UBS-Filiale in Zürich: Die Schweizer Unaufgeregtheit zahlt sich gerade aus | © Getty Images
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Stabilität mit Schweizer Präzision – was Anleger jetzt über Nestlé, Roche, UBS & Co. wissen sollten

Nach Jahren der Handelspause sind Unternehmen wie UBS, Roche, Novartis und Nestlé zurück an deutschen Börsen. Ein neues Handelsabkommen macht den Weg frei – und erleichtert Anlegerinnen und Anlegern aus Deutschland wieder den Zugang.

Die Schweizer Aktien sind unter anderem über Xetra, Tradegate oder die Börsen Stuttgart und Frankfurt handelbar. Seit 2019, nach einem politisches Zerwürfnis zwischen der EU und der Schweiz, das zu einem Handelsverbot für Schweizer Aktien außerhalb der Schweiz geführt hatte, war der Zugang stark eingeschränkt und der Kauf nur noch über die Börse Zürich oder einzelne OTC-Händler möglich.

Doch wer sich nur auf diese regulatorische Rückkehr konzentriert, verpasst das eigentlich Spannende: Die Schweiz ist längst mehr als ein Geheimtipp. In einem Jahr voller globaler Unruhe sendet der Markt aus Zürich stille, aber klare Signale.

UBS trotzt der Turbulenz – mit Plan und Bilanz

Wer sich in diesen Wochen durch die Zahlen der Großbanken arbeitet, stößt oft auf Unsicherheit – volatile Gewinne, schlingernde Strategien, regulatorische Baustellen. Und dann kommt UBS: 1,7 Milliarden US-Dollar Nettogewinn im ersten Quartal, deutlich über den Erwartungen. Der Clou: Das Investmentbanking legt kräftig zu – mit über 30 Prozent Wachstum im Devisen- und Aktienhandel. Gleichzeitig schreitet die Integration der Credit Suisse planmäßig voran. Kundenkonten sollen bis Ende Q2 vollständig migriert sein, die eigene Bilanz wird weiter gestärkt.

Einige Anleger sehen dies als Signal: UBS kündigt Aktienrückkäufe in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar für 2025 an. Ein Ausdruck von Selbstbewusstsein in einem Umfeld, das viele Banken zum Sparen zwingt.

Ein ETF auf den Schweizer Markt? Gar nicht so einfach

Wer jetzt als deutscher Anleger denkt: „Dann kaufe ich mir eben den ganzen Schweizer Markt als ETF“ – wird überrascht. Auf den Leitindex SMI gibt es in der EU keinen zum Vertrieb zugelassenen ETF. Der Grund ist technischer Natur – aber mit großer Wirkung: Die drei Schwergewichte Novartis, Nestlé und Roche machen zusammen rund 50 Prozent des Index aus. Eine solche Konzentration auf Einzeltitel widerspricht den UCITS-Vorgaben in der EU, die ein Maximalgewicht von 20 Prozent je Einzeltitel vorsehen.

Das bedeutet: Anleger können nicht einfach breit gestreut in den SMI investieren, zumindest nicht mit einem klassischen ETF, wie man es vom DAX40 oder S&P 500 kennt.

Was daraus folgt, ist typisch Schweiz: Wer hier investieren will, muss sich mit Einzelwerten beschäftigen. Und das ist gar nicht so schlecht. Denn der Markt lebt von genau diesen soliden, international erfolgreichen Unternehmen. Wer bereit ist, sich mit Titeln wie UBS, Novartis, Richemont, Swiss Re, ABB oder Zurich Insurance aktiv auseinanderzusetzen, kann gezielt investieren – und sich so unabhängig von Indexbeschränkungen positionieren.

Für mich ist das kein Nachteil, sondern eine Einladung: Wer die Schweiz versteht, muss nicht den Index kaufen. Sondern die Qualität dahinter.

Schweizer Wirtschaft: gedämpft, aber stabil

Wenn es eine Volkswirtschaft gibt, die auch mit 1,4 Prozent Wachstum nicht nervös wird, dann ist es die Schweiz. Die Regierung hat ihre Prognose für 2025 leicht gesenkt (von 1,5 auf 1,4 Prozent). Grund dafür: die schwächelnde Nachfrage aus dem Ausland, vor allem aus Deutschland, sowie die zunehmenden geopolitischen Spannungen. Doch statt Alarmismus herrscht Pragmatismus.

Die Inflation bleibt mit erwarteten 0,3 Prozent ausgesprochen niedrig, die Arbeitslosigkeit liegt weiterhin bei stabilen 2,8 Prozent. Für mich ist das ein klares Signal: Die Schweiz bleibt ein verlässlicher Anker in einem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld.

Was mir auffällt: Während andere Länder mit Konjunkturpaketen gegensteuern müssen, profitiert die Schweiz von struktureller Solidität. Kein Wachstum um jeden Preis, sondern nachhaltiges Haushalten.

Anleihemarkt: Unternehmen setzen auf den Franken

Was kaum Schlagzeilen macht, aber viel über den Zustand eines Finanzplatzes verrät, ist der Anleihemarkt. Und hier hat die Schweiz 2025 ein bemerkenswertes Zwischenfazit vorzuweisen. Schon jetzt haben Unternehmen Anleihen in Rekordhöhe emittiert: 65 Milliarden Franken, ein Plus von 21 Prozent zum Vorjahr. Was das zeigt? Banken sind vorsichtiger bei Krediten, Investoren suchen Stabilität, und der Schweizer Markt bleibt liquide und attraktiv.

Was ich besonders spannend finde: Nicht nur Großkonzerne nutzen den Markt, auch kleinere, familiengeführte Unternehmen emittieren vermehrt direkt am Kapitalmarkt. Das spricht für Vertrauen – und für eine Kultur, in der Fremdfinanzierung nicht zwangsläufig mit Fremdbestimmung einhergeht.

Für mich ist der Anleihemarkt wie ein Seismograf, leise, aber genau. Und die Signale aus Zürich sind klar: Kapital fließt dorthin, wo Verlässlichkeit regiert.

Fusionen & Übernahmen: Qualität statt Quantität

Im Vergleich zu den Boomjahren der Vergangenheit wirkt der M&A-Markt in der Schweiz aktuell fast bescheiden. Die Zahl der Transaktionen ist rückläufig. Doch der Eindruck täuscht. Denn was zählt, ist nicht die Masse, sondern die strategische Qualität der Deals.

Besonders im Konsumgüter- und Finanzbereich sehen wir 2025 eine klare Tendenz: Unternehmen konsolidieren gezielt, investieren in komplementäre Technologien oder stärken ihre Marktposition durch Zukäufe, die kulturell und operativ passen.

Aus meiner Sicht zeigt sich hier eine typisch schweizerische Qualität: Wachstum wird nicht herbeigeredet, sondern sinnvoll orchestriert. Weniger PR, mehr Substanz. M&A als Strategie – nicht als Hype. Das unterscheidet Zürich derzeit von manch anderem Finanzplatz.

Zwischen den Zeilen

Der Schweizer Markt ist kein Spektakel. Er inszeniert sich nicht, er erklärt sich nicht lautstark, und vielleicht liegt gerade darin seine größte Stärke. Während andere Märkte von Zinsspekulationen, Wahlkampfrhetorik oder Tech-Hypes getrieben werden, bleibt Zürich kontrolliert, ruhig, sachlich. Die Unternehmen denken langfristig, sie handeln vorausschauend, die Politik hält sich zurück. Und genau das schafft Vertrauen: in Prozesse, in Strategien, in Menschen.

Ich erlebe oft, dass Anleger nicht das größte Versprechen, sondern das stabilste Fundament suchen. Nicht die lauteste Kurve, sondern die nachvollziehbare Logik dahinter. Und in der Schweiz finden sie genau das: eine Kultur der Solidität, die nicht jedem Trend hinterherläuft, sondern das Richtige zur richtigen Zeit entscheidet.

Das neue Handelsabkommen mit der EU öffnet nun auch operativ wieder Türen. Ein Fortschritt – allerdings mit einer wichtigen Nuance. Denn: Wo Sie kaufen, bestimmt, wo Ihre Aktien verwahrt werden.

  • Kauf an der Börse Zürich ➔ Lagerung bei SIX

  • Kauf an europäischen Börsen ➔ Lagerung bei Clearstream

Ein späterer Wechsel der Lagerstelle ist möglich – kostet aber Zeit (bis zu zwei Wochen), Geld und Geduld. Deshalb mein Rat: Wer künftig in Schweizer Titel investieren möchte, sollte sich vorab gut überlegen, an welchem Handelsplatz er aktiv wird. Ein bewusster Klick spart später Aufwand und unnötige Gebühren.

Natürlich läuft auch in der Schweiz nicht alles perfekt. Globale Unsicherheiten, eine gedämpfte Konjunktur und geopolitische Spannungen gehen nicht spurlos an ihr vorbei. Aber sie bleibt berechenbar. Und in einer Welt, die sich immer schneller dreht, ist das ein seltenes Gut.

Für mich wirkt der Schweizer Markt derzeit wie ein Uhrwerk: mit ruhiger Präzision, ohne große Ausschläge, aber mit beeindruckender Beständigkeit. Und genau deshalb lohnt es sich, hinzusehen. Gerade jetzt, wo viele Anleger von Schlagzeilen getrieben werden, zeigt Zürich, wie viel Kraft in Verlässlichkeit steckt.

Denn Kapital braucht nicht nur Chancen. Es braucht auch Klarheit. Orientierung. Und manchmal entsteht diese nicht in Euphorie – sondern in der Kunst des ruhigen Fortschritts.

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Sönke Niefünd schreibt über Kapitalmarkt, Börse, Kapitalanlage, Banken & Beratung

Insider für Kapitalmarkt, Börse und Vermögensanlage. Mit Leidenschaft für Kapitalmärkte und über 20 Jahren Erfahrung im Bankensektor und der Beratung anspruchsvoller vermögender Kunden teile ich hier fundierte Einblicke, praxisnahe Markteinschätzungen und Trends aus der Finanzwelt.

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