Lichtblick: Die „Neue Klasse“ von BMW bei der Automesse in Shanghai im April Foto: REUTERS
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Trotz Gewinneinbruch: Audi, BMW, Mercedes & Porsche finden neue Stärken in der Krise

Die Quartalsergebnisse von Audi, Mercedes, BMW und Porsche sind katastrophal. Aber was findet man, wenn man in den Zahlen nach Lichtblicken sucht? Eine Menge.

Man reibt sich die Augen in diesen Tagen. War Porsche nicht eben noch auf der selbstproklamierten „Road to 20“? Eine Umsatzrendite von 20 Prozent haben die Stuttgarter im Frühjahr 2023 den Anlegern versprochen, ein halbes Jahr nach dem Börsengang, ermutigt von einem Anstieg der Umsatzrendite von 16 auf 18 Prozent. Da schien die glorreiche 20 in Griffweite. Und die australische Sängerin Sia lieferte mit „Unstoppable“ den Soundtrack: „I’m unstoppable, a Porsche with no brakes“.

Doch plötzlich: Bremsmanöver, überall. In China, im Elektrosegment und – dank neuer Zölle – im Export. Gewinnrückgang bei Porsche im ersten Halbjahr 2025 im Segment Automobile (ohne Finanzdienstleistungen): 91 Prozent. Bei der Umsatzrendite scheint Porsche nun auf der „Road to 0“ unterwegs zu sein. Sie stürzte im ersten Halbjahr im Auto-Segment von über 16 auf rund 5 Prozent. Porsche spart, entlässt, schließt sogar einen Rückzug aus China, dem größten und dynamischsten Automarkt der Welt, nicht aus.

Unstoppable – im Rückwärtsgang.

Volkswirtschaftlich gesehen wäre das nicht so schlimm, ist Porsche doch eher ein kleines Licht in der Autowelt. Doch den anderen deutschen Premiumautomarken geht es leider ähnlich. Die katastrophalen Halbjahreszahlen, die Audi, BMW und Mercedes in der vergangenen Woche verkündetenBMW konnte sich mit einem Gewinneinbruch von 29 Prozent als Sieger unter den Verlierern feiern lassen – werfen eine Frage von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung auf: Ist nun der Automobilbau in Deutschland in Gänze in Gefahr? Denn klar ist schon länger, dass sich hierzulande wegen des hohen Lohn- und Kostenniveaus nur noch die Produktion von Premiumfahrzeugen rechnet. Was aber, wenn auch das nicht mehr gilt?

Das Autoland blickt in diesen Tagen in einen schwarzen Abgrund – was aber nicht heißen sollte, dass man die Augen vor dem Licht verschließen sollte. Denn auch das gibt es da unten. Wer die Halbjahresbilanzen genau liest, findet erstaunliche Hoffnungsschimmer: starke Produkte, führende Innovationen, echtes Wachstum.

Audi: Vorsprung in Reichweite

Die Ingolstädter haben sich vom Abgasskandal nie erholt, wandeln seit Jahren im Tal der Tränen, suchen den verlorenen „Vorsprung durch Technik“. Aber: Sie suchen neuerdings mit Verve. Im unabhängigen Innovationsranking Automotive-Innovations (Center of Automotive Management, Bergisch Gladbach) konnte Audi zuletzt alle anderen Premiumhersteller deklassieren. Mit 74 Punkten liegt Audi 2025 klar vor Mercedes (57), Nio (54) und etlichen weiteren chinesischen Marken und sowieso vor Tesla (30).

Innovationsführer Audi Foto: AUDI AG/Audi AG/obs

Das ist die Premiumwelt. Bei den Volumenmarken liegt die Audi-Schwestermarke VW vorn, was für Audi von großem Vorteil sein dürfte, weil man sich die Innovationen im Konzern oft teilt. Und dann gibt es noch die Elektro-Innovationen, für die ein eigenes Ranking existiert. Und siehe da, Audi liegt hier hinter Nio auf Platz 2, zwar bedrängt durch Tesla und etliche chinesische Marken – aber immerhin.

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Hat da jemand vielleicht bald wieder den „Vorsprung durch Technik“?

Nun helfen Innovationen wenig, wenn man sie nicht verkauft. Aber auch an der Verkaufsfront überrascht Audi positiv – nicht generell, punktuell aber schon. So liegen die Bestellungen für Elektromodelle im zweiten Quartal 70 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Die neuen E-Modelle aus Ingolstadt scheinen gut anzukommen. Verkauft wurden in den zurückliegenden drei Monaten 32 Prozent mehr rein elektrische Autos als im selben Zeitraum 2024.

Weltweit konnte Audi im ersten Halbjahr 2025 nur 794.000 Autos ausliefern, das waren rund 50.000 weniger als im Vorjahreszeitraum. Aber: Der Umsatz erhöhte sich von 27,5 auf 29,3 Milliarden Euro. Audi konnte also mehr Geld pro verkauftem Auto verlangen, was dafür spricht, dass der Hersteller es schaffte, größere und besser ausgestattete Autos zu verkaufen und dass die Marke von den Kunden noch geschätzt wird.

Das gilt sogar für den chinesischen Markt, wo Audi zweifellos abgestürzt, aber zumindest noch ein wichtiger Player ist: 289.000 Autos konnte die Audi-Gruppe dort im ersten Halbjahr 2025 verkaufen und damit immerhin fast dreimal so viele Fahrzeuge wie in Deutschland. Audi verlor in China beim Absatz rund zehn Prozent – BMW aber fast 16 Prozent, Mercedes rund 14 Prozent.

Mercedes: Hoffnungsträger CLA

Zugegeben, bei Mercedes ist die Suche nach Lichtblicken schwierig. Der Konzern hat sich mit seiner Luxus-Strategie und dem selbst verordneten, möglichst schnellen Abschied vom Verbrenner keinen Gefallen getan. Denn das Luxussegment – Mode, Schmuck, Kosmetik – darbt gerade weltweit und kennt mit Ausnahme weniger Marken fast nur Verlierer.

Große Show: Der neue Mercedes-Benz CLA in der chinesischen Langversion wird auf der Messe Auto Shanghai 2025 präsentiert. Foto: Johannes Neudecker/dpa

Bei Mercedes kommt hinzu, dass der Autobauer die Gesetzmäßigkeiten des Luxus-Business nicht so recht verstanden hat oder sie nicht konsequent auf die Autowelt übertragen kann. Zudem können Luxus und E-Autos bislang nur schwer unter einen Hut gebracht werden. Denn eine mechanische Luxusuhr oder ein Verbrenner-Luxusschlitten können ohne größeren Wertverlust etliche Jahrzehnte alt werden. E-Autos dagegen werden mit ihrer Elektronik und ihren Batterien bislang eher wie Smartphones gesehen – heute hip, in wenigen Jahren aber vielleicht schon wertlos.

Schwache China-Zahlen und die neuen US-Zölle belasten Mercedes zusätzlich. Aber es gibt zwei Lichtblicke, und zwar genau dort, wo Mercedes liefern muss und traditionell immer geliefert hat: bei der Ingenieurskunst.

Mercedes ist beim autonomen Fahren erstaunlich weit vorn, hat als einer von ganz wenigen Anbietern teilautonome Autos im Angebot. Und neuerdings spielen die Stuttgarter auch beim Elektroantrieb ganz vorne mit: Der Mercedes CLA, der in dieser Woche erstmals ausgeliefert wird, könnte eines der besten E-Autos am Markt sein, mit sensationell niedrigem Stromverbrauch, einer Reichweite von fast 800 Kilometern, einem extrem leistungsfähigen Infotainment und einem von Mercedes selbst programmierten Betriebssystem.

Sollte das Auto so gut sein, wie Experten erwarten, wäre das eine Weichenstellung für Mercedes: Dann dürfen auch die Erwartungen für die nächsten Modelle hoch sein. Die Nachfrage nach dem CLA jedenfalls lässt hoffen. Wer das Auto im Sommer bestellte, muss aufgrund der hohen Nachfrage mit einem Auslieferungsdatum im nächsten Jahr rechnen. Mercedes will in der zweiten Jahreshälfte die Produktion vom Zwei- auf einen Drei-Schicht-Betrieb umstellen. Produktion rund um die Uhr, so soll es sein.

BMW: Cool durch die Krise

Wie es Mercedes gehen könnte, wenn Vorstandschef Ola Källenius strategisch alles richtig gemacht hätte, zeigt BMW. Die Münchner erleben die gleiche Branchenkrise wie Mercedes und können trotzdem gut Kurs halten. Sie verlieren weniger beim Gewinn als alle anderen deutschen Premiummarken, bleiben mit 6,2 Prozent Umsatzrendite im ersten Halbjahr gut profitabel. Das zeigt: Selbst extreme Krisen kann ein deutscher Premiumhersteller hochprofitabel überstehen. In China, wo gerade fast alle einheimischen Autobauer Verluste erzielen, dürfte das mit Neid beobachtet werden.

Was aber noch mehr erfreut, ist der Ausblick, den BMW bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen gab: Der Absatz soll leicht steigen, der Gewinn auf Vorjahresniveau liegen.

Mehr BMW-Fahrzeuge auf den Straßen: Der Absatz des Herstellers soll in diesem Jahr steigen. Foto: REUTERS

Zudem zeichnen sich bei der Technik große Sprünge ab. Durch die Umstellung auf eine neue Batterieart will BMW ab diesem Jahr in der Lage sein, Autos mit 30 Prozent größerer Reichweite, 30 Prozent schnellerem Laden und 20 Prozent höherer Verbrauchseffizienz anbieten zu können. Und vor allem: Die Kosten für die Batterie – das mit Abstand teuerste Teil eines E-Autos – sollen um 40 bis 50 Prozent sinken. Weil BMW, anders als etwa Tesla, bei solchen Ankündigungen auch meist Wort hält, ist der Ausblick imposant.

Die Kostensenkungen verstärken einen Trend bei den deutschen Herstellern: Bislang sahen sie hohe E-Auto-Verkäufe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn mit E-Autos verdienten sie aufgrund höherer Produktionskosten deutlich weniger als mit Verbrennern. Das aber ändert sich gerade und spielt Konzernen wie BMW und VW, die bei E-Autos stark sind, in die Karten.

Porsche: Luxus lohnt sich

Und die Zuffenhausener mit ihrer „Road to 20“? Sie haben das gleiche Problem wie Mercedes: Schnelle Elektrifizierung verträgt sich nicht mit dem Anspruch, Renditen wie die Luxusgüterindustrie zu erwirtschaften. Sie müssen deshalb das Geschäft mit benzingetriebenen Top-Sportwagen ausbauen und zugleich versuchen, auch aus E-Modellen langlebige Sammlerobjekte zu machen. Anders als bei Mercedes ist bei Porsche aber wenigstens erkennbar, wie diese Luxus-Strategie künftig aussehen soll.

So wird Porsche etwa die Individualisierungs-Möglichkeiten ihrer Modelle weiter ausbauen. Schon heute bietet Porsche mehr als 1000 zusätzliche Ausstattungsmerkmale an, die in der sogenannten „Porsche Exclusive Manufaktur“ hergestellt werden – etwa mit dem Namen des Besitzers verzierte Sitze. Mit solchen Optionen erzielt Porsche extreme Gewinnmargen. Möglich ist in der Manufaktur fast alles, von exklusiven Details bis hin zum Aufbau von Werksunikaten. In den vergangenen fünf Jahren habe sich der durchschnittliche Umsatz pro Fahrzeug mit Porsche-Exclusive-Manufaktur-Optionen verdoppelt, ließ der Hersteller bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen wissen. „Um künftig noch mehr individuelle Kundenträume zu erfüllen, soll die Kapazität der Exclusive Manufaktur perspektivisch deutlich erweitert werden“, kündigte Porsche an.

Ein Porsche 911: Neue Varianten des Klassikers sollen Porsche in Zukunft helfen. Foto: REUTERS

Eine weitere Möglichkeit, enorme Margen zu erzielen, sind besonders teure Derivate legendärer Modellreihen. Auch dieses Geschäft will Porsche ausweiten – mit „renditestarken und begeisternden Kleinserienmodellen“ des Modells 911. So werde die Sportwagen-Ikone in einer „limitierten Heritage-Kleinserie der Porsche Exclusive Manufaktur den Stil der 1970er-Jahre wiederaufleben lassen“. Zudem werde die 911er-Palette mittelfristig ein weiteres Top-Modell erhalten, „mit dem die Messlatte im Sportwagensegment weiter nach oben gelegt wird“.

So kann man Geld verdienen. Und wer weiß – wenn das funktioniert, wirkt das „Road to 20“-Ziel gar nicht mehr so lächerlich. Porsche jedenfalls sieht es so. „Langfristig halten wir an unserer grundsätzlichen Ambition von mehr als 20 Prozent Konzernumsatzrendite fest“, sagt Finanzvorstand Jochen Breckner. „Mittelfristig streben wir wegen des herausfordernd bleibenden Umfelds 15 bis 17 Prozent an.“

Na wenn das kein Lichtblick ist.

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