Strategien für das IT-Sourcing
Der Fachkräftemangel, steigende IT-Kosten und neue regulatorische Vorgaben zwingen Unternehmen, ihre IT-Strategie grundlegend zu überdenken. Die zentrale Frage lautet: Welche Bereiche sollten selbst betrieben werden, und wo liefern externe Partner den größeren Mehrwert? Eine durchdachte Sourcing-Strategie hilft, den optimalen Mix zu finden.
Drei zentrale Herausforderungen prägen derzeit den Unternehmensalltag: Der anhaltende Fachkräftemangel, die zunehmende Abhängigkeit von Drittanbietern und der rasante technologische Fortschritt fordern von Unternehmen mehr Flexibilität und Weitsicht denn je. Diese Entwicklungen betreffen nicht nur die IT-Strategie, sondern beeinflussen die gesamte Unternehmensausrichtung nachhaltig.
Der Mangel an Fachkräften macht es Unternehmen zunehmend schwer, offene IT-Stellen zu besetzen. Besonders gefragt sind Spezialisten in den Bereichen Cloud Computing, KI und Cybersecurity. Steigende Gehälter und der zunehmende Wettbewerb um Talente treiben die Kosten weiter in die Höhe. So werden laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft in den kommenden Jahren über 100.000 zusätzliche IT-Fachkräfte im DACH-Raum benötigt, um digitale Transformationsprojekte erfolgreich voranzutreiben.
Mit der fortschreitenden Digitalisierung wächst zudem die Abhängigkeit von anderen IT-Anbietern. Unternehmen sind gefordert, ihre Datenhoheit zu wahren und die IT-Infrastruktur unter Kontrolle zu halten, um langfristige Risiken zu minimieren. Hierbei sind Risikoabschätzungen im Unternehmen entscheidend, um festzulegen, welche Abhängigkeiten man bewusst in Kauf nehmen möchte und wie sie gegebenenfalls beendet werden können – Stichwort Exit-Strategie.
Gleichzeitig bieten neue Technologien wie künstliche Intelligenz enorme Chancen, erfordern jedoch spezialisiertes Know-how und skalierbare IT-Infrastrukturen. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, diese Innovationen effizient in ihre Geschäftsprozesse zu integrieren. Besonders die Automatisierung von Prozessen und die Nutzung datengetriebener Anwendungen gewinnen zunehmend an Bedeutung, um den angesprochenen Herausforderungen entgegenzuwirken.
Die richtige Sourcing-Strategie finden
Angesichts dieser großen Herausforderungen sind Unternehmen stärker denn je gefordert, ihre IT-Strategie vorausschauend und effizient zu gestalten. Besonders der Fachkräftemangel und die hohe Dynamik des technologischen Fortschritts machen es notwendig, klare Prioritäten zu setzen und gezielt auf externe Expertise zurückzugreifen, wo interne Ressourcen knapp sind.
Eine durchdachte Sourcing-Strategie ist dabei der entscheidende Wettbewerbsvorteil. Der Schlüssel liegt darin, genau zu bestimmen, welche IT-Bereiche intern betreut werden sollten und wo externe Partner den größeren Mehrwert bieten. Besonders bei komplexen Themen wie Cloud Computing oder KI-Entwicklung ermöglicht eine Auslagerung eine schnellere Geschäftsentwicklung und kann internen Ressourcen dabei helfen, Geschäftsziele schneller zu erreichen und die Time-to-Market zu verkürzen.
Outsourcing bedeutet jedoch immer auch, ein Stück Kontrolle abzugeben. Diese Abhängigkeit muss aber nicht zwangsläufig negativ sein. Häufig ist es strategisch klug, gezielt Aufgaben an spezialisierte Anbieter auszulagern, um interne Ressourcen zu schonen und von externem Know-how zu profitieren. So stellt sich etwa die Frage, ob ein eigener IT-Betrieb für alle IT-Ressourcen wirklich sinnvoll ist oder ob ein externer Dienstleister effizientere Ansätze bieten kann. Alternativ kann der gezielte Aufbau von Cloudressourcen die Agilität und Geschwindigkeit maßgeblich erhöhen.
Ein ausgewogener Mix aus Inhouse-IT und externen Services bietet häufig die besten Chancen: Entscheidend ist, die Sourcing-Strategie regelmäßig zu überprüfen und an die dynamischen Anforderungen des Marktes anzupassen.
On-Premises oder Public Cloud – Der Anwendungsfall entscheidet
Ob lokal oder Public Cloud – letztlich entscheidet der Anwendungsfall, welches Modell am besten passt. Während On-Premises-Ansätze maximale Kontrolle bieten, punkten Public-Cloud-Angebote wie Microsoft Azure, AWS oder Google Cloud mit Flexibilität und Skalierbarkeit.
On-Premises-Ansätze bieten volle Kontrolle über die IT-Infrastruktur und sind ideal, wenn stabile und planbare IT-Ressourcen benötigt werden. Unternehmen, die kontinuierlich ähnliche Workloads verarbeiten, profitieren von der langfristigen Planbarkeit und der Unabhängigkeit von externen Anbietern. Allerdings lohnen sich die hohen Investitions- und Wartungskosten nur, wenn die IT-Infrastruktur dauerhaft gut ausgelastet ist.
Die Public Cloud ist besonders geeignet für Business Cases, die dynamische Workloads oder kurzfristig benötigte Ressourcen erfordern. Typische Anwendungsbeispiele sind saisonale Geschäftsspitzen oder datenintensive Analysen. Dank des nutzungsbasierten Abrechnungsmodells lassen sich IT-Kosten flexibel an den tatsächlichen Bedarf anpassen. Für Unternehmen, die auf Agilität setzen, ist die Public Cloud daher oft die erste Wahl.
Allerdings sollten Unternehmen stets im Blick behalten, dass die Nutzung der Public Cloud bei den großen Hyperscalern auch ein gewisses Risiko eines Vendor Lock-Ins birgt. Es ist daher wichtig zu bewerten, wie groß das Risiko tatsächlich ist und ob beispielsweise eine einfache Wechselfähigkeit Teil der Strategie sein soll. Einige Compliance-Richtlinien sehen auch die Ausarbeitung von Exit-Strategien vor, um genau auf solche Szenarien und Abhängigkeiten reagieren zu können.
Managed Services: Standardaufgaben effizient auslagern
Managed Services eignen sich vor allem, wenn bestimmte IT-Aufgaben standardisiert und an externe Dienstleister übergeben werden sollen, insbesondere wenn das interne IT-Wissen nicht gegeben ist. Typische Business Cases sind zum Beispiel der Zugriff auf fertige Produkte für wiederkehrende Aufgaben (Planungstools, Office- und Konferenzprodukte) oder für speziellere Themen wie der Betrieb von Kubernetes-Clustern oder das Verwalten von Cloudumgebungen. Unternehmen können so interne Ressourcen schonen und gleichzeitig von der Expertise spezialisierter Anbieter profitieren.
Hybride Ansätze: Das Beste aus beiden Welten nutzen
In vielen Fällen lohnt sich ein hybrider Ansatz: Stabile Workloads und kritische Anwendungen verbleiben on-premises, während dynamische oder projektbasierte Aufgaben in die Public Cloud verlagert werden. Managed Services ergänzen beide Modelle durch gezielte Entlastung der internen IT. Ein Unternehmen könnte beispielsweise Tätigkeiten, die nur eine geringe Auswirkung auf die Entwicklung des Geschäftsmodells haben, auslagern, um so Ressourcen für Neuentwicklungen frei zu machen. Unternehmen müssen individuell bewerten, wo sie mit ihren vorhandenen Skills am effizientesten Wert stiften können und wo das Hinzuziehen von Partnern oder Komplettangebote am Markt sinnvoll ist.
Compliance im Fokus
Neben der Wahl des richtigen Sourcing-Ansatzes sollten Unternehmen auch die Einhaltung regulatorischer Anforderungen konsequent berücksichtigen. Dabei ist es falsch, Compliance-Vorgaben als lästige Fessel zu betrachten, die Innovation ausbremsen. Vorgaben wie der Digital Operational Resilience Act (DORA) oder der Cyber Resilience Act haben zum Ziel, Unternehmen vor großen Risiken zu schützen und ihre Resilienz zu stärken – was ebenso wichtig wie die Weiterentwicklung des Geschäfts ist.
Es empfiehlt sich daher, Compliance-Abteilungen frühzeitig in die strategischen Entscheidungen einzubinden, um eine adäquate Risikoabschätzung treffen zu können und Geschäftsprozesse zu schützen. Der abteilungsübergreifende Dialog führt zu nachhaltigeren Entscheidungen und sorgt durch das gewonnene gegenseitige Verständnis für ein zielgerichteteres Arbeiten der Abteilungen.
KI-Transformation berücksichtigen
Mit der rasanten Entwicklung der künstlichen Intelligenz stehen Unternehmen vor einer weiteren strategischen Herausforderung. Anstatt jedoch vorschnell in Sourcing-Entscheidungen zu gehen, lohnt es sich, zunächst innezuhalten und eine KI-Strategie zu entwickeln, in der bewertet wird, welche Use Cases tatsächlich umgesetzt werden sollen und wie sie das Unternehmen positiv beeinflussen können (sei es durch höhere Geschwindigkeit oder eine bessere Customer Experience).
Ein solcher strategischer Ansatz ermöglicht es, gezielt zu analysieren, welche Aufgaben und Prozesse durch KI sinnvoll unterstützt werden können und welche Ressourcen dafür notwendig sind. Erst auf dieser soliden Grundlage lässt sich fundiert entscheiden, welcher Sourcing-Ansatz den größten Mehrwert bietet. Dabei spielen Skalierbarkeit und Flexibilität eine zentrale Rolle, insbesondere wenn große Datenmengen und spezielle Rechenressourcen für maschinelles Lernen benötigt werden.
Je nach Anwendungsfall kommen aber auch datenschutzrechtliche Anforderungen zum Tragen. Ein gut durchdachter, strategisch abgestimmter Ansatz stellt also letztlich sicher, dass Unternehmen die Potenziale der KI optimal nutzen können, ohne unnötige Risiken einzugehen.
Fazit
Eine starke Sourcing-Strategie ist ein zentraler Erfolgsfaktor für Unternehmen, die in Zeiten von Fachkräftemangel, steigenden IT-Kosten und regulatorischen Anforderungen wettbewerbsfähig bleiben wollen. Sie schafft die Basis für Flexibilität, Sicherheit und langfristigen Erfolg. Unternehmen sollten dabei stets den eigenen Business Case im Blick behalten und regelmäßig prüfen, ob die gewählte Strategie noch den aktuellen Anforderungen entspricht.
Autor: Björn Bohn, Cloud Transformation Consultant bei codecentric