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Tragfähig in instabilen Zeiten: Nachhaltiger Schmuck und Accessoires

Warum dürfen „Goldschmiede, die ohne zertifiziertes Edelmetall arbeiten, was vom schönsten Tag ihres Lebens faseln und die sozialen und ökologischen Kosten, die der Schmuck verursacht, einfach verschweigen?“, fragt die Journalistin Karin Ceballso Betancur. In den vergangenen Jahren hat das Interesse an Schmuck aus ökofairem Gold und nachhaltiger Herstellung zugenommen. Viele Goldschmiede möchten das Glück nicht auf dem Unglück anderer besiegeln und fertigen deshalb Schmuckstücke an, die aus fair gehandeltem Gold sind. Das gibt es zwar seit 2011, jedoch liefen Handel und Verkauf bis dahin lediglich auf Vertrauensbasis. Seit 2010 sind Standards der Fair Labelling Organization (FLO) gültig. Großbritannien führte das Label 2011 als erstes Land ein, dann folgten Kanada und die Niederland. Fairtrade Deutschland hat inzwischen auch ein Siegel für Gold entwickelt, mit dem bessere Bedingungen für Minenarbeiter und deren Familien erreicht werden sollen: Es gibt die Möglichkeit, gebührenpflichtiger Lizenznehmer (Fairtrade-Partner) zu werden oder sich als Juwelier registrieren zu lassen. Voraussetzung dafür ist die Anmeldung in einem Goldschmiedeportal und der Nachweis, dass der Rohstoff von zertifizierten Partnern bezogen wird (allerdings erfolgt hier keine Kennzeichnung durch das Fairtrade-Logo, da nicht transparent ist, wie viel faires Gold im Ring enthalten ist).

Immer mehr Schmuckdesigner legen bei den verwendeten Rohstoffen Wert auf nachhaltige Gewinnung und Produktion. Viele der in Deutschland angebotenen Schmuckstücke stammen aus kleinen deutschen Traditionsbetrieben, die auf eine langjährige Erfahrung zurückblicken. Das verwendete Gold und Silber ist entweder fair gehandelt oder recycelt. Das bis vor ein paar Jahren nicht selbstverständlich, denn die Goldgewinnung ist eine der schmutzigsten Industrien der Welt. Das konstatiert auch das internationale Netzwerk „No dirty gold“: Weltweit graben mehr als zehn Millionen Menschen, teilweise illegal, nach dem begehrten Metall. Um an den Rohstoff zu kommen, dringen Goldsucher sogar in Gebiete indigener Völker vor. Auch Kinderarbeit in hochgiftigen Minen ist keine Seltenheit.

Dass die Goldgewinnung zweifellos eine der schmutzigsten Industrien der Welt ist, konstatiert auch das internationale Netzwerk „No dirty gold“. Weltweit graben mehr als zehn Millionen Menschen, teilweise illegal, nach dem begehrten Metall. Um an den Rohstoff zu kommen, dringen Goldsucher sogar in Gebiete indigene Völker vor. Kinderarbeit in hochgiftigen Minen ist keine Seltenheit. Um das Gold aus dem Erz zu lösen, wird beim herkömmlichen Kleinbergbau Quecksilber genutzt - jährlich etwa 1000 Tonnen. Gold und Quecksilber gehen eine Legierung ein (Goldamalgam), mit dem auch die kleinsten Goldflitter aus dem goldhaltigen Bodensatz gewonnen werden können. Anschließend wird es erhitzt, und es steigen giftige Dämpfe auf, die von den Minenarbeitern eingeatmet werden, auch gelangen Quecksilberemissionen in Luft, Boden und Wasser. Großunternehmen nutzen meistens hochgiftiges Zyanid. Für ein Kilogramm Gold werden durchschnittlich in den Minen dieser Welt 141 Kilogramm davon benötigt, um das Material aus dem Erz zu waschen. Die Gifte der Blausäure können zu Missbildungen führen und Krebs auslösen. Auch Enteignung und Vertreibung sind an der Tagesordnung.

US-Elektronikhersteller müssen mittlerweile belegen, ob sie Rohstoffe aus Krisengebieten wie dem Kongo verwenden und sind angehalten, sich für nachhaltige Alternativen zu entscheiden. B KREB jewelry wurde 2013 von der Designerin und Goldschmiedin Bettina Kreb gegründet. Bei B KREB jewelry handelt es sich um keinen Modeschmuck. Alle Schmuckstücke sind ausschließlich aus Vollmaterial, ergo Gold und Silber gearbeitet. Das Produktionsprinzip beruht auf Kleinserien, welche auf Nachfrage vervielfältigt oder als Unikat angefertigt werden. Jedes Stück hat seinen eigenen Charakter, da durch die Handverarbeitung stets leichte Abweichungen entstehen. B KREB arbeitet ausschließlich mit regionalen Firmen zusammen. Edelmetallreste werden u.a. im Atelier recycelt, eingeschmolzen und für neue Schmuckstücken wiederverwendet. Die Designerin fertigt hochwertige und langlebige Wegbegleiter als Gegenpol zur Wegwerfgesellschaft an. Alle Arbeitsabläufe basieren auf einem ökonomischen und umweltschonenden Grundgedanken bezüglich der Verwendung von Materialien und Chemikalien. Diese Philosophie setzt eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit und den gegebenen Mitteln voraus.

Bei Oronda werden alle Schmuckstücke komplett fair gefertigt. Gold und Silber sind Fair-Trade-zertifiziert oder recycelt. Die verarbeiteten Diamanten stammen aus Australien oder Kanada. Die gesamte Produktions- und Lieferkette ist durch die Jeweltree Foundation zertifiziert. Der Goldschmied Thomas Becker fertigt in Hamburg Ringe, für dessen Herstellung weder Menschen, Tiere und die Umwelt leiden mussten. Auf deren Unglück möchte er kein Glück besiegeln. Er bietet Schmuckstücke an, die entweder aus recyceltem Material oder aus grünem oder eco-fairem Gold gefertigt sind.

Die Hersteller von JuliaPilot setzen auf Halsketten aus rhodiniertem 925er Sterling Silber und rosé vergoldetem 925er Sterlingsilber - beides aus wiederverwendetem Schmucksilber. Alternativ gibt es vegane Bänder in Leder-Optik. Daran sind nachhaltig hergestellten Kristallanhänger angebracht, die außerdem Swarovski® Advanced Crystal zertifiziert sind. „People & Planet & Peace“ sind das Fundament der Philosophie des Schmucklabels Taj. Silberwaren, alter Schmuck und Kronleuchter bekommen ein zweites Leben. Alle verwendeten Edelsteine werden synthetisch hergestellt, um die Erde vor den ökologischen und sozialen Belastungen des konventionellen Edelsteinbergbaus zu bewahren. Jedes Schmuckstück aus recyceltem Gold und Silber wird so gleichzeitig zu einem Talisman, der Schutz und Glück bringt. Hergestellt in indonesischer Handwerkskunst, designt in den Niederlanden.

In Wien verwandeln Langzeitarbeitslose bzw. Menschen mit Behinderung, Drogenvergangenheit oder psychischen Problemen in der TrashDesignManufaktur unter fachkundiger Leitung Schrott zu neuen Möbeln, Geschirr und Schmuck. Auch der amerikanische Designer Nicholas Heckaman (The Ring Tree) fertigt aus alten amerikanischen oder britischen Münzen Ringe, auf denen wesentliche Elemente der ursprünglichen Geldmünze wie die Prägung erhalten bleiben. Als Ausgangsmaterial für Schmuck wird auch Elektroschrott genutzt. Das zeigt eine italienische Designerin, die Schönes aus alten, elektronischen Bauteilen fertigt: Ringe, Armreife und Kettenanhänger - Paola Mirai bietet auch öffentliche Workshops an. Wer lieber fertigen Elektroschmuck erwerben möchte, kann Einzelstücke aus der Kollektion Cirkùita online kaufen. Der Online-Shop Sinfinis bietet deshalb nicht nur Produkte vieler Labels an, die komplett oder zu großen Teilen aus recycelten Materialien bestehen. Schmuck aus recyceltem Silber und Gold beispielsweise.

Die beiden Schwestern Nora und Clara vertreiben unter der Marke Pikfine selbst produzierte Lederwaren und Artikel kleiner deutscher Familienbetriebe. Bei allen Rohstoffen legen sie Wert auf nachhaltige Gewinnung und Produktion. Die angebotenen Schmuckstücke stammen aus kleinen deutschen Traditionsbetrieben, die auf langjährige Erfahrung zurückblicken. Das verwendete Gold und Silber ist entweder fair gehandelt oder recycelt. Die filigranen Ohrstecker und Kettenanhänger sind zumeist vergoldet oder versilbert.

Die bei Concrete Jungle angebotenen Schmuckstücke sind aus Beton gefertigt. Die Langlebigkeit und besondere Textur dieses Materials machen aus jedem Stück ein Unikat. Ein besonderer Hingucker sind die eingearbeiteten Splitter aus Edelsteinen, Edelmetallen, Kristallen oder durch ein spezielles Verfahren re-/upcycelte Plastikfolien. Das Ziel der Gründerinnen von Jyoti ist es, Frauen in Indien zu stärken und ihnen ein festes Einkommen zu fairen Bedingungen zu sichern. Neben Kleidungsstücken findet man im Onlineshop auch filigranen Messingschmuck aus Indien. Gefertigt wird er von der kleinen Kunsthandwerkerfamilie Mahwani in Pushkar (Rajasthan) in Nord-Indien. Sie ist seit drei Generationen in der Schmuckherstellung tätig und stellt in Anlehnung an den traditionellen Rajasthanischen Stil einzigartigen Kreationen her.

Die österreichische Gold- und Silber-Scheideanstalt Ögussa ist seit 2015 für ihre 100%-Recyclingmetalle "RCJ Chain of Custody"-zertifiziert und stellt mit chargenbezogenen Zeugnissen die physische Rückverfolgbarkeit ihrer zertifiziert konfliktfreien Lieferkette durch akkreditierte Drittautoren sicher. RCJ steht für den nicht gewinnorientierten Responsible Jewelry Council mit Sitz in London. Weltweit hat der RCJ 700 Mitglieder, von denen 31 die strenge Chain of Custody-Zertifizierung ihres Materials erreicht haben. Seit Februar 2016 bietet die Ögussa als sog. "Authorized Operator AT20012" ihren Industrie- und Gewerbekunden Fairmined Gold an (zertifiziertes Gold aus verantwortungsvollem Kleinbergbau, derzeit aus Minen in Peru, Kolumbien und der Mongolei). Es wird nach dem von der Alliance for Responsible Mining (ARM) entwickelten “Fairmined Standard“ produziert, gehandelt und verarbeitet. Gefördert wird die soziale Entwicklung und Umweltschutz im Kleinbergbau. Die Kleinbergbauorganisationen erhalten einen Mindestpreis und eine Fairmined Prämie, mit der Gold- und Schmuck-KäuferInnen aktiv zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Kleinbergbaufamilien beitragen.

All diese Gestalter zeigen mit ihren Designprodukten, dass sich nachhaltige Kreisläufe an Vernunft, Klugheit und gesellschaftlichen Fundamenten messen, die sich buchstäblich als „tragfähig“ erweisen in Zeiten tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen, Komplexität und Instabilität.

Weiterführende Informationen:

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Circular Thinking 21.0: Wie wir die Welt wieder rund machen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Karin Ceballos Betancur: Sagt, was drin ist! In: DIE ZEIT (28.11.2019), S. 72.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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