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Ein Herz für mehr Vielfalt | © Reinhard Krull/Getty Images

Sprache, Sichtbarkeit, Widerstand: Warum Gendern im Arbeitskontext mehr ist als eine Stilfrage

Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit – und strukturelle Fairness.

Immer wenn ich über faire Auswahlprozesse schreibe – etwa über blinde Lebensläufe, anonymisiertes Active Sourcing oder unbewusste Vorurteile im Recruiting – passiert zuverlässig eines: Es dauert nicht lange, und die Diskussion verschiebt sich. Weg vom Thema. Hin zur Sprache.

Genauer gesagt: zum Gendern.
Kaum fällt ein Sternchen, ein Doppelpunkt oder eine weibliche Berufsbezeichnung, ist die Kommentarspalte gefüllt.
„Das ist kein gutes Deutsch.“
„Das zerstört die Sprache.“
„Früher war alles besser.“

Es scheint ein Trigger zu sein. Ein sprachliches Reizthema, das erstaunlich viel emotionale Energie freisetzt. Und die Reaktion lässt sich oft auf eine rhetorische Frage reduzieren:
Warum genderst du?
Oder subtiler:
Warum muss das sein?

Die ehrlichere Frage wäre: Warum stört es dich?

Denn beim Gendern geht es – entgegen mancher Debatte – selten um ideologische Aufladung oder sprachliche Besserwisserei.
Es geht um Sichtbarkeit.
Darum, wer mitgemeint ist – und wer eben zu oft übersehen wird.

Das generische Maskulinum hat jahrzehntelang funktioniert, weil es nie hinterfragt wurde. Das generische Femininum hingegen – etwa, wenn ich „Softwareentwicklerin“ schreibe und damit alle meine – sorgt sofort für Irritation. Und manchmal sogar für juristische Entrüstung („Diskriminierung! AGG! Skandal!“).

Dabei ist die Idee einfach:
Sprache soll abbilden, was Realität ist. Und Realität ist: Die Arbeitswelt ist vielfältig. Und wird zunehmend vielfältiger.

Kund:innen kommen übrigens erstaunlich gut damit klar.
Die Kritik kommt fast nie von ihnen – sondern aus der Metaebene.
Aus einer emotionalen Reaktion auf Veränderung.

Denn Gendern ist nicht nur ein sprachlicher Eingriff.
Es ist ein Symbol. Für Wandel. Für Sichtbarmachung. Für Infragestellung.
Und genau das scheint viele zu stören – oft mehr als das eigentliche Thema.

Wer gendergerechte Sprache ablehnt, hat das Recht dazu.
Aber wer sie reflexhaft abwertet, sollte sich fragen: Warum eigentlich?

Vielleicht wäre ein gelassener Umgang hilfreich.
Niemand wird gezwungen zu gendern.
Und niemand sollte dafür diskreditiert werden, es zu tun.

Was wir brauchen, ist mehr Differenzierung – und weniger Empörung.
Mehr Aushalten – und weniger Korrigieren.
Denn es geht nicht um Sternchen oder Sprachästhetik.
Es geht um Haltung. Um Respekt. Um Repräsentation.

Und ganz am Rande: Wer in einem Wort wie „Projektmanagerin“ den Untergang der deutschen Sprache erkennt, hat womöglich ganz andere Sorgen.

Ika Amonath schreibt über Employer Branding, Recruiting Insider, Personalvermittlung, Job & Karriere

Recruiting und Ika = 🤝 Ika hat nicht nur einen Podcast und schreibt spannende Artikel: Vielmehr vermittelt sie Fach- und Führungskräfte per Direktansprache für verschiedene Branchen, hilft in Fragen zu Personal Branding wie Employer Branding und genießt an ihrem Job, das kein Tag gleich ist.

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