So stützt Audi künstlich seinen Absatz in Deutschland
Exklusive Zahlen zeigen, dass die VW-Tochter fast die Hälfte ihrer Verkäufe mit rabattierten Leihwagen und Vorführfahrzeugen erzielt. Auch BMW hat weniger private Kunden. Die Margen sinken.
Wien, Düsseldorf. Audi stärkt die eigenen Absatzzahlen offenbar immer stärker mit margenschwachen Verkäufen. 2024 gingen über 47 Prozent der verkauften Fahrzeuge an Autovermieter, die öffentliche Verwaltung oder als sogenannte „künstliche Zulassung“ zu den Händlern. Das zeigen exklusive Zahlen der Marktforschungsfirma Dataforce, die dem Handelsblatt vorliegen.
2017 hatte der Anteil dieser margenschwachen Vertriebskanäle noch unter 40 Prozent gelegen.
Auch BMW kommt hier auf hohe Werte. Bei den Münchenern summierte sich der Absatzanteil bei Autohäusern, Vermietern, Carsharingfirmen, Behörden sowie den eigenen Mitarbeitern in der Bundesrepublik zuletzt auf rund ein Drittel. Bei Mercedes war es lediglich ein Viertel.
Ein Vorstandsmitglied eines Konkurrenten von Audi bezeichnet diese Verkaufsstrategie gegenüber dem Handelsblatt als „Geldwechselgeschäfte“. Denn Autovermieter sind meist nur dann bereit, Tausende Fahrzeuge in ihre Flotten aufzunehmen, wenn sie dafür attraktive Konditionen erhalten. Für Autobauer ist das kaum ein lukratives Geschäft. Das Ziel des Vertriebs über den „orangen Kanal“, wie etwa Sixt in der Branche genannt wird, sind keine hohen Gewinne.
„Diese Kanäle sind nachlassgetrieben, aber stückzahlträchtig. Wer Volumen benötigt, öffnet diese Ventile“, sagt Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA). „Audi ist hier sehr auffällig unterwegs. Der Konzern leidet unter einer veralteten Produktpalette und tut sich seit dem Dieselskandal schwer.“
Auch aus Audi-Unternehmenskreisen heißt es, das Unternehmen erziele mit Firmenkunden zwar ähnliche Deckungsbeiträge wie mit Privatkunden. Doch bei den Vermietern sieht es anders aus.
Audi unprofitabler als BMW und Mercedes
Audi hat seit 2017 die Auslieferungen an Autovermieter wie Sixt oder Miles von 27.000 auf 41.000 Fahrzeuge um 54 Prozent gesteigert. Der Konzern agiert damit gegen den Markttrend. Denn in den vergangenen sieben Jahren sind die Zulassungen bei Autovermietern in Deutschland um fast 17 Prozent gesunken. Entsprechend ist der Vermieteranteil an den Audi-Gesamtverkäufen seit 2017 von neun auf 20 Prozent auf mehr als das Doppelte gestiegen. Nur Jeep hatte im Vorjahr einen noch höheren Vermieteranteil.
Diese Verkaufskosmetik über margenschwache Kanäle trägt dazu bei, dass Audi im vergangenen Jahr nur eine operative Umsatzrendite von 4,6 Prozent erwirtschaften konnte. Im ersten Quartal 2025 sank die Gewinnmarge sogar auf 1,5 Prozent. Damit ist Audi der Premiumhersteller mit der geringsten Profitabilität.
Mercedes und BMW kämpfen zwar ebenfalls mit sinkenden Erlösen. Beide Konzerne weisen in ihren Autosparten aber aktuell immer noch eine Gewinnspanne von rund sieben Prozent aus.
Aus Sicht von Arthur Kipferler, Autoexperte bei der Unternehmensberatung Berylls by Alix Partners, ist ein Mix aus privaten Kunden und „gesunden Deals mit Firmenkunden“ unproblematisch. „Wenn es aber zu größeren Nachfragelücken kommt, dann müssen Fahrzeugkontingente auch zu höheren Rabatten, also zum Beispiel an Autovermieter, verkauft werden.“ Das sei finanziell jedoch „immer noch besser, als die Fabrik leer laufen zu lassen und womöglich Vertragsstrafen an Lieferanten zahlen zu müssen“, sagt er.
Eigentlich wollte Audi ab 2020 mehr als zwei Millionen Fahrzeuge pro Jahr verkaufen und die Nummer eins unter den Premiumherstellern werden. Ex-Chef Markus Duesmann, der Vorgänger des amtierenden Audi-Chefs Gernot Döllner, wollte mit Audi sogar bis zu drei Millionen Autos im Jahr verkaufen. Die Werkskapazitäten wurden entsprechend ausgebaut. Jetzt werden sie wieder zurückgefahren. In Brüssel schließt Audi erstmals seit Jahrzehnten eine Fabrik.
In Deutschland ist das Hauptwerk in Ingolstadt unterausgelastet. Im vergangenen Jahr wurden dort nur 337.000 Fahrzeuge gebaut. Ausgelegt ist die Fabrik laut dem Datendienstleister Inovev aber auf 450.000 Einheiten. In Neckarsulm wiederum wurden 2024 nur 135.300 Fahrzeuge produziert. Die jährliche Maximalkapazität liegt Inovev zufolge bei 225.000 Einheiten.
Wichtige neue Modelle kommen verspätet auf den Markt
„Die Ursache dünner Margen beim Verkauf ist ein Überhang in der Produktion“, sagt Kipferler. Sobald Autos ohne Händler- oder Kundenbestellungen produziert und auf Halde geparkt werden, müssten sie schnellstens weg. Kein Hersteller könne es sich leisten, „Waren mit einem Neupreis von im Schnitt 40.000 bis 60.000 Euro lange ungenützt herumstehen zu lassen“.
Besonders Probleme in der Software-Entwicklung haben dazu geführt, dass Audi wichtige Modelle wie etwa das Strom-SUV Q6 E-Tron oder die Business-Limousine A6 erst mit mehrjähriger Verspätung auf den Markt brachte. Gerade bei Privatkunden, mit denen sich verhältnismäßig hohe Gewinnmargen erzielen lassen, fällt die Marke mit den vier Ringen immer weiter zurück.
Der Privatkunden-Anteil am Gesamtabsatz liegt bei Audi bei nur noch 18 Prozent. 2024 lieferte Audi in Deutschland nur noch 37.000 Neuwagen an private Halterinnen und Halter aus. 2017 waren es noch fast doppelt so viele.
Um wieder mehr Privatkunden zu gewinnen, setzen die Bayern nach den mehrjährigen Verzögerungen bei der Entwicklung auf die neuen Elektro- und Verbrennermodelle. Dazu zählen neben dem Q6 E-Tron und dem A6 auch der neue Q5. Mit Blick auf die Stückzahlen ist zudem der Q3 eines der wichtigsten Modelle. Die Ingolstädter präsentierten am späten Montagabend in Ingolstadt die dritte Generation des kompakten SUV, das vor allem bei Privatkunden beliebt ist.
Bei BMW ist der Privatkundenanteil zwar im Vergleich zu 2017 ebenfalls deutlich gesunken, von rund 31 auf weniger als 25 Prozent. Doch die Münchener können dies im Gegensatz zu Audi mit Firmenwagen und anderen soliden Absatzkanälen gut kompensieren.
Bei Mercedes ist der Anteil der Privatkunden gegen den Markttrend in den vergangenen Jahren sogar um eineinhalb Prozentpunkte gestiegen. Gut 36 Prozent ihrer Neuwagen in Deutschland liefern die Schwaben mittlerweile an private Halter aus – doppelt so viele wie Audi. Überhaupt scheint die viel kritisierte Luxusstrategie von Mercedes zumindest in der Bundesrepublik aufzugehen.
Audi konnte Eigenzulassungen reduzieren
Die Stuttgarter haben es geschafft, ihren Marktanteil in Deutschland oberhalb von neun Prozent zu halten und liefern gleichzeitig viel weniger Fahrzeuge in mäßig rentablen Verkaufskanälen aus als früher.
So hat Mercedes etwa die Verkäufe an Kunden aus der öffentlichen Verwaltung und Sozialversicherung laut Registrierungszahlen von Dataforce seit 2017 von 5100 auf 2800 Einheiten um 45 Prozent reduziert. Die Neuwagen-Auslieferungen ans Taxi-Gewerbe gingen sogar um 78 Prozent von 2500 auf nur noch 540 Stück pro Jahr zurück.
Das Geschäft mit Autovermietern hat Mercedes nahezu halbiert auf nur noch 17.800 Fahrzeuge. Darüber hinaus ist der Anteil der Eigenzulassungen bei der Marke mit dem Stern von 25 auf 17 Prozent gesunken. Unter diese Kategorie fallen etwa Fahrzeuge, die die Autohersteller ihren Mitarbeitern zu besonders günstigen Konditionen zur Verfügung stellen oder die als rabattierte Tageszulassungen bei den Händlern angeboten werden.
Auch Audi konnte seine Eigenzulassungen zuletzt merklich reduzieren, auf rund 51.000 Einheiten. Damit entfällt aber nach wie vor ein Viertel des gesamten Absatzes der Ingolstädter auf künstliche Zulassungen, die letztlich dazu dienen, den Einbruch im Privatmarkt und bei den Flotten abzufedern.
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