In über 10.000 Schul- und Unternehmens-Toiletten hängt das Ergebnis eines Schulprojekts.

Start-ups in der Schule: Warum Gründen Mädchen glücklich macht

Gründen steht in Schweden auf dem Lehrplan – mit einem überraschenden Ergebnis: Gründen Mädchen schon in der Schule ein Start-up, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie später ein eigenes Unternehmen gründen, um 80 Prozent.

So wie Amanda Mattsson, eine junge Schwedin, die im Schuljahr 2017/18 erkannte, dass es für viele Mädchen und Frauen ein unangenehmer Moment ist, Tampons unauffällig in der Hosentasche verschwinden zu lassen, um sie dann auf der Toilette parat zu haben. Wieso nicht gleich einen Spender vor Ort?

„Period Pack“ heißt heute Amandas fertiges Produkt – ein formschöner und gut durchdachter Spender für Binden und Tampons.

In über 10.000 Toiletten in Deutschland und Schweden hängt der apricotfarbene Spender bereits – und ist das Ergebnis eines Schulfachs!

Gründen als Schulfach?

Seit 2011 steht „Unternehmertum“ oder „Entrepreneurship“ offiziell auf dem Lehrplan schwedischer Gymnasien, die von 90 Prozent der Schüler besucht werden. In den meisten Gymnasialzweigen wird das Fach als Wahlfach angeboten. Für viele ist es verpflichtend.

Es geht darum, junge Menschen zu ermutigen, ihr eigenes Unternehmen zu gründen.
Amanda Mattsson, CEO Period Pack

Die Jugendlichen entwickeln ihre Idee, erstellen einen Businessplan, setzen ihr Projekt um und führen es bis zur Jahresabschlussbilanz. Anschließend wickeln sie das Unternehmen ab. So hat jeder dritte schwedische Schüler und jede Schülerin am letzten Schultag bereits ein eigenes Unternehmen gegründet. 

Die Lehrer arbeiten dabei eng mit der Organisation Ung Företagsamhet (UF) zusammen, zu Deutsch „Junges Unternehmertum“, die digitale Lern- und Lehrmaterialien anbietet, Messen organisiert und bei der Suche nach Mentoren aus der Wirtschaft hilft.

Im aktuellen Schuljahr 2024/25 haben 40.892 schwedische Schülerinnen und Schüler mehr als 12.000 neue Schülerfirmen gegründet. In Deutschland waren es im Jahr 2022 nur 8.617 Schüler. Jeder Schüler weiß also, dass er seine Ideen selbst verwirklichen kann.

Wird jede dieser Schülerfirmen ein Erfolg? Natürlich nicht. Aber darum geht es auch nicht. „Es geht darum, dass die Schüler erkennen, welche Möglichkeiten sich ihnen eröffnen“, sagt Amanda, die angenehm zurückhaltende Schwedin.

Sie hat ihr Unternehmen weitergeführt. Ohne „UF“, sagt die visionäre Geschäftsfrau, hätte es ihr Produkt, das ein Alltagsproblem vieler Frauen löst, nicht gegeben. Und wohl auch nicht den aktuellen Gesetzesvorschlag, Hygieneartikel in schwedischen Schulen kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Wecke die Unternehmerin in dir!

Amanda kommt aus keiner Unternehmerfamilie. Ihre Mutter ist Arzthelferin. Doch schon als kleines Mädchen erzielte sie beim Verkauf der Weihnachtszeitungen Rekordergebnisse.  

Wenn wir diesen jungen Unternehmergeist nicht in der Schule gehabt hätten, wäre es für mich wahrscheinlich schwierig gewesen, zu verstehen, dass ich Unternehmerin bin.
Amanda Mattsson, CEO Period Pack

Sogar in Schweden, dem Vorreiterland in Sachen Gleichberechtigung, haben vor allem Mädchen dieses Problem. „Es fehlen ihnen oft die Vorbilder“, so Aino Pleiner, Pressesprecherin der Ung Företagsamhet in Schweden. „Aber daran arbeiten wir ja jetzt“, fügt sie lachend hinzu.

45 Prozent der jugendlichen Gründer sind weiblich. Gemischte Gründerteams wählen in 55 Prozent der Fälle eine weibliche Geschäftsführung.

Amandas Vision gab ihr die Kraft, nebenher zu jobben, um das Geld für das Start-up zusammenzubekommen.

Irgendwann stellten wir fest, dass wir keine Versicherung für unsere Produkte hatten. Die lagen alle fein säuberlich gestapelt in einer Garage. Also haben wir abwechselnd in der Garage geschlafen.
Amanda Mattsson, CEO Period Pack
„Untersuchungen haben gezeigt, dass besonders Mädchen und Schüler mit nicht akademischem Hintergrund von dieser Art der unternehmerischen Ausbildung profitieren“, so Aino.

Warum Unternehmertum die Gesellschaft stärkt, warum Schüler Innovationstreiber sind und warum wir gerade Mädchen dazu ermutigen sollten. Warum Schweden nicht nur European Innovation Leader ist, sondern auch eines der glücklichsten Länder der Welt – und was Amanda mit Prinz Daniel macht –, das erfahrt ihr in meinem Blogpost.

Zusammen mit Prinz Daniel von Schweden, dessen Stiftung die Jungunternehmerin unterstützt.

Für eine starke Gesellschaft!

Weiterlesen lohnt sich also, denn unternehmerische Fähigkeiten sind wichtiger denn je, um sich in unsicheren Zeiten zurechtzufinden und kreativ zu bleiben. 

Vor allem in Deutschland haben viele Jugendliche Schwierigkeiten, ihren Weg zu finden und den Sinn von Schule zu erkennen. Die Selbstwirksamkeit der Kinder und Jugendlichen zu entfesseln, könnte ein Weg sein, ihre Lust am Lernen zu erhalten und soziale Kompetenzen zu entwickeln.

Bei allen Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, sollten wir die Kraft und Kreativität der gesamten Gesellschaft nutzen. Wir alle sollten Unternehmer und Unternehmerinnen für eine bessere Zukunft sein, und damit kann man nicht früh genug anfangen.

Wann gründet ihr?

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Über die Autorin: Maike van den Boom ist Bestsellerautorin der Bücher „Wo geht’s denn zum Glück“ und „Acht Stunden mehr Glück“. Sie ist Glücksforscherin und Expertin in Nordischer Führung und verhilft deutschen Unternehmen mit Vorträgen und Trainings zu mehr Glück und Innovationskraft.

 

 

Maike van den Boom schreibt über Glück, Führung, Skandinavien, Wirtschaft & Management

Maike van den Boom ist Glücksforscherin und Bestsellerautorin und wohnt in Stockholm und Weinheim. Seit über zehn Jahren begleitet sie Unternehmen und hält Vorträge zu Glück, innovatives Arbeiten und Happy Nordic LeaderShip. Sie unterrichtet Nordic Leadership an diversen Business Schools.

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