Die Marke glänzt im europäischen E-Auto-Markt Foto: PICTURE-ALLIANCE / DPA (4)
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Trotz Milliardenverlust: VW gelingt die Wende zur Elektromobilität

Volkswagen schockt mit üblen Geschäftszahlen für das erste Halbjahr. Doch hinter der traurigen Kulisse versteckt sich eine historische Erkenntnis.

Über die Transformation der deutschen Autoindustrie wurde lange und viel gesprochen. Spätestens seit 2012, als Tesla das erste Massenmodell (Model S) auf den Markt brachte, diskutiert das Autoland die Frage, wie es in dieser neuen Ära bestehen kann. Ausgerechnet in diesem Sommer, in dem Volkswagen in einer der tiefsten Krisen seiner Firmengeschichte versinkt, wird klar: Die Transformation beim größten Autobauer des Landes ist weder komplett noch ist sie perfekt – grundsätzlich aber ist sie gelungen.

Zugegeben, das klingt etwas absurd. Volkswagen vermeldete gerade einen Gewinneinbruch von 33 Prozent für das erste Halbjahr, der einstige Renditechampion Porsche konnte im zweiten Quartal nur mit Ach und Krach rote Zahlen vermeiden und der VW-Konzern musste seine Gewinnprognosen für 2025 kassieren. Der Autobauer ist in seinen Grundfesten bedroht und hätte deshalb auch eine klare und kompetenten Steuerung durch die Eigentümerfamilien Porsche und Piech dringend nötig – die aber ist nicht in Sicht. Trotz allem beweist der Konzern gerade, dass er Zukunft kann.

VW lässt Tesla leiden

Im laufenden Jahr hat Tesla in Europa 33 Prozent weniger Autos verkauft als im Vorjahr. Dabei lautete der ursprüngliche Plan für dieses Jahrzehnt: jedes Jahr plus 50 Prozent. Die Marke VW dagegen hat im ersten Halbjahr in Europa bei Elektroautos um satte 78 Prozent zugelegt. Noch stärker waren die Volkswagen-Töchter. Audi: Plus 53 Prozent. Cupra: Plus 109 Prozent. Skoda: Plus 147 Prozent. Porsche: Plus 318 Prozent. Tesla, über Jahre Vorbild und Schreckgespenst der Wolfsburger, strauchelt – auch, weil die Europäer lieber Produkte des VW-Konzerns kaufen. Das muss man erst mal hinkriegen.

So kann VW-Chef Oliver Blume den schlechten Halbjahreszahlen entgegenhalten: „In Europa haben wir unsere Spitzenposition auch in der Elektromobilität mit 28 Prozent Marktanteil ausgebaut. Unsere Auftragsbücher sind gut gefüllt.“ Dieser „positive Trend“ werde sich, verspricht Blume, „im zweiten Halbjahr fortsetzen“.

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Ausgerechnet die Elektromobilität wird zum Anker und Hoffnungsträger. Dass Volkswagen, anders als etwa Tesla, auch das Alte kann – Benziner, Diesel – ist eine zusätzliche Beruhigung. Volkswagen kann gute Autos bauen und findet Käufer, ist im Kern also gesund. Natürlich muss der Konzern sparen, natürlich sind der Markt in China und die Zölle der Amerikaner eine Katastrophe und ganz offensichtlich sind die einstiegen Gewinnmaschinen Audi und Porsche völlig aus dem Takt geraten. Aber das ändert nichts daran, dass die Transformation gelungen ist: Volkswagen kann bei E-Autos das sein, was es auch beim Verbrenner war: ein großer, zuverlässiger, innovativer Marktführer.

Um bei Elektroautos vorn mitspielen zu können, sagt Automobilwirtschafts-Professor Stefan Bratzel, müssten die Hersteller vor allem bei Kriterien wie Reichweite, Stromverbrauch und Ladeleistung stark sein. Je innovativer die Hersteller hier seien, umso stärker seien sie auch beim Absatz. Das zeigen Innovationsrankings, die Bratzel regelmäßig erstellt. Von 2016 bis 2020 war Tesla klar führend bei den Absatzzahlen und ebenso bei der von Bratzel gemessenen Innovationsstärke. Im Zeitraum 2020 bis 2024 jedoch verlor Tesla an Innovationsstärke – und so schrumpfte auch der Absatzvorsprung.

Bei den Hauptwettbewerbern BYD und Volkswagen, so Bratzel, stelle sich die Situation genau umgekehrt dar: „Mit deutlich zunehmenden Innovationsstärken gehen steigende BEV-Absätze einher. Bei BYD hat sich die Innovationskraft von 2020 bis 2024 im Vergleich zum vorherigen Zeitraum sogar knapp verdoppelt, bei Volkswagen immerhin um fast 50 Prozent gesteigert.“

Bei Innovationen ungeschlagen

Das Ergebnis: Unter den Volumenmarken liegt Volkswagen aus Innovationssicht im Bereich der Elektromobilität heute vorn. Mit einem Indexwert von 29,4 Punkten setzte sich der VW-Konzern in diesem Jahr an die Spitze des Rankings. „VW überzeugt mit gleich mehreren Weltneuheiten, die Maßstäbe im elektrischen Volumensegment setzen“, sagt Bratzel. So erhalte der neue ID.3 GTX eine leistungsstärkere Motorvariante in Kombination mit einer 79-kWh-Batterie und erreicht damit eine Reichweite von bis zu 604 km (WLTP) – „die höchste im Segment“, so Bratzel. „Gleichzeitig wurde die Ladeleistung auf 185 kW erhöht, was eine Ladegeschwindigkeit von 2,1 kWh/min ermöglicht – ebenfalls ein Spitzenwert in dieser Fahrzeugklasse.“ Auch bei der Effizienz zeige VW seine technologische Stärke: „Der neue ID.7 Pro S kombiniert eine 86-kWh-Batterie mit einem minimalen Verbrauch von nur 13,6 kWh/100 km, dem niedrigsten im Segment.“

Auch bei den Premiummarken tut sich was: Die VW-Tochter Audi, die seit Jahren vor allem Negativschlagzeilen produziert, ist die innovativste Premiummarke in Bratzels Rankings, wenn man alle Innovationen betrachtet. Im Bereich Elektromobilität landet Audi auf Platz zwei hinter der chinesischen Marke Nio – und vor Tesla. Stimmt Bratzels Regel, dass auf Spitzenplätze bei den Innovationen später Spitzenplätze beim Absatz folgen, dann gilt auch für die arg gebeutelten Ingolstädter: Transformation gelungen.

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