Trotzdem! Was unser Leben unabhängig macht
Die Frage „Warum“ ist keine „Erfindung“ der Generation Y – sie hat selbstbestimmte Menschen zu allen Zeiten bewegt. Der Buchstabe Y, im Englischen ausgesprochen wie „Why“, wurde von Pythagoras in seiner Doppelfunktion als Buchstabe und Signum erfunden. Die griechische Majuskel Y war Zeichen für das menschliche Leben, das sich am Scheidepunkt gabelte zwischen Tugend und Laster oder heilsgeschichtlich zwischen Erlösung und Verdammnis. Aber was braucht es für ein gelingendes Leben? Auch und vor allem: Intelligenz. Für die die amerikanische Publizistin und Essayistin Susan Sontag bedeutete intelligent zu sein nicht, etwas „besser“ zu machen. Vielmehr war es für sie die einzige Form der Existenz. Sie hatte immer Angst davor, passiv (und abhängig) zu sein. Wenn sie aber ihren Verstand einsetzte, fühlte sie sich „aktiv (autonom)“. Wer die Herausforderung der Gegenwart als Chance begreift, schafft sich die Rahmenbedingungen selbst, die er braucht, um voranzukommen. Denn es ist das Trotzdem, das die Menschen im Großen wie im Kleinen immer weitergebracht hat.
Natürlich ist allein handeln zu wenig – große Veränderungen gelingen nur in Gemeinschaft. Aber zuvor sollte sich jeder seiner selbst bewusst werden. Roman Herzogs berühmte „Ruck-Rede“ von 1997 ist vor diesem Hintergrund noch immer aktuell: „Wir müssen jetzt an die Arbeit gehen. Ich rufe auf zu mehr Selbstverantwortung. Ich setze auf erneuerten Mut. Und ich vertraue auf unsere Gestaltungskraft. Glauben wir wieder an uns selber. Die besten Jahre liegen noch vor uns.“
Ruck bedeutet damals heute: sofort etwas machen (auch wenn das Ergebnis unvollständig ist). Damit zusammen hängt die Dringlichkeit, die sich dann ergibt, wenn erkannt wird, dass jetzt gemeinsam gehandelt werden muss. Die Erhöhung ihrer Temperatur hat enormen Einfluss auf die Energie der gesellschaftlichen Veränderung. Ab einer bestimmten Temperatur entsteht die Bereitschaft, handfeste Beiträge zu leisten, anstatt nur zu reden. Den meisten Menschen genügt es nicht mehr, sich zu empören. Sie wollen sich zeigen und aussprechen, was sie nicht länger hinzunehmen bereit sind. Vor allem jungen Menschen ist der Klimaschutz ein besonders wichtiges Anliegen, denn mehr als anderen Generationen ist ihnen bewusst, dass gerade sie von den Folgen des fortschreitenden Klimawandels betroffen sein werden. Es genügt nicht, ihnen zu wünschen, dass es ihnen gelingen möge, die Probleme und Konflikte, die wir mit verursacht haben, zu lösen. Wir sollten ihnen möglichst viel Kraft und Zuversicht mitgeben, damit es ihnen auch wirklich gelingt.
Susan Sontag: The Doors und Dostojewski. Das Rolling-Stone-Interview mit Jonathan Cott. Hamburg 2014.
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.