Chipfabrik von Samsung in Pyeongtaek. - Foto: Bloomberg
Premium

So will Südkorea zur Großmacht bei Chips werden

Präsident Yoon will in den kommenden 20 Jahren drei Millionen Jobs in der Halbleiterbranche schaffen. Das soll anders als in Deutschland ganz ohne Milliardensubventionen gelingen.

München, Tokio. Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol denkt gerne groß – vor allem, wenn es um die Halbleiterindustrie geht. Schon heute ist das Land der führende Hersteller von Speicherchips. Mit einem weltweit einzigartigen Langfristplan soll die Nation nun auch in anderen Chipkategorien eine Spitzenposition erobern.

„Wir gehen davon aus, dass damit in den nächsten 20 Jahren mindestens drei Millionen hochwertige Arbeitsplätze geschaffen werden“, sagte Yoon in der vergangenen Woche bei der Präsentation des Plans.

Um das zu erreichen, will der Politiker steuerliche Begünstigungen für Investitionen in der Chipindustrie verlängern und Kredite an die Industrie in den kommenden drei Jahren um etwa 20 Prozent auf rund sechs Milliarden Dollar pro Jahr erhöhen. Zudem kündigte der Politiker kürzlich an, die Energie- und Wasserversorgung massiv auszubauen.

Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol hat einen Langfristplan zur Förderung der Chipbranche präsentiert. - Foto: IMAGO/Newscom / Yonhap News
Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol hat einen Langfristplan zur Förderung der Chipbranche präsentiert. - Foto: IMAGO/Newscom / Yonhap News

So will der 63-Jährige dafür sorgen, dass Südkoreas Chiphersteller bis 2047 umgerechnet rund 430 Milliarden Euro in neue Chipfabriken in seinem Land stecken.

Bemerkenswert ist allerdings, was Yoon nicht verspricht: Milliardensubventionen für die Halbleiterhersteller. In Deutschland will die Bundesregierung allein zehn Milliarden Euro lockermachen, um den US-Konzern Intel nach Sachsen-Anhalt zu locken. Weitere fünf Milliarden soll der Taiwaner Auftragsfertiger TSMC kassieren, damit er sich in Dresden niederlässt. Die USA und Japan verteilen ebenfalls Milliarden an Chipkonzerne, damit sie im Land investieren.

Jetzt Handelsblatt Premium zum Vorteilspreis sichern - Zum Angebot

Samsung attackiert den Chipriesen TSMC

Südkorea hat das nicht nötig. Das liegt an den zwei größten Halbleiterherstellern des Landes, Samsung und SK Hynix. Samsung ist der zweitgrößte Chipproduzent der Welt und führend bei Speicherchips. Südkoreas umsatzstärkster Konzern drängt schon seit einiger Zeit vehement ins Geschäft mit der Auftragsfertigung für andere Chipfirmen. Dieser Markt wird bisher vom Chipriesen TSMC aus Taiwan dominiert.

SK Hynix ist der sechstgrößte Halbleiterhersteller der Erde, die Nummer zwei bei den Speicherchips und gleichzeitig Konkurrent von Samsung.

In den nächsten 20 Jahren sollen in der Halbleiterindustrie von Südkorea drei Millionen Jobs entstehen. - Foto: via REUTERS
In den nächsten 20 Jahren sollen in der Halbleiterindustrie von Südkorea drei Millionen Jobs entstehen. - Foto: via REUTERS

Südkoreas wichtigster Vorteil gegenüber Europa, den USA und Japan: Beide Unternehmen betreiben schon 21 Chipfabriken im Land. Je größer ein Standort in der Halbleiterindustrie, desto effizienter die Produktion – und desto günstiger wird der Betrieb zusätzlicher Fabriken. Es braucht also weniger Staatshilfe, um Geld zu verdienen.

Ganz anders die Lage in Deutschland. In Magdeburg will Intel einen komplett neuen Standort errichten, fernab aller anderen Zentren der Chipindustrie. Damit sich das rechnet, übernimmt der Staat rund ein Drittel der geplanten Investitionssumme von 30 Milliarden Euro.

TSMC wiederum siedelt sich in Dresden zwar in unmittelbarer Nähe anderer Halbleiterwerke an. Experten weisen allerdings darauf hin, dass der Standort in der ersten Ausbaustufe wesentlich kleiner sei als die Anlagen, die TSMC in seiner Heimat betreibt.

Südkorea will 16 weitere Werke schaffen

So kommt es, dass die öffentliche Hand die Hälfte der Investitionen von fünf Milliarden Euro übernimmt. Insidern zufolge wäre die Fabrik sonst nicht wirtschaftlich zu betreiben.

Wie wichtig ein großer Standort ist, zeigt Infineon in Dresden. Der Dax-Konzern aus München erweitert seine bestehende Fertigung im „Silicon Saxony“ bei Dresden um ein neues Modul. Die Kosten: fünf Milliarden Euro. Doch Deutschlands größter Halbleiterhersteller kann auf die bestehende Infrastruktur auf dem Gelände zurückgreifen und kommt daher mit einem Förderanteil von nur 20 Prozent aus.

In Südkorea soll derweil ein Vielfaches der in Deutschland geplanten Chipwerke entstehen. 16 weitere Fabriken sollen nach dem Plan der Regierung noch hinzukommen, darunter drei zu Forschungszwecken. „Ein Schwerpunkt liegt auf schnellen Speicherchips“, erklärt Frank Robaschik von der deutschen Außenhandelsagentur GTAI in Tokio.

Diese Halbleiter werden für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) immer wichtiger. KI-Beschleuniger, wie sie etwa Nvidia verkauft, benötigen zunehmend leistungsfähigere Speicherchips. Der Börsenwert von SK Hynix werde sich in den nächsten drei Jahren deshalb verdoppeln, versprach Vorstandschef Kwak Noh-Jung unlängst.

Darüber hinaus will die südkoreanische Regierung sogenannte Fabless-Unternehmen fördern, die Chips designen, aber nicht selbst herstellen. Sie sollen dann bei Samsung fertigen lassen. So soll einer der weltweit größten Chipcluster entstehen, und zwar in der Provinz Gyeonggi südlich der Hauptstadt Seoul.

Die Regierung geht davon aus, dass bereits die Investitionen der kommenden Jahre den Anteil Südkoreas an der Produktion von Nicht-Speicherchips von derzeit etwa drei auf zehn Prozent im Jahr 2030 erhöhen wird.

Wenn energieintensive Betriebe investieren, dann helfen ihnen keine Subventionszusagen über fünf Jahre. Sie brauchen Sicherheit für 15 oder 20 Jahre.
Gunther Kegel, Präsident ZVEI

Selbst Geld in die Hand nimmt der Staat in Südkorea vor allem für die Infrastruktur. Das ist wichtig, denn die Chipproduktion ist energieintensiv. So stellte Yoon eine Steigerung der Stromversorgung um zehn Gigawatt in Aussicht. Er brachte auch eine mögliche Kehrtwende beim Atomausstieg, den sein Vorgänger angestoßen hatte, ins Spiel.

Günstiger Strom und eine verlässliche Stromversorgung sind Grundvoraussetzungen für Chipwerke, die über Jahrzehnte hinweg Tag und Nacht laufen. Die hohen und stark schwankenden Strompreise in Deutschland seien ein klarer Wettbewerbsnachteil, kritisiert Gunther Kegel, Präsident des deutschen Branchenverbands ZVEI: „Wenn energieintensive Betriebe investieren, dann helfen ihnen keine Subventionszusagen über fünf Jahre. Sie brauchen Sicherheit für 15 oder 20 Jahre.“ Korea hat dies offenbar erkannt.

Kaum weniger wichtig für die Halbleiterkonzerne in Korea ist es, den zusätzlichen Wasserbedarf in Höhe von 1,1 Millionen Tonnen pro Tag zu decken. Dazu will die Regierung die Wiederaufbereitung von Wasser fördern und das Pipelinenetz zu Staudämmen in der Region ausbauen.

Analysten halten Plan noch für zu konservativ

So groß die Summe von 430 Milliarden Dollar erscheint, einige Analysten sehen den Plan noch als viel zu konservativ an. Denn damit würden die Investitionen nicht über das übliche Maß hinaus erhöht, kritisiert Dylan Patel von der Analyseboutique Semi Analysis. Der Plan sehe nur knapp 19 Milliarden Euro pro Jahr vor – in den vergangenen drei Jahren hätten die Hersteller in ihrem Heimatland jeweils mehr ausgegeben.

Zum Vergleich: Das letzte neue Chipwerk in Deutschland hat Bosch vor drei Jahren in Dresden eröffnet. Der Preis: eine Milliarde Euro.

Jetzt Handelsblatt Premium zum Vorteilspreis sichern - Zum Angebot

Jetzt Handelsblatt Premium zum Vorteilspreis sichern - Zum Angebot

So will Südkorea zur Großmacht bei Chips werden

Premium

Diese Inhalte sind für Premium-Mitglieder inklusive

Der Zugang zu diesem Artikel und zu vielen weiteren exklusiven Reportagen, ausführlichen Hintergrundberichten und E-Learning-Angeboten von ausgewählten Herausgebern ist Teil der Premium-Mitgliedschaft.

Premium freischalten

Handelsblatt schreibt über Substanz entscheidet

Das Handelsblatt ist das führende Wirtschaftsmedium in Deutschland. Rund 200 Redakteure und Korrespondenten sorgen rund um den Globus für eine aktuelle, umfassende und fundierte Berichterstattung. Über Print, Online und Digital kommunizieren wir täglich mit rund einer Million Leserinnen und Lesern. NEU: Diese Seite bietet Premium-Mitgliedern eine Auswahl der besten Artikel vom Handelsblatt direkt hier.

Artikelsammlung ansehen