Sieben Tipps, wie Du mit Karrierestillstand umgehst
Was tun, wenn es auf der Karriereleiter vermeintlich nicht mehr weitergeht? Führungskräftecoach Leonhard Fromm gibt Tipps, wie der IT-Fachmann aus der Abwärtsspirale kommt.
Jahrzehntelang ging es bei Harald H. beruflich aufwärts: Mitte der 1990er-Jahre begann der Informatiker als Programmierer bei einem süddeutschen Automobilzulieferer. Mehrmals wechselte er den Arbeitgeber und teils die Branche und stieg vom Projekt- über den Team- zum Bereichsleiter auf. Doch seit Jahren tritt der mittlerweile 52-Jährige auf der Stelle. Bei Beförderungen wird Harald H. übergangen, seine Bewerbungen werden ignoriert oder enden in Absagen, und beim aktuellen Arbeitgeber fühlt er sich nicht gesehen. Immer häufiger finden Meetings ohne den Badener statt. Wie schafft es der IT-Experte aus der Abwärtsspirale wieder heraus?
Klären statt spekulieren
Harald sollte dringend das Gespräch mit seinem Vorgesetzten suchen, ihm seinen Eindruck des Übergangenwerdens schildern und nach beruflichen Perspektiven fragen. Denn der subjektive Eindruck muss nicht stimmen, oder der Chef hat Gründe, die er nun idealerweise darlegt. Das können Vorfälle in der Vergangenheit sein, die nie geklärt wurden. Das können Defizite im Fachlichen oder im Sozialen sein u.v.m. Fromm kennt Fälle, bei denen ein Stillstand auf fehlenden Spanischkenntnissen beruhte, nachdem eine Firma stark in Südamerika expandiert hatte.
Fakten von Gefühlen trennen
Dass Harald emotional verletzt und gekränkt ist, ist verständlich. Doch sollte er nicht aus der Verletzung heraus das klärende Gespräch suchen, sondern um mehr Informationen zu bekommen und sich zu zeigen. Deshalb ist es wichtig, sachlich zu bleiben und sich auf Fakten zu beschränken. Denn Urteile erlebt das Gegenüber schnell als Angriff. Nach den Fakten ist dann Raum, dass Harald seine Gefühle mitteilt, was es mit ihm macht, wenn andere befördert werden und nicht er. Günstig ist in diesem Kontext auch, wenn er sagt, was er braucht, zum Beispiel ein gelegentliches Lob.
Glück kommt von innen
Das Lob des Vorgesetzten mag hilfreich sein. Besser aber ist, der Mitarbeiter macht sich davon unabhängig. Das hat den Vorteil, dass er anderen keine Macht mehr über sich gibt, die diese auch manipulativ einsetzen könnten, um etwa dauerhaft Spitzenleistungen über Überstunden von Harald einzufordern oder ihn zu quälen und zu demütigen zum eigenen Stressabbau. Deshalb sollte sich Harald selbst wertschätzen, wenn er etwas gut gemacht hat und/oder dankbar sein, dass er einen wachen Verstand hat und loyal ist.
Persönliches Wachstum
Vermeintlicher Karrierestillstand im Außen kann eine gute Chance für inneres Wachstum sein. Denn mehr Macht, Ansehen und Einkommen lenken schnell von der eigenen inneren Mitte ab. Im Gegenteil: Viele lechzen danach, um es nicht mit sich selbst aushalten zu müssen. Der vermeintliche Karriereknick wirkt dann wie ein Geschenk: Wer bin ich, wenn ich nicht „erfolgreich“ bin? Wer mag mich trotzdem, z.B. meine Partnerin, Kinder, Freunde? Es ist nun mal so, dass wir in der Krise die Chance haben, weicher und durchlässiger zu werden. Das macht uns empathischer für unsere Umwelt.
Dienst nach Vorschrift
Bedauerlicherweise gibt es viele defizitäre Chefs. Und weil man die in den seltensten Fällen ändern kann, ist es klug, an solchen Herausforderungen zu reifen. Das heißt nicht, dass man den Vorgesetzten oder den Arbeitgeber sabotiert, aber dass man sich mit ihm arrangiert. Fromm: „Dann ist es günstig, die eigene Lebensenergie nicht mehr in die Arbeit zu stecken, sondern in Freundschaften, Hobbies oder in soziales Engagement.“ Im Beruf konzentriert sich der Kluge dann auf seine Pflichten und freut sich ansonsten, dass das Gehalt pünktlich kommt, das Wochenende und der nächste Urlaub.
Berufliche Alternativen
Helfen all die bereits erwähnten Maßnahmen und Haltungen über Monate nicht, kann es geboten sein, nach beruflichen Alternativen Ausschau zu halten. Das hat dann nichts mit Weglaufen und gekränktem Stolz zu tun, sondern mit kluger Selbstfürsorge, um psychisch gesund zu bleiben. Das darf auch oft mit massiven Gehaltseinbußen einhergehen, weil man bspw. in schlechter bezahlte Branchen wechselt. Fromm kennt Fälle, in denen IT-Leute oder Betriebswirte aus der Industrie im Sozialwesen 30 und mehr Prozent weniger verdienten, aber viel Wertschätzung und Dankbarkeit erhielten.
Ideologiefrei denken und handeln
Was viele Menschen wie Harald H. in toxischen Strukturen hält, sind Folgen ihrer Erziehung, die von Glaubenssätzen wie „da musst Du durch!“, „ein H. gibt nie auf!“, „strenge Dich mehr an!“ oder „was sollen denn die Leute denken?“ geprägt waren. Berufs- oder gar Lebenskrisen sind deshalb günstige Phasen, die eigene Biographie nochmals kritisch auszuleuchten und tief in sich hineinzuspüren, welches Erbe unserer (Groß-)Eltern wir weiter in unserem Leben mitnehmen (-schleppen) und unseren Kindern weitergeben wollen – und was definitiv nicht mehr.
DER AUTOR
Leonhard Fromm (60) ist Gestalttherapeut und Männer-Coach, der als Teamentwickler, Führungskräftecoach und Supervisor in Firmen arbeitet. Der Schorndorfer Theologe war im Erstberuf Wirtschaftsredakteur und begleitet Menschen online wie in Präsenz bei deren Veränderungsprozess. www.der-lebensberater.net