Tankstellennetze in Europa würden aufgrund des sinkenden Kraftstoffvertriebs Umsatzeinbußen verzeichnen. - (Foto: imago images/Hanno Bode)
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Total verkauft alle Tankstellen in Deutschland

Der französische Ölkonzern gibt seine Tankstellen in zwei europäischen Ländern auf. Er will sich künftig auf Elektromobilität und Wasserstoff fokussieren.

Düsseldorf, Paris. Das Energieunternehmen Total Energies zieht sich als Tankstellenbetreiber aus Deutschland zurück. Das gab der Konzern am Donnerstagmorgen bekannt. Total will seine gesamten Tankstellennetze in Deutschland und auch in den Niederladen an das kanadische Unternehmen Alimentation Couche-Tard verkaufen. Alimentation Couche-Tard ist auf das Betreiben von täglich geöffneten sogenannten „Convenience Stores“ spezialisiert, die in der Regel ein Restaurant, einen Shop und eine Tankstelle umfassen.

Betroffen sind 1198 Tankstellen in Deutschland und 392 Tankstellen in den Niederlanden.

Zur Begründung hieß es: Der Konzern wolle sich stattdessen auf die neuen Mobilitätsformen konzentrieren – Elektromobilität und Wasserstoff. Total behält die Ladestationen außerhalb der Tankstellen sowie den Wasserstoffvertrieb und den Großhandel mit Kraftstoffen.

Tankstellen in Europa haben ein großes Problem: Immer mehr Menschen steigen von Verbrennern auf Elektroautos um. Dieser Trend dürfte sich – auch durch politische Vorgaben und Förderungen – in den kommenden Jahren weiter beschleunigen. Schließlich sollen nach dem Willen des EU-Parlaments ab 2035 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotoren mehr verkauft werden.

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Elektroautos müssen zwar auch geladen werden, aber das erfolgt mit Blick auf den Ausbau der Infrastruktur und das Lademanagement der Fahrzeuge zunehmend dezentral. So wird der Tankstopp an der klassischen Zapfsäule zum Auslaufmodell.

Total-Tankstellen: Sorge um Raffinerie in Leuna

Total erklärte, seine Tankstellennetze in Europa würden aufgrund des sinkenden Kraftstoffvertriebs Umsatzeinbußen verzeichnen. Aus dem Unternehmensumfeld hieß es, dass der Verkauf der Tankstellen in Deutschland und anderen europäischen Ländern eine Anpassung an die politischen und gesellschaftlichen Ziele in der EU bedeute. Der Plan, ab 2035 keine neuen Diesel- und Benzinerfahrzeuge mehr zuzulassen, habe „reelle Auswirkungen“ auf das Geschäftsmodell der Total-Tankstellen.

Die nun am Donnerstag bekannt gegebene Entscheidung kam indes wohl auch für höherrangige Total-Mitarbeiter in Deutschland überraschend, wie ein Kenner des Unternehmens dem Handelsblatt sagte. Der Verkauf sei offenbar im kleinen Kreis im „Tour Total“, dem Büroturm am Konzernsitz im Pariser Geschäftsviertel La Défense, vorbereitet worden.

Mit dem Verkauf würden sich Fragen der künftigen Tankstellenabdeckung gerade in Berlin und Ostdeutschland stellen. Der französische Mineralölkonzern Elf, der später in Total aufging, hatte nach der Wiedervereinigung die staatlichen Minol-Tankstellen der früheren DDR übernommen.

Außerdem herrsche in Deutschland Unsicherheit, was die Entwicklung bei Total für die Zukunft der Raffinerie Leuna in Sachsen-Anhalt bedeuten könnte. Im Umfeld der Konzernspitze wurde unterdessen versichert, dass Leuna durch den Verkauf der deutschen Tankstellen nicht zur Disposition stehe.

Total und Couche-Tard: Gemeinschaftsunternehmen in Belgien und Luxemburg geplant

Total zieht sich als Tankstellenbetreiber zunächst nur aus Deutschland und den Niederlanden komplett zurück. In Belgien und Luxemburg hingegen will das Unternehmen vorerst im Tankstellengeschäft bleiben: Hier gründet es zusammen mit Couche-Tard ein Gemeinschaftsunternehmen, an dem Total einen Minderheitsanteil von 40 Prozent hält. Dieses Gemeinschaftsunternehmen soll in den beiden Ländern weiter die Tankstellen betreiben, denn hier ist Total Marktführer. Allerdings handelt es sich nur um insgesamt 619 Tankstellen.

Damit trennt sich der französische Konzern vom größeren Teil seiner Tankstellen. In Gesamtdeutschland ist Total die drittgrößte Betreibergesellschaft von Tankstellen: Nach Zahlen des Energie Informationsdienstes (EID) aus dem vergangenen Juni lagen nur Aral mit 2297 Tankstellen und Shell mit 1958 Tankstellen noch vor Total (damals 1157 Tankstellen).

Grundsätzlich hängt die Profitabilität von Tankstellen nicht maßgeblich davon ab, ob sie Sprit oder Strom verkaufen. Nach früheren Angaben des Ölkonzerns BP kommt beispielsweise der durchschnittliche Ertrag eines Aral-Tankstellenpartners nur zu zehn bis 20 Prozent aus dem Kraftstoffverkauf. Viel wichtiger ist, dass viele Kunden den Zwischenstopp an den Tankstellen nutzen, um schnell Snacks, Zigaretten und Ähnliches zu kaufen. Mehr als die Hälfte des Ertrags einer Aral-Tankstelle stammt aus dem Shop-Business.

Doch die Shop-Besuche könnten durch die E-Mobilitätswende stark zurückgehen. Schätzungen zufolge finden 85 Prozent der Ladevorgänge zu Hause oder am Arbeitsplatz statt. Autofahrer statten Tankstellen also seltener einen Besuch ab.

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Total setzt unter anderem nun auf Wasserstoff: Anfang Februar teilte das Unternehmen mit, gemeinsam mit Air Liquide ein europäisches Netz von Wasserstofftankstellen für Lastwagen aufzubauen. Entlang der Hauptverkehrsrouten in Deutschland, Frankreich, Niederlande, Belgien und Luxemburg sollen in den kommenden Jahren mehr als 100 Tankstellen für wasserstoffbetriebene Schwerlastfahrzeuge entstehen.

Während der Markt für vollelektrische Fahrzeuge, die den Strom per Stecker beziehen, wächst, ist die Verstromung mit Wasserstoff allerdings bislang eine Nische. 95 Wasserstofftankstellen gab es Ende 2022 in Deutschland, im Februar 2023 wurde kein einziges Auto mit der nötigen Brennstoffzellentechnik zugelassen. Dem stehen mehr als 70.000 Elektroladepunkte gegenüber.

Total will Ausbau von Ladestationen beschleunigen

Sichtbar wird der Verkauf des Total-Tankstellennetzes für Autofahrer indes nicht so schnell. Total will alle Tankstellennetze vorerst weiter unter der Marke Total Energies belassen – denn der Ölkonzern wird die Standorte vorerst weiter mit Kraftstoffen versorgen. Dies sei für mindestens fünf Jahre der Fall, teilt er mit. Die Versorgung werde insbesondere durch die Raffinerien des Unternehmens im belgischen Antwerpen und in Leuna sichergestellt.

Neben den Tankstellennetzen verkauft Total auch das Tankkartengeschäft für Geschäftskunden an Couche-Tard. Dafür zahlen die Kanadier insgesamt 3,1 Milliarden Euro. Die Transaktion soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.

Total will nach eigenen Angaben seinen Verkauf von Erdölprodukten bis 2030 um 30 Prozent senken. Der Konzern vertreibt über seine Tankstellen traditionell mehr Kraftstoff, als er selbst produziert – musste bislang also Benzin oder Diesel zukaufen. Mit seinen eigenen Erdölkapazitäten will Total nun vor allem das Tankstellennetz auf dem französischen Heimatmarkt weiter betreiben.

Bereits seit 2015 hat Total Energies sich von seinen Tankstellennetzen in Italien, der Schweiz und Großbritannien getrennt. Im Gegenzug will Total unter anderem den Ausbau der Ladestationen an den Hauptverkehrsadern und in den Großstädten Europas beschleunigen.

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