauf, dass ein immer größerer Prozentsatz der knapp 16 Billionen weltweit gefahrenen Kilometer pro Jahr in Zukunft von sogenannten Ride-Hailing-Firmen übernommen wird und nicht mehr von Privatfahrzeugen. Ride-Selling ist das kommerziell betriebene Anbieten von Fahrten (Einzelpersonenmitnahme/Ride-Hailing und Personensammelbeförderung/Ride-Pooling).

Die beiden größten Free-Floating-Angebote wurden bislang unter dem Namen DriveNow (Daimler) und CarToGo (BMW) betrieben, im Juli 2019 fusionierten die beiden deutschen Premiumhersteller ihre multimodalen Servicegeschäfte unter der neuen Marke „Free Now“. Carsharing-Angebote (Share Now), Services zum Laden von Batterien (Charge Now), Parken (Park Now) und Europas meistbenutzte Taxivermittlung (MyTaxi) wurden in das neue Joint Venture integriert. „Die beiden Autohersteller kooperieren, um sich die Kosten zu teilen und schneller zu wachsen – und nicht eines Tages von Fahrdienstplattformen wie Uber oder Didi Chuxing in China aus dem Markt gedrängt zu werden“, so Timo Daum, der sich in seinem aktuellen Buch „Das Auto im digitalen Kapitalismus“ mit der Frage beschäftigt, ob Sharing-Modelle und digital vermittelte Nutzungsformen Möglichkeiten für mehr Nachhaltigkeit und Teilhabe bieten, oder ob hier einfach nur der nächste plattformkapitalistisch deregulierte Dienstleistungsmarkt entsteht.

Die Studie „eascy – Die fünf Dimensionen der Transformation der Automobilindustrie“ (2017) von PwC bestätigt, dass sich die starke Wachstumsdynamik beim Carsharing fortsetzt. Basierend auf der bisher erfolgten Entwicklung hätte allein DriveNow an seinen deutschen Standorten in zehn Jahren einen Gesamtmarktanteil von ca. zehn Prozent der Personenkilometer. Das Carsharing ist allerdings keine Erfindung der genannten Anbieter, sondern wurde schon länger mit einer anderen Perspektive der Initiatoren praktiziert. Die Idee, Güter oder Dienstleistungen nicht dauerhaft zu besitzen, sondern nur dann zu nutzen, wenn der Bedarf besteht, ist nicht neu. Mit der fortschreitenden Digitalisierung bieten sich viele neue Potenziale an, die in alle Bereiche des Lebens ausstrahlen. Das Teilen von Mobilitätsangeboten und Dienstleistungen ist ein Teil dieser Sharing Economy, die zu einer globalen Bewegung wurde. Sie ist auch im Zusammenhang mit dem Modell der Kreislaufwirtschaft bedeutsam, weil das Teilen von Produkten die Einsparung von begrenzten Rohstoffen ermöglicht und somit zur Entkopplung zwischen Ressourcenverbrauch und Wohlstandsniveau beiträgt.

Daimler und BMW wollen in den nächsten Jahren eine Milliarde Euro investieren - die Allianz richtet sich – wie immer wieder betont wird - nicht gegen VW oder Toyota, Sixt oder Hertz, sondern gegen Uber, den größten weltweite Player auf dem Gebiet der neuen Mobilitätsangebote. Die Idee dafür hatten die Gründer Travis Kalanick und Garrett Camp angeblich im Jahr 2008, als sie nach einer Konferenz in Paris kein Taxi bekamen. Über eine Smartphone-App kann eine Fahrt bestellt werden, Route und Fahrtzeit werden hier angezeigt, und die Kosten werden bargeldlos über die im Nutzerprofil hinterlegten Zahlungsdaten abgewickelt. In Deutschland ist das Vermitteln von Privatfahrten nicht erlaubt, weil diese Rahmenbedingungen nicht mit dem Personenbeförderungsgesetz vereinbar sind. Dennoch ist das Unternehmen hier in ausgewählten Großstädten aktiv, vermittelt allerdings nur Fahrten mit lizenzierten Chauffeuren.

Verwendet wird ein automatisierter Algorithmus, um die Preise an Angebot und Nachfrage auf dem Markt anzupassen. Das Unternehmen besitzt außer einer Flotte an Festfahrzeugen für autonomes Fahren bislang keine eigenen Autos und hat sich zum Ziel gesetzt, zum „Amazon des Transportsektors“ zu werden. Dabei wird nicht der Betrieb übernommen, sondern die dahinterstehende Intelligenz (Kundenprofile, Fahrpläne, Reiseplanungen und Buchungen). Timo Daum kritisiert, dass Autohersteller zu Hardwarelieferanten werden, „die Fahrer zu ohnmächtigen Einzelnen, die auf einen Zuschlag durch den Matching-Algorithmus hoffen, die Kunden zu Datenlieferanten, die der Preis- und Zuschlagspolitik des Konzern ohnmächtig ausgeliefert sind.“ Der Blogger Sascha Lobo nennt es „Plattform-Kapitalismus“. Der Begriff Plattform kommt aus dem IT-Bereich und bezeichnet dort eine Grundtechnologie, auf der andere Dienste oder Anwendungen aufbauen. „Es handelt sich um Software- oder Hardware-Infrastrukturen, die Dritten zur Verfügung gestellt werden. Zentral für diese Geschäftsmodelle sind der Einsatz von Matching-Algorithmen, oft mit Methoden künstlicher Intelligenz unterstützt, sowie die Verwertung von Daten“, schreibt Timo Daum

Er verweist auch darauf, dass die neuen, „digitalen“ Mobilitätskonzepte wie Car-Sharing oder Ride-Sharing bisher nicht als Teil des öffentlichen Verkehrs betrachtet wurden. „Sie unterliegen deshalb auch keiner besonderen Regulierung oder Kontrolle bzw. sind schlicht und einfach illegal.“ Der US-Bundesstaat Kalifornien ist für ihn ein Vorreiter – und das nicht nur, wenn es um Umweltstandards geht: Bereits seit 2012 definiert und reguliert Kalifornien sogenannte transportation network companies (TNC), Mobilitätsdienste wie Uber. Auch Spanien versucht einen ähnlichen Weg der Legalisierung und Regulierung. Dort werden begrenzte Lizenzen für Privatfahrzeuge mit Fahrer (Vehículos de Turismo con Conductor, VCT) ähnlich wie für die Textilbranche vergeben. Das deutsche Verkehrsministerium plant ebenfalls diesen Bereich bis 2021 zu legalisieren.

Eines der wichtigsten Ergebnisse seines Buches ist, dass die Sharingangebote anscheinend zu mehr Verkehr statt zu weniger führen: „Beim Point-to-Point-Car-Sharing ist die Bilanz eindeutig negativ: Fahrten mit den neuen Flotten ersetzen hauptsächlich Fahrten mit dem ÖPNV, ein Effekt auf Anschaffung und Betrieb von Privatfahrzeugen ist nicht messbar. Zudem sitzt auch bei diesen Fahrten meist nur eine Person am Steuer, und die zeitbasierten Tarife verleiten zu riskantem Fahren.“ Die gewünschten Effekte aus Sicht der Nachhaltigkeit (Ressourcenschonung, sinnvolle Nutzung des öffentlichen Raums etc.) stellen sich durch die algorithmisch getriebenen privaten Mobilitätsanbieter nicht ein.

Timo Daum, der als Hochschullehrer in den Bereichen Online, Medien und Digitale Ökonomie arbeitet, plädiert dafür, dass das Verkehrsmittel-Sharing und multimodale Verkehrsangebote nicht privaten Betreibern überlassen werden, sondern aus einer Hand geplant und durchgeführt werden sollten. Stationsbasiertes Verkehrsmittel-Sharing sollte zur zentralen Aufgabe der Kommunen werden (angefangen bei Fahrrädern, E-Bikes bis hin zu E-Autos und Transportern): „Mobilität sollte eher wie ein Park organisiert sein und nicht wie eine Fabrik oder ein Casino, sprich: offen, inklusiv, gesund, nachhaltig, angenehm und öffentlich sein, statt ein Eldorado für Geschäftemacher, egal, welcher Couleur.“

Vor diesem Hintergrund sei auch auf die Studie „Empirische Untersuchungen zur Shared Mobility in Mainfranken“ verwiesen, die Ende 2017 das Zentrum für Regionalforschung (ZfR) der Universität Würzburg im Auftrag der IHK Würzburg-Schweinfurt vorgelegt hat. Untersucht wurde Angebot und Nachfrage sowie die tatsächliche Nutzung geteilter Mobilitätsangebote: private und institutionalisierte Car- und Bikesharingangebote, Mitfahrgelegenheiten und Bürgerbusse in der Region Nordbayerns. Sie enthält Analysen der Optimierungspotenziale des Netzes an Mobilstationen, Handlungsempfehlungen für Kommunen und Stadtplaner und aktuelle Entwicklungen. Die Daten wurden online und in einer Passanten-Befragung ermittelt. Laut Studie kannte den Begriff "Carsharing" jeder zehnte Befragte vor zwei Jahren in Mainfranken gar nicht.

Rund ein Fünftel der rund 1.000 Befragten haben bereits Angebote wie etwa Mitfahrgelegenheiten, Carsharing oder Bikesharing genutzt. Etwa die Hälfte der Verkehrsteilnehmer ist "dem Konzept des Teilens in der Alltagsmobilität aufgeschlossen." Allerdings ist "Shared Mobility" in Mainfranken noch stark auf den Raum Würzburg konzentriert. Generell gilt: Je ländlicher die Region ist, desto seltener werden Sharing-Angebote nachgefragt. Die Befragung wollte u.a. auch herauszufinden, warum bestimmte Personengruppen Sharing-Angebote bisher nicht wahrgenommen haben. Dass kein entsprechendes Angebot in der Nähe ist und dementsprechend zu viel Zeit zur nächsten Station gebraucht wird, sind die Hauptgründe. Die fehlende Verknüpfung zum ÖPNV stellt weniger einen Grund für eine Nichtnutzung dar. 36 Prozent der Befragten geben an, dass sie nicht genau wissen, wie sie ein solches Verleihsystem nutzen können. Lediglich 15 Prozent nannten als Grund, dass sie kein oder nur selten ein Smartphone nutzen, und nur ca. 17 Prozent der Befragten ist das Tarifsystem zu kompliziert. Auch wenn die Komplexität des Buchungsverfahrens für viele kein großes Problem darstellt, so gibt doch eine Vielzahl an Personen an, dass sie nicht wissen, wie genau man das Verleihsystem funktioniert.

In der Studie wurde mit der Erreichbarkeitsanalyse eine Methode zur erweiterten Stationsplanung vorgestellt. Als Grundlage der Erreichbarkeitsanalyse dienten sowohl Ergebnisse aus der Befragung als auch aus dem interkommunalen Mobilitätskonzept. Auch wurde nur beispielhaft der Ausbau des Stationsnetzes im Raum Würzburg um fünf beziehungsweise sieben zusätzlichen Stationen dargestellt.

Die Ergebnisse geben gute Anhaltspunkte für weitere Planungen:

  • Es sollten mehr Mobilstationen eingerichtet werden, wo Leihangebote für Fahrräder oder PKWs gebündelt sind – idealerweise mit direkter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.

  • Marketing und Aufklärung sollten verstärkt werden. Interessant wären Mobilstationen am Ende von Straßenbahnen, um weiter zu können mit Fahrrad oder Car-Sharing, denn zunehmend stellen auch Sharing-Angebote sowohl für Pkw als auch für Fahrräder einen stetig wachsenden Bereich bei modalen und intermodalen Mobilitätslösungen dar.

  • Wichtig wäre es, Umstiege an Stadtrand zu ermöglichen, vor allem für die Einpendler, um den städtischen öffentlichen Raum wieder für Fußgänger und Radfahrer erlebbar zu machen.

  • Insbesondere an den Park-and-Ride Plätzen sollten genügend Ladepunkte für Parken+Laden zur Verfügung stehen.

  • Auch Unternehmen sollten ihre Mobilität umfassend betrachten und dabei neben einer intelligenten Fuhrparkorganisation ergänzende Mobilitätsangebote zu berücksichtigen – etwa durch die Förderung von E-Bikes, Jobtickets oder Carsharing als Alternative zum Dienstwagen.

Weiterführende Literatur:

  • Timo Daum: Das Auto im digitalen Kapitalismus. Wenn Algorithmen und Daten den Verkehr bestimmen. Oekom Verlag, München 2019.

  • CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2017.

  • Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Mobilität und Logistik: Richtige Wege, die nicht aufs Abstellgleis führen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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