Siemens Smart Infrastructure: Das plant die rentabelste Sparte des Konzerns
Das Geschäft rund um Gebäudetechnik und Elektrifizierung rettet Siemens die Prognose. Der Spartenchef kündigt nun neue Wachstumsziele an.
Zug. Die Flachdächer sind bepflanzt und mit Photovoltaik versehen, Wasser aus dem See wird zur Kühlung genutzt, LED-Beleuchtung und Raumklimatisierung sind digital gesteuert: Im schweizerischen Zug hat Siemens einen seiner weltweit energieeffizientesten Gebäudekomplexe. Hier will der Bereich Smart Infrastructure (SI) den Kunden zeigen, was technisch möglich ist.
Kern der Sparte ist die Gebäudetechnik, vom Feuermelder bis zur vernetzten Leitzentrale. Hinzu kommen Themen wie etwa Energieverteilung und Elektromobilität. Als der Bereich vor sechs Jahren geformt wurde, galt er manchen im Konzern als eine Art „Resterampe“, verglichen mit den digitalen Industrien, der Bahn- und der Medizintechnik.
Doch seitdem hat Smart Infrastructure die Margen kontinuierlich verbessert. Im abgelaufenen Quartal stieg die operative Rendite zum 14. Mal in Folge. Mit einer Marge von nun 16,6 Prozent war SI erstmals das profitabelste Geschäft von Siemens.
Gleichzeitig ist die Vorzeigesparte Digital Industries in die Krise geraten. Konzernchef Roland Busch konnte dennoch die Jahresprognose halten – weil die Erwartungen für Smart Infrastructure erhöht wurden. Jetzt kündigt Spartenchef Matthias Rebellius im Gespräch mit dem Handelsblatt an, die Wachstumsziele anzuheben.
Der konzerninterne Spitzenplatz sei für ihn nicht entscheidend, sagt er. „Das ist nicht das, worauf ich mich konzentriere – mir geht es um Siemens als Ganzes.“ Man müsse nicht konzernintern vorn liegen, sondern im Vergleich zu den Wettbewerbern.
Smart Infrastructure befinde sich im Zentrum des Konzerns und sei zu einer tragenden Säule geworden, sagt Rebellius. Es sei dabei gut, wenn die Leistung den Konzern als Ganzes angesichts einer gedämpften Nachfrage bei der Automatisierungstechnik und Industriesoftware stützen könne.
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Siemens-Konkurrenten sind teils profitabler
Bei Siemens glänzte in den vergangenen Jahren vor allem die Sparte Digital Industries mit gutem Wachstum und hohen Margen. Doch im vergangenen Quartal brach das operative Ergebnis um 41 Prozent ein, der Auftragseingang sank um 14 Prozent. Das sorgte auch für Rückgänge im Gesamtkonzern.
Zwar sprechen die meisten bei Siemens von einem zyklischen Abschwung. Das Geschäft mit der Fabrikausrüstung reagiert sehr sensibel und schnell auf konjunkturelle Schwankungen. Gerade in China tun sich derzeit alle Anbieter schwer. Doch die Nervosität ist vielerorts zu spüren.
Da hilft die gute Entwicklung von Smart Infrastructure, das den Auftragseingang um zehn Prozent steigerte. Nach Einschätzung der Analysten der Bank of America übersehen Investoren den wahren Wert der Sparte teilweise immer noch.
Allerdings liege der Bereich trotz der kontinuierlichen Fortschritte bei der Profitabilität noch leicht hinter einigen Konkurrenten, die auf Margen von etwa 21 Prozent kämen. Je nach Sparte gehören zu den Wettbewerbern Schneider Electric, Honeywell oder Johnson Controls.
Siemens Smart Infrastructure: So stark soll der Umsatz mindestens steigen
In den kommenden Jahren solle die Profitabilität schrittweise weiter verbessert werden. „Wir werden unser Margenziel erhöhen – wie stark, das werden wir in den kommenden Monaten bestätigen“, sagt Rebellius. Aktuell soll der Bereich im Schnitt eine Rendite von 11 bis 16 Prozent erreichen.
Auch der Umsatz soll weiter steigen. Die Märkte, in denen sich SI bewege, dürften laut Experten in den kommenden Jahren im Schnitt um sechs Prozent zulegen. „Wir wollen schneller wachsen und so Marktanteile gewinnen“, erklärt Rebellius.
In den vergangenen Jahren hatte SI stärker auf Standardisierung und Modularisierung gesetzt, den Produktmix verbessert und den Digitalanteil erhöht. Nun will Rebellius den Softwarebereich in den kommenden Jahren weiter ausbauen. Die Sparte sei auf gutem Weg, die 2021 angekündigte Verdoppelung der Umsätze mit Software und digitalen Services bis 2025 zu erreichen, sagt der Manager.
Dabei seien auch Übernahmen möglich. „Natürlich schauen wir auch nach weiteren Zukäufen. Ich kann mir grundsätzlich auch Akquisitionen im Milliardenbereich vorstellen“, sagt Rebellius. Allerdings werde man mögliche Ziele genau prüfen.
Vor zwei Jahren hatte Siemens für 1,5 Milliarden Dollar das US-Unternehmen Brightly übernommen, das auf Software für Betrieb und Wartung zum Beispiel von Gebäuden und Energieanlagen spezialisiert ist. Die Integration von Brightly sei gut gelungen, sagt Rebellius.
Das auf „Software as a Service“ spezialisierte Unternehmen sei der Nukleus, an den weitere Spezialisten angebunden werden könnten. Siemens stellt gerade im gesamten Konzern auf diese Software-Mietmodelle um, die anders als der traditionelle Lizenzverkauf für stetige Einnahmen sorgen.
Die gute Entwicklung liegt nicht allein am Geschick des Managements. Die gesamte Branche befindet sich im Aufwind, denn die Nachfrage nach Elektrifizierung und Energieeffizienz steigt. Ein großer Treiber sind etwa die vielen Rechenzentren, die derzeit weltweit gebaut werden, um den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) zu ermöglichen.
Der Strombedarf der Rechenzentren könnte sich nach Schätzungen von Schneider Electric in den kommenden Jahren auf 19 Gigawatt mehr als vervierfachen. Das entspricht der Leistung von fast 14 Atomkraftwerken.
Das ist auch in Sachen Nachhaltigkeit ein Problem: Microsoft musste gerade erst einräumen, dass die Emissionen des Konzerns um fast 30 Prozent gestiegen sind.
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Die Ausrüstung von Datenzentren boomt
„Die Server, welche für die Rechenleistung in Sachen KI erforderlich sein werden, brauchen absolut passgenaue Kühlungskonzepte und ein entsprechendes Energiemanagement“, sagt Schneider-Electric-Chef Peter Herweck.
Der französische Konzern, der sich in den vergangenen Jahren besser an der Börse schlug als Siemens, sieht sich hier als Weltmarktführer. Auch Siemens expandiert auf diesem Segment. Smart Infrastructure baut für 150 Millionen Dollar ein neues Werk in den USA, das elektronische Komponenten für die Stromversorgung von Datenzentren bauen soll.
Smart Infrastructure sei in boomenden Märkten unterwegs, sagt Rebellius. Er nennt als weitere Beispiele die Integration von erneuerbaren Energien über die Elektromobilität und den Ausbau der Stromnetze bis hin zur Ausrüstung von Halbleiterfabriken. „Doch von Rückenwind kann man nur profitieren, wenn man die Segel richtig gesetzt hat“, erklärt der Manager. SI habe rechtzeitig vor dem Boom das Portfolio und die Strukturen optimiert.
Nur in der Gebäudetechnik sei die Branchenlage für alle Anbieter etwas schwieriger, unter anderem wegen des schwachen globalen Gebäudemarkts. In Deutschland zum Beispiel wird immer noch wenig neu gebaut. „Wir sind aber vorbereitet und freuen uns auf die Zeit, wenn es wieder aufwärtsgeht“, sagt Rebellius. Gebäude spielten bei der Erreichung der CO2-Ziele von Ländern und Unternehmen eine zentrale Rolle.
Auch die Investoren blicken inzwischen verstärkt auf den Bereich. „Großes Lob für Smart Infrastructure“, sagt Ingo Speich von Deka Investment. Die Zahlen seien stark, die regionale Ausrichtung vielversprechend. „Da können wir nur sagen: Weiter so!“
Als Lohn winkt Vorstand Matthias Rebellius nach Handelsblatt-Informationen im kommenden Geschäftsjahr eine Vertragsverlängerung. „Er hat das Geschäft mit ruhiger Hand, aber konsequent weiterentwickelt“, sagte ein Kontrolleur dem Handelsblatt.
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