Trigema: Wolfgang Grupp tritt zum Jahresende ab
Der meinungsstarke Familienunternehmer hat lange gebraucht, die Führung zu übergeben. Was sich nun bei Trigema ändern dürfte - und was nicht.
Düsseldorf. Seit vielen Jahren hat Trigema-Chef Wolfgang Grupp offengelassen, wer ihm an der Spitze des Textilherstellers nachfolgen wird. Nun hat der 81-Jährige eine Entscheidung getroffen. Wie Trigema am Dienstag mitteilte, wird er am 1. Januar die Firma an seinen Sohn Wolfgang und seine Tochter Bonita übergeben.
Wolfgang junior wird dabei eine herausgehobene Position bekleiden. Als persönlich haftender Gesellschafter und Geschäftsführer soll der 32-Jährige die Gesamtverantwortung übernehmen. Seine 34-jährige Schwester Bonita wird Mitglied der Geschäftsführung. „Ich vertraue ihren Fähigkeiten, den Fortbestand des Unternehmens zu gewährleisten und Trigema in eine sichere Zukunft zu führen“, sagte Grupp senior. Seine Frau Elisabeth Grupp bleibt als Gesellschafterin im Unternehmen tätig.
Bonita und Wolfgang Grupp arbeiten nach einem Studium in London seit zehn und neun Jahren bei Trigema. Die Firma wird zudem künftig als Kommanditgesellschaft weitergeführt.
Es ist eine Zäsur, nicht nur für das 104 Jahre alte Unternehmen aus dem baden-württembergischen Burladingen. Kaum ein anderer hat das Bild des Familienunternehmers in Deutschland so geprägt wie Wolfgang Grupp. Millionen sehen den meinungsstarken Trigema-Chef regelmäßig vor der „Tagesschau“ in den markanten Werbespots mit dem Affen und wissen, dass Trigema als „einziges deutsches Textilunternehmen komplett in Deutschland fertigt“.
Er ist Dauergast in Talkshows und sorgt heute auch in digitalen und sozialen Medien für Aufmerksamkeit für seine Firma. Während die allermeisten Unternehmer die Öffentlichkeit scheuen, gibt es bei den Grupps Homestorys und Geschichten über den englischsprachigen Butler.
Wolfgang Grupp habe wie kein anderer schon früh verstanden, dass „Menschen Menschen folgen“, sagt Philip Hitschler-Becker, geschäftsführender Gesellschafter des Süßwarenherstellers Hitschler, der die Familie schon lange und gut kennt.
Ein Unternehmer aus der Modebranche, der nicht genannt werden will, ergänzt: „Wolfgang Grupp ist ein honoriger Kaufmann alter Güte und Klasse.“ Er habe über die offensive Vermarktung seiner eigenen Persönlichkeit die Marke Trigema aufgeladen. „Das ist eine Strategie, der ich großen Respekt zolle.“
Trigema-Chef Wolfgang Grupp kritisiert René Benko schon lange
Immer wieder rückt Grupp dabei die Belange der Unternehmen in das Licht der Öffentlichkeit. So löste er Anfang Oktober eine Debatte über die Rolle des Homeoffice aus. Im Interview mit dem „Tagesspiegel“ erklärte er, dass es dieses bei Trigema nicht gebe. „Wenn einer im Homeoffice arbeiten kann, ist er unwichtig“, sagte Grupp. Derzeit versuchen viele Unternehmen, ihre Mitarbeiter zurück in die Büros zu locken.
Ein Thema, über das Grupp besonders gerne spricht, ist der Standort Deutschland. Er sieht dabei vor allem Unternehmer und Manager in der Pflicht. Bereits im vergangenen Jahr kritisierte er den derzeit strauchelnden Immobilien-Unternehmer René Benko scharf, nachdem dessen Warenhauskette Galeria erneut Insolvenz angemeldet hatte. „Wo ist seine Verantwortung den Mitarbeitern gegenüber?“, fragte er im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Für Grupp ist unernehmerische Verantwortung ein Lebensmotto. Wer kleine Fehler nicht korrigiere, bekomme große Probleme. Daher fordert er eine Steuererleichterung für Unternehmer, die voll haften. Diese würden weit weniger Risiken eingehen und nicht „Insolvenz machen“, um die Fehler den Steuerzahlern aufzubürden.
Mit einer Unterbrechung zwischen 2003 und 2011 trägt Trigema die Bezeichnung „eingetragener Kaufmann“ im Firmennamen. Im Gegensatz zu einer GmbH haftet Grupp also mit seinem Privatvermögen, der Villa, der Jagd und den Ländereien.
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Wolfgang Grupp war prägend für Trigema und Burladingen
Grupp arbeite stets im Dienste des Unternehmens, erklärt Unternehmer Hitschler-Becker. Wer ihn in den Läden erlebe und gesehen habe, wie er mit Kunden kommuniziere, erkenne klar: „Diese extreme Kundenorientierung haben nur wenige Unternehmer.“
Mehr als ein halbes Jahrhundert hat Grupp nicht nur die Marke geprägt, auch den Ort Burladingen auf der Schwäbischen Alb, wo noch heute die Mehrheit der 1200 Angestellten arbeitet, darunter nur 38 Menschen in der Verwaltung. Als Grupp vor 54 Jahren das Unternehmen von seinem Vater übernahm, war Trigema – die Marke steht für Trikotwarenfabrik Gebrüder Mayer – verschuldet, der Umsatz lag bei weniger als zehn Millionen D-Mark.
Wolfgang Grupp schrieb statt seiner geplanten Doktorarbeit nach dem BWL-Studium fortan Rechnungen und schaffte den Turnaround, wurde 1975 zum größten deutschen T-Shirt- und Tennisbekleidungshersteller und irgendwann der einzige in Deutschland. Die Wertschöpfungskette bei Trigema liegt bei rund 80 Prozent: Das Unternehmen kauft Garne ein und Strick daraus Stoffe, veredelt, bedruckt oder bestickt sie und näht sie anschließend.
Und als der stets mit Anzug Krawatte und Einstecktuch gekleidete Unternehmer mit den Großkunden nicht mehr handelseinig wurde, kamen die eigenen Läden hinzu. Sie steuern rund 40 Prozent zum Umsatz von zuletzt 127 Millionen Euro bei. Weitere 40 Prozent davon erwirtschaften die Grupps online, die verbliebenen 20 Prozent mit anderen Kunden, zum Beispiel Fachgeschäften.
Nach eigenen Angaben hat Trigema seit 1969 keine Verluste gemacht, doch über die Gewinne spricht der Unternehmer nicht. Auch einen Geschäftsbericht muss er als eingetragener Kaufmann nicht veröffentlichen.
Wer Wolfgang Grupp besucht, findet ihn bislang in einem von zwei miteinander verbundenen Großraumbüros, in denen die Verwaltung untergebracht ist. Ganz hinten an einem weißen Schreibtisch, ohne Laptop, sitzt der Unternehmer. Zu seiner Rechten, so erklärte er im vergangenen Jahr beim Interview mit dem Handelsblatt, sitze seine Frau Elisabeth, die aber viel mit dem Hubschrauber unterwegs sei, weil sie für die 45 eigenen Läden – Testgeschäfte genannt – zuständig sei.
Zu seiner Linken arbeitet Sohn Wolfgang, der seit einigen Jahren die Bereiche B2B-Verkauf und Digitalisierung leitet. Und im anderen Teil des Großraumbüros, etwas weiter entfernt vom Vater, hat Bonita Grupp ihren Schreibtisch. Seit fünf Jahren leitet sie die Abteilungen E-Commerce, Marketing sowie Personal, die sie auch weiterhin verantworten wird.
Die Handschrift der Kinder ist bei Trigema erkennbar
Beide Kinder entscheiden schon lange mit, erzählte Grupp vor anderthalb Jahren. Und wer genauer hinsieht, erkennt ihre Handschrift: So schloss Trigema in diesem Jahr eine Kooperation mit der Streetwear-Marke „Live Fast Die Young“, Wolfgang junior postete den Firmenrundgang mit dem tätowierten Gründer Lorenz Amend in den sozialen Netzwerken.
Auch Bonita Grupp hat ihren Weg in die Öffentlichkeit gefunden, wenngleich weniger kontrovers als ihr Vater: Sie ist auf LinkedIn sehr aktiv und positioniert das Unternehmen auf Tiktok. „Das macht sie sehr professionell“, sagt Hitschler-Becker.
Bonita Grupp hat auch an dem Buch „Generation Verantwortung“ mitgeschrieben, in dem mehrere Dutzend Nachfolger ihre jeweilige unternehmerische Verantwortung erklären. Bonita habe alle Autoren in die Grupp-Villa eingeladen, berichtet Hitschler-Becker. „Das hätte sie nicht machen müssen, symbolisiert aber die großzügige Haltung und das Denken der Familie.“
Cousine Isabel Grupp aus der Geschäftsleitung des Kunststoffherstellers Plastro Mayer findet „diese Nachfolgeregelung äußerst gut durchdacht“. Es sei für „ein Familienunternehmen ein seltenes Glück, zu sehen, wie die nächste Generation die Verantwortung so professionell und reibungslos übernimmt.“
Bis heute gilt die Regel bei Trigema, dass Kindern von Mitarbeitern nach Abschluss der Schule ein Arbeitsplatz im Unternehmen garantiert wird. Dieses Versprechen hat Wolfgang Grupp bei seinen Kindern auch eingelöst.
Doch nun wird sich einiges ändern. Der eingetragene Kaufmann wird im Firmennamen verschwinden. Doch klar ist auch, so kündigte es der Senior bereits an, er wird weiterhin in die Firma kommen. Auch wenn seine Kinder jetzt entscheiden.
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