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Der Vorstandsvorsitzende darf ab 2025 für die Jahre 2021 und 2022 auf eine Bonuszahlung von Millionen Euro hoffen. - (Foto: dpa)
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Trotz Staatshilfen: Lufthansa-Vorstand soll Millionen-Boni erhalten

Trotz staatlicher Hilfe in der Coronazeit sollen die Lufthansa-Manager zusätzlich vergütet werden. Arbeitnehmervertreter sehen einen möglichen Verstoß gegen das Boni-Verbot.

Frankfurt, Berlin. Im Aufsichtsrat von Lufthansa schwelt ein Streit über Boni für die Vorstände des Konzerns. Wie das Handelsblatt aus Unternehmenskreisen erfuhr, soll das Topmanagement trotz der Beanspruchung von Staatshilfe in der Vergangenheit Bonuszahlungen für die Jahre 2021 und 2022 bekommen. Das habe der Aufsichtsrat während einer Sitzung Anfang Dezember beschlossen.

Doch einige Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hätten gegen das Vergütungssystem gestimmt, sagten mehrere Quellen aus dem Unternehmensumfeld dem Handelsblatt. Sie halten die Zahlung für einen Verstoß gegen das Verbot von Bonuszahlungen während der staatlichen Rettung. Lufthansa hatte Staatshilfen über neun Milliarden Euro genutzt, um eine Insolvenz infolge der Coronakrise zu verhindern.

Ein Sprecher des Konzerns widersprach der Auffassung der Arbeitnehmervertreter. Bei den Zahlungen handele es sich nicht um einen rückwirkenden, sondern um einen Langfristbonus. Dieser werde erst ab 2025 ausbezahlt, wenn bis dahin alles gut laufe. Er verwies auf ein Gutachten, das der Aufsichtsrat in Auftrag gegeben habe und das diese Auslegung unterstütze.

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Lufthansa: Vorstand darf auf hohe Boni für Corona-Zeit hoffen

Zudem habe der Vorstand in den Jahren 2020 und 2021 so stark auf Gehalt verzichtet wie keine andere Berufsgruppe, sagte der Sprecher. Im Vergleich zum Salär im Vorkrisenjahr 2019 schrumpfte die Vergütung von Konzernchef Carsten Spohr im Jahr 2021 um fast 70 Prozent.

Nun darf er ab 2025 für die Jahre 2021 und 2022 auf eine Bonuszahlung von mehreren Millionen Euro hoffen.

Dabei hatte der Tagesordnungspunkt für die Sitzung des Lufthansa-Aufsichtsrats am 8. Dezember in Frankfurt zunächst wenig aussagekräftig geklungen. „Vorstandsangelegenheiten“ stand da unter TOP 3. Doch dahinter verbarg sich ein sensibles Thema: Es ging um einen Long-Term-Incentive(LTI)-Plan für das Topmanagement von Europas größtem Luftfahrtkonzern. Er legt die variable Vergütung für die Jahre 2021 und 2022 und dann weiter bis 2024 fest.

Eigentlich hatte der Aufsichtsrat diesen Plan schon 2021 verabschiedet – und den Vorständen um Konzernchef Spohr so klare Ziele gesetzt. Vor allem die Rückführung der Finanzhilfen und die Rückkehr in die Gewinnzone stehen seitdem im Pflichtenheft. Geld gab es für das Erreichen dieser Ziele bislang allerdings nicht.

Nun wird das LTI-Programm auch finanziell wieder aktiviert. Das Unternehmen begründet dies mit der Leistung des Managements. Die Lufthansa-Gruppe löste die Staatshilfen nach 18 Monaten ab, der Bund hat auch alle Anteile am Unternehmen wieder verkauft. Und für dieses Jahr rechnet Lufthansa mit einem bereinigten Vorsteuerergebnis von rund 1,5 Milliarden Euro.

Doch Teile des Aufsichtsrats überzeugt diese Argumentation nicht. Sie kritisieren nicht nur einen möglichen Verstoß gegen die Regeln für Unternehmen, die während der Coronakrise Staatshilfe bekamen – sie beklagen vor allem auch ein Missverhältnis zwischen Topmanagement und Belegschaft. Letztere wurde auf Kurzarbeit gesetzt. Zudem schrumpfte die Zahl der Arbeitsplätze von 138.000 Ende 2019 auf 108.000 im September dieses Jahres.

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Mittlerweile stellt der Konzern zwar wieder ein, 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden gesucht. Auch wurden in den letzten Monaten gut dotierte Tarifverträge geschlossen, um die hohe Inflation auszugleichen. Doch die Arbeitnehmervertreter verwiesen darauf, dass es für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen keinen Ausgleich für die schwierigen Jahre gibt.

Die Zahl der Arbeitsplätze im Konzern schrumpfte von 138.000 Ende 2019 auf 108.000 im September dieses Jahres. - (Foto: imago images/Marcel Lorenz)
Die Zahl der Arbeitsplätze im Konzern schrumpfte von 138.000 Ende 2019 auf 108.000 im September dieses Jahres. - (Foto: imago images/Marcel Lorenz)

Darauf angesprochen führte die Sitzungsleitung um Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley an, dass der Vorstand auf mehr verzichtet hätte als die einfachen Mitarbeiter. Untermauert worden sei diese Darstellung mit Powerpoint-Präsentationen, heißt es aus dem Umfeld des Aufsichtsratsrats. Doch die überzeugten offenbar nicht alle Anwesenden.

„Prozentual mag ein Vorstand im Coronajahr 2020 mehr verzichtet haben, allerdings verdient er auch mehr als ein Angestellter“, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person. Ein Sprecher von Lufthansa erklärte, man äußere sich nicht zu Angelegenheiten des Aufsichtsrats.

Olaf Scholz setzte sich für die Rettung der Lufthansa ein

In den Reihen der Bundesregierung könnte das Vorgehen für Verwunderung sorgen. Denn trotz politischer Widerstände hatte der Bund Lufthansa 2020 zusammen mit Hilfen in Belgien, Österreich und der Schweiz neun Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Zudem war der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes mit 20 Prozent beim Konzern eingestiegen.

Der damalige Finanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich persönlich in die Lufthansa-Rettung eingeschaltet. Inwiefern Manager von Unternehmen, denen der Staat in diesem Zusammenhang half, Boni erhalten dürfen, war eine der politisch umstrittensten Fragen.

Rein rechtlich aber ist es fraglich, ob der jetzige Lufthansa-Bonusplan tatsächlich gegen die Auflagen der Staatshilfen verstößt. In der 2020 geschlossenen Rahmenvereinbarung heißt es wörtlich: „Solange die Gesellschaft die Stabilisierungsmaßnahmen in Anspruch nimmt, dürfen Organmitgliedern (...) Boni, variable oder andere vergleichbare Vergütungsbestandteile nicht gewährt werden.“ Was in der Zeit danach passiert, ist dort also nicht explizit geregelt.

Das Boni-Verbot während der Staatshilfe bereitete dem Unternehmen von Beginn an Probleme. Da ein Ende der Pandemie zu der Zeit nicht absehbar war, verschreckte die Aussicht, für mehrere Jahre auf die erfolgsabhängige Vergütung verzichten zu müssen, Führungskräfte.

So gestaltete sich 2020 die Suche nach einem neuen Finanzvorstand – Ulrik Svensson hatte das Unternehmen aus gesundheitlichen Gründen verlassen – schwierig. Der heutige Finanzchef Remco Steenbergen musste wie alle Vorstände Gehaltseinbußen hinnehmen. Das akzeptierte er wohl nur, nachdem der Aufsichtsrat zu einer Sonderzahlung bereit war.

„Für den Verfall von Leistungen beim vorherigen Arbeitgeber hat der Aufsichtsrat Remco Steenbergen einen einmaligen Ausgleich in Höhe von 2.925.000 Euro brutto zugesagt“, heißt es im Geschäftsbericht 2021. Die Ausgleichszahlung würde in drei Raten in den Jahren 2021, 2022 und 2023 erfolgen.

Lufthansa-Vorstände stark von Boni abhängig

Die Vorstandsmitglieder von Lufthansa hängen stark an der variablen Vergütung, sie macht zum Teil über die Hälfte des Gesamtsalärs aus.

So bekam Konzernchef Spohr im Vorkrisenjahr 4,968 Millionen Euro, ohne den Versorgungsaufwand. 2020 verzichtete der Lufthansa-Chef wie alle Vorstandsmitglieder freiwillig auf 20 Prozent der Grundvergütung in den Monaten April bis September. Auch gab es ab dem Zeitpunkt der staatlichen Rettung keine variablen Bezüge.

Am Ende erhielt der CEO im Jahr 2020 ohne Versorgungsaufwand 3,83 Millionen Euro. Für 2021 weist der Geschäftsbericht für den Konzernchef ein Gehalt von nur noch 1,676 Millionen Euro aus, ein Minus von gut 66 Prozent gegenüber 2019.

Die nun beschlossene langfristige variable Vergütung legt laut Konzernkreisen als Basiswert für Vorstände 1,1 Millionen Euro pro Jahr fest, für 2022 erhalten die Manager zudem 600.000 Euro für kurzfristige Ziele. Läuft es gut, verdoppelt sich der Betrag.

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Und es läuft gut, überaus sogar: Die Auszahlung für die beiden Jahre liege bei rund fünf Millionen Euro für ein normales Vorstandsmitglied, heißt es in Konzernkreisen.

Mit der Leistung des gesamten Vorstands und von Vorstandschef Spohr soll der Streit über die Boni-Regelung denn auch nichts zu tun haben, erklärten mehrere Quellen dem Handelsblatt übereinstimmend. Zwar misslang dem Unternehmen in diesem Jahr der Neustart nach der Krise zunächst. Wie die gesamte Branche kämpfte Europas größte Airline-Gruppe mit teils massiven Verspätungen und Flugausfällen, Tausende Koffer blieben liegen. Doch mittlerweile sei die Leistung des Unternehmens gut, dies werde auch von allen Kontrolleuren anerkannt, heißt es.

Der Konzern baut derzeit sogar seinen Marktanteil in Europa wieder aus. So laufen vielversprechende Gespräche mit der italienischen Regierung über den Kauf der Fluggesellschaft ITA, der Nachfolge-Airline von Alitalia. Auch an der portugiesischen TAP soll das Management interessiert sein. Ein weiteres Ziel könnte die skandinavische SAS werden. Auch hat Lufthansa erst vor wenigen Tagen die Ergebnisprognose für das laufende Jahr angehoben.

Die Vorstände sollen denn auch nicht die Einzigen bleiben, die finanziell wieder bessergestellt werden. Auf der nächsten Hauptversammlung Anfang Mai 2023 sollen die Aktionäre einer Aufstockung der Aufsichtsratsvergütung zustimmen. Im Raum steht ein Zuschlag um ein Viertel. Davon würde auch Kley profitieren. Der 71-Jährige will erneut kandidieren. Das habe er zumindest während der Sitzung im Dezember so gesagt, wird im Umfeld des Konzerns berichtet.

Die Entscheidung darüber liegt zu einem guten Teil in den Händen des Hamburger Unternehmers Klaus-Michael Kühne. Mit einem Anteil von 17,5 Prozent ist er mittlerweile der größte Aktionär von Lufthansa und damit ein Taktgeber auf der Hauptversammlung. Mit Kley, so ist zu hören, verbindet ihn wenig.

Der Streit über das Bonusprogramm dürfte vorerst wohl weiter schwelen. Vermutlich werden Gewerkschaftsvertreter die Gelegenheit nutzen, um vom Management weitere finanzielle Zusagen zu bekommen – zum Beispiel einen Ausgleich für die allgemeine Kostenexplosion.

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