So besiegt ihr das Killerphrasen-Syndrom
Neulich bei einem Workshop. Eine Idee wird präsentiert. Halleluja, denke ich, was für ein cooler Vorschlag. Da meldet sich ein Abteilungsleiter zu Wort. „Oh, oh,“ unkt er bange, „das wird nicht funktionieren, da kriegen wir wahrscheinlich Ärger mit dem Arbeitsrecht.“ Eine Killerphrase. Eisiges Schweigen. Und die Idee ist vom Tisch.
Klar gibt es eine Unzahl von Gründen, weshalb innovative Ideen es nicht in die Umsetzung schaffen. Manchmal sind sie einfach nicht gut genug. Bisweilen wurden sie schlecht präsentiert. Oder es wurde ein falscher Zeitpunkt gewählt. Oft scheitern sie an vorgespieltem Interesse, dem dann weitläufige Untätigkeit folgt. Man kann eine Sache ja immer auch lassen.
Die meisten Ideen scheitern, weil sie gefürchtet werden. Denn gut Etablierte sehen im Neuen primär das, was sie selbst hierdurch verlieren.
Dabei sind Ideen zunächst nur Denkangebote, um gemeinsam klüger und bestenfalls erfolgreicher zu werden. Doch selbst brillante Vorstöße geraten durch Bedenkenträger, Sicherheitsfanatiker und Bequemlinge unter Beschuss. Ich nenne sie Vorgesternbewahrer. Sie bremsen alles aus und sorgen dafür, dass die Unternehmen zu Innovationsnachzüglern werden. Gute Ideen sind nämlich vor allem am Anfang sehr zerbrechlich und werden leicht totgetrampelt. Killerphrasen eignen sich dafür perfekt. Sie versauen das Klima und paralysieren.
Totschlagargumente gibt es wie Sand am Meer
Abwehr macht manche sehr kreativ. Die größten Innovationsblocker sind die eigene Bequemlichkeit („Dafür haben wir jetzt keine Zeit!“), die Angst vor Neuem („Das haben wir noch nie so gemacht!“), Reviergehabe und das Nicht-hier-erfunden-Syndrom („Sie haben doch überhaupt keine Ahnung, wie das hier bei uns läuft!“). Oft wird es persönlich: „Seien Sie doch nicht so naiv!“ Oder höhnisch: „Sie wollen was ändern? Die Phase hat am Anfang hier jeder. Das geht vorbei.“
Oder recht bissig: „Was mischen Sie sich hier ein?!“ Oder ganz unverbindlich: „Lass mal, das schafft zu viel Unruhe jetzt, warten wir lieber noch ab.“ Gern wird auch ein bisschen gedroht: „Sei vorsichtig, du bist noch in der Probezeit.“ Auf manche Phrasen fällt man recht schnell mal herein. „Das machen wir doch schon!“, ist eine solche. Da muss nachgefragt werden: Wie denn genau? Wie früher? Wie immer? Wie alle? Wer das Neue am Neuen nicht einmal sieht, ist besonders gefährdet.
Oft wird das neue am Neuen auch überhört, weil unser Gehirn das Vertraute so liebt. Akzeptiert also kein kategorisches Nein, fragt zumindest testweise so: „Was geht denn schon mal?“ Oder noch besser: Werdet zum Doch-Sager, etwa so: „Das geht nicht? Doch, das geht. Wir müssen nur mit ersten kleinen Schritten beginnen. Wer hat denn eine Idee für einen schnellen Anfangserfolg?“ Ewig Gestrige versuchen es weiter: „Ja, aber das lässt der Chef/unser Regelwerk/die Compliance-Abteilung/der Betriebsrat sicher nicht zu.“ In dem Fall geht man zur Quelle und fragt nach. Viele solcher Annahmen bestätigen sich nämlich nicht.
Statt kontern: Gute Antworten auf Killerphrasen
Kommt Gegenwehr, müssen die Antworten wohlüberlegt sein. Ein Schlagabtausch bringt uns dabei nicht weiter. Hartes Attackieren provoziert nur eine Eskalation. Die Grundidee ist vielmehr die, mit klugen Fragen den Ball gekonnt zurückzuspielen, etwa so:
Gibt es weiterhin Widerstand, können wir alle Beteiligten zunächst bitten, gemeinsam zu überlegen: Was passiert, wenn nichts passiert? Werden Menschen nämlich zu einer Reflexion eingeladen und wertschätzend miteinbezogen, statt sie sogleich in die Widerstandsecke zu drängen, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Einigung deutlich. Eine Idee wird umso eher mitgetragen, je offener sich ein Ideengeber für den konstruktiven Diskurs zeigt.
Sehr wirksam: einen Killerphrasen-Friedhof installieren
Bei Killerphrasen ist zunächst zu sondieren, ob es sich um reine Abwehr oder um einen schlecht formulierten Hinweis handelt, dem man nachgehen sollte, weil er die eigene Idee besser macht. Wie sich das eine vom anderen unterscheidet? Der destruktive Ideenvernichter bringt nur den Killersatz. Der konstruktive Skeptiker hat neben seinen Zweifeln auch einen Vorschlag parat. So bringt er uns durch nochmaliges Überdenken oft zu einer besseren Lösung.
Wer Killerphrasen jedoch unhinterfragt zulässt, erschafft ein Immunsystem gegen Veränderung. Deshalb braucht es zunächst die Erkenntnis, dass Killerphrasen nichts und niemanden weiterbringen. Danach beginnt ihr, diese zu sammeln. Schließlich werden sie begraben: auf einem Friedhof für Ideenkillerphrasen.
Dazu könnt ihr ein Poster machen, etwa so, wie es das Titelbild zeigt. Das hängt ihr an der Wand im Besprechungsraum auf. Und jedes Mal, wenn eine entsprechende Aussage kommt, quietscht einer mit einem Quietscheentchen zum Zeichen, dass gerade etwas Unerwünschtes passiert. Lasst Platz für neue Phrasen, Bremsern fallen bestimmt noch weitere ein.
Der Ideenadvokat: ein Schutzengel für Weiterdenker
Ausbremser sind in vielen Unternehmen weit verbreitet. Oft sind sie die ersten, die das Wort ergreifen, wenn eine neue Idee vorgestellt wird. Vielerorts ist es geradezu Usus, sich als erste Reaktion auf eine Idee mit einem „ja, aber“ gegen das Neue zu stellen, es zu zerpflücken und zu demontieren. Sowohl in Meetings als auch in Workshops beobachte ich das andauernd. Und die Beteiligten sind sich dessen meist nicht einmal bewusst.
Sondiert also ruhig einmal per einfacher Strichliste: Wie oft ergreifen die Ja-aber-Sager bei uns als erste das Wort?
Jede neue Idee erfordert zunächst Einsicht, dann loslassenden Abschied von lieb gewonnenen Gewohnheiten und dann ein überzeugtes Ja für das Neue. Dies liegt noch lange nicht jedem. So ersticken nicht selten Besitzstandswahrung oder Mutlosigkeit jedes kreative Denken und Handeln im Keim. Dies müssen wir schleunigst ändern, um es zu den Honigtöpfen der Zukunft zu schaffen. Ergo: Damit gute Ideen zum Leben erweckt werden können, dürfen Bremser und Ideenkiller weder das erste noch das letzte Wort im Entscheidungsprozess haben.
Installiert deshalb in euren Meetings eine besondere Rolle: die des Ideenadvokaten. Er hat nach der Vorstellung einer Idee immer das erste Wort. Er findet zunächst das Gute darin und gibt ihr so eine Überlebenschance. Dazu muss er eine substanzielle Begründung liefern. Nun sind zumindest schon mal zwei Personen im Raum dafür, und Neudenker erhalten die so notwendige Rückendeckung. Die hiernach einsetzende Diskussion verläuft dann auch konstruktiver. Unter dem Schutz des Ideenadvokaten wird sich nun jeder viel eher trauen, seine Ideen einzubringen. Reihum agiert in jedem Meeting einer als Ideenadvokat.
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Dies ist ein Ausschnitt aus meinem Buch "Bahn frei für Übermorgengestalter". Kompakt und unterhaltsam zeigt es 25 Initiativen in drei Bereichen: Wie machen wir die Menschen stärker, das Zusammenarbeiten besser und die Innovationskraft im Unternehmen größer. Es ist ein Must-have für alle, die nach Anregungen suchen, um eine bessere Zukunft mitzugestalten.