Der Google-Campus "Googleplex" in Kalifornien. - Foto: imago images
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Tech-Branche streicht 15.000 Stellen seit Januar – KI und Effizienzdruck treiben neue Entlassungswelle

Im Silicon Valley macht die Rosskur von Meta-Chef Mark Zuckerberg Schule. Entlassene haben es schwerer, einen neuen Job zu finden.

Roger Lee gründete seine Webseite Layoffs.fyi in der Coronapandemie. „Damals zeichnete sich ab, dass viele Tech-Start-ups Personal entlassen müssen“, erinnert sich Lee. „Ich wollte eine Informationsquelle schaffen, um darauf aufmerksam zu machen und damit die Entlassenen schnell wieder neue Jobs finden“, erzählt der Unternehmer aus San Francisco.

Unbeabsichtigt landete er damit einen Hit. Seine Webseite des Grauens wird nun fünf Jahre alt und hat sich zu einer der umfassendsten Datenquellen über Entlassungen in der Tech-Branche entwickelt, nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Seit kurzem hat Lee eine neue Rubrik hinzugefügt. Er zählt jetzt, wie viele Mitarbeiter in US-Behörden ihre Jobs verlieren. Seit Jahresanfang sind es über 110.000, davon 33.000 in der US-Regierung, deren Abgang auf Elon Musks umstrittene Effizienzkommission DOGE zurückgeht.

Nicht, dass es Lee an Daten aus der Tech-Branche mangeln würde. Ganz im Gegenteil: Nachdem die Branche vor allem im Silicon Valley lange als weitgehend sicheres Refugium galt und Mitarbeiter bei Tech-Konzernen mit kostenlosem Essen, Kaufprämien für Elektroautos und Teambuilding-Ausflügen zu exotischen Orten verwöhnt wurden, gab es in den vergangenen drei Jahren größere Entlassungsrunden.

Momentan läuft eine neue Welle. Laut Layoffs.fyi sind seit Januar über 15.000 Tech-Jobs weltweit gestrichen worden. Sie ist allerdings kleiner als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres. Damals wurden rund 50.000 Stellen gekürzt.

Grund sind diesmal nicht Überkapazitäten bei großen Tech-Unternehmen, die während der Coronapandemie zu viele Leute einstellten, Umsatz vorwegnahmen und dann vom Einbruch nach dem Ende der Pandemie getroffen wurden.

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Meta entlässt leistungsschwache Angestellte

Diesmal geht es vor allem um Anpassungen bei Jobs wegen des Einsatzes von künstlicher Intelligenz. Oder ganz schlicht darum, Mitarbeiter unter Druck zu setzen und so auf Trab zu halten.

Bei Meta ist es eine Kombination von beidem. „Ich habe beschlossen, die Messlatte für die Bewertungen von Leistungen höher zu legen und leistungsschwache Mitarbeiter schneller zu entlassen“, kündigte Meta-Chef Mark Zuckerberg Mitte Januar an. Seit Mitte Februar laufen nun die Entlassungen, bis zu 3600 sind weltweit angepeilt, etwa fünf Prozent der Belegschaft. Betroffene werden per E-Mail benachrichtigt, dann wird innerhalb weniger Stunden ihr Zugang zu den Systemen von Meta abgeklemmt. Ihre Stellen sollen im Laufe des Jahres mit frischen Talenten besetzt werden – falls das nötig ist.

Zuvor hatte Zuckerberg, der 2023 zum Jahr der Effizienz ausgerufen hatte und das Motto 2024 fortsetzte, mit seiner Hire-and-Fire-Politik gute Erfahrungen gemacht – zumindest an der Börse. Dort hatte die Meta-Aktie 2024 binnen eines Jahres wegen stärkerer Kostendisziplin und dem Hype um seine KI satte 65 Prozent zugelegt. Zum Vergleich: Alphabet, der Mutterkonzern von Google, genoss zwar auch ein gutes Jahr an der Wall Street. Alphabets Aktie konnte aber nur um 35 Prozent zulegen. Auch Alphabet feuerte nach einem großen Aderlass von 12.000 Googlern im Januar 2023 im vergangenen Jahr Hunderte Mitarbeiter, aber diesmal weniger rigoros als Meta.

Spätestens seit dem Börsenerfolg macht Zuckerbergs Vorgehen Schule.

Stellenabbau und Stärkung von KI-Jobs

Hewlett Packard weitet sein Restrukturierungsprogramm mit dem optimistisch klingenden Namen „Die Zukunft ist jetzt“ aus und will statt ursprünglich 7000 Jobs nun bis zu 9000 weltweit kürzen. Bei dem Computer- und Druckerhersteller kommt noch eine weitere Komponente hinzu – die von US-Präsident Trump angekündigten Zölle. Konzernchef Enrique Lores ist derzeit dabei, große Teile seiner Lieferkette von China in andere asiatische Länder zu verlagern, um von dort seinen nordamerikanischen Markt versorgen zu lassen. Das kostet.

Salesforce, der größte Tech-Arbeitgeber in San Francisco, baut ebenfalls innerhalb des Konzerns um. Mehr als 1000 Stellen werden gestrichen, dafür gibt es mehr Jobs beim Vermarkten von KI-Produkten. Betroffene Mitarbeiter sollen sich dort vorrangig bewerben können. Auch bei Salesforce, dessen Hawaii-affiner Gründer und Chef Marc Benioff gern von seiner Ohana sprach – hawaiianisch für Familie – ist der Frieden gestört, nachdem aktivistische Investoren wie Eliott Management und Starboard Value ihn stark unter Druck setzten.

Gleich um die Ecke vom Salesforce-Wolkenkratzer wird beim Softwareunternehmen Autodesk ebenfalls der Rotstift angesetzt. 1350 Mitarbeiter – 9,5 Prozent der Belegschaft – sollen ihren Job verlieren, vor allem im Vertrieb. Laut Autodesk-CEO Andrew Aganost läuft der Verkauf der Produkte mittlerweile stark automatisiert.

Weiter südlich, in der Eastbay, wird beim Software-Unternehmen Workday gestrichen. CEO Carl Eschenbach will weltweit 1700 Stellen abbauen, rund 8,5 Prozent der Belegschaft. Über ein Drittel der gestrichenen Stellen soll aufs Silicon Valley entfallen. Dafür soll in Wachstumsfeldern wie KI angeheuert werden. „Wir haben so viele Möglichkeiten im Blick, vor allem bei KI“, teilte Eschenbach seinen Mitarbeitern mit.

Entlassungen führen zu Leistungsdruck

Auch Google kürzt, allerdings in kleinerem Rahmen. In seinem Hauptquartier sollen mindestens 150 Jobs wegfallen, vor allem in der Cloud- und Werbesparte.

Allen betroffenen Unternehmen ist übrigens gemein, dass sie hochprofitabel sind und ihren Umsatz ausbauen konnten, obwohl Salesforces Geschäfte unter den Erwartungen der Analysten lagen.

Für die entlassenen Mitarbeiter ist es schwieriger als früher, neue Jobs zu finden. Vor allem für jene von Meta, denen Zuckerberg öffentlich den Stempel als Minderleister aufgedrückt hat. Denn bei Tech-Start-ups in San Francisco und im Silicon Valley ist ein neuer Wettlauf gestartet: Wie man mit Hilfe von KI mit möglichst wenigen festangestellten Mitarbeitern auskommt.

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