Dr. Alexandra Hildebrandt

Stehvermögen haben: Was heißt das?

Der Hebräerbrief definiert den Glauben als „Feststehen in dem, was man erhofft“ (Heb 11,1), ohne sich täglich nach dem Wind zu drehen. Beim Propheten Jesaja sind Glaube und Stehen eine Einheit: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht, so habt ihr kein Stehvermögen.“ (Jes 7,9) Dass wir „im Glauben feststehen“ sollen, sagt auch Paulus. Heute sind viele Menschen auf der Suche nach Verlässlichkeit und Orientierung, nach etwas, das ihnen die Kraft gibt, Halt zu finden in einer haltlosen Welt. Der Musiker, Komponist und Musikproduzent Rolf Zuckowski sagte einmal: „Ich bin in meinem Glauben nicht gefestigt und finde gerade darin Halt, denn ich handele eigenverantwortlich in allem, was ich tue. Mein Gott gibt mir diese Freiheit.“ Er bezeichnet sich als suchenden Menschen. Nur in der Liebe zum Leben und in unserem Beitrag dazu, das Leben für viele lebenswert zu machen, kommen wir dem Gott nahe, für den er ein Suchender bleiben wird. Sein Beten wurde fast immer zum Danken, nur selten zum Bitten. Im leisen Zwiegespräch mit Gott hört er seine Antworten immer schon inmitten meiner Fragen voraus, die offenbar längst kannte. Die Herausforderungen der aktuellen Krisen werden uns noch mehr Stehfestigkeit abverlangen. Dazu braucht es auch solide resiliente Systeme. Das können sie aber nur sein, wenn auch Vielfalt und Veränderungen zugelassen werden. Starre Systeme verhindern Veränderungen, Reformen und Fortschritt.

Ihm zu folgen bedeutet auch, mutig zu sein und nicht darauf zu warten, bis die Macht starrer Monokulturen in einer Welt zerbröselt. Auch unter Monokulturen kann durchaus vieles gedeihen. Das zeigen Initiativen wie Maria 2.0 und #outinchurch, die für ein freies und würdevolles Zusammenleben und -arbeiten in der Kirche eintritt. In ihrem Manifest plädiert sie für eine Kultur der Diversität, so dass auch LGBTIQ+ Personen ihren Beruf und ihre Berufung in der Kirche offen und angstfrei leben können und wertgeschätzt werden. Auch sollte die Kirche in ihren Riten und Feiern zum Ausdruck bringen, dass alle Menschen von Gott gesegnet sind und ihre Liebe vielfältige Früchte trägt. Vielfalt macht die Kirche reicher, schöpferischer, menschenfreundlicher und lebendiger. Allein mit dem Aufdecken und Aussprechen von Vorgängen wie Diskriminierung und Missbrauch ist es allerdings nicht getan. Ein System des Verschweigens, der Doppelmoral und der Unaufrichtigkeit macht krank und kann einen negativen Einfluss auf den eigenen Glauben und die Liebe haben. „Liebe ist Gott und Gott ist die Liebe", schrieb Einstein an seine Tochter. Er verweist allerdings auch darauf, dass diese Variable zu lange ignoriert wurde, weil sich Menschen möglicherweise auch vor der Liebe fürchten, da sie die einzige Macht im Universum ist, „die der Mensch nicht gelernt hat, nach seinem Willen zu steuern". Um die Liebe sichtbar zu machen, hat er einen einfachen Austausch in seiner berühmtesten Gleichung gemacht: „Wenn wir anstelle E = mc² zu akzeptieren, die Energie akzeptieren, um die Welt durch Liebe zu heilen, kann man durch die Liebe multipliziert mal der Lichtgeschwindigkeit hoch Quadrat zu dem Schluss kommen, dass die Liebe die mächtigste Kraft ist, die es gibt, weil sie keine Grenzen hat."

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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