Unerlaubte Fragen am Bewerbungsgespräch
Wurde Ihnen in einem Bewerbungsgespräch schon mal eine Frage gestellt, die Sie lieber nicht beantwortet hätten? Viele Bewerber wissen nicht, welche Fragen ihnen überhaupt gestellt werden dürfen. Wir klären nun auf. Rechtsanwalt Dr. Stefan Rieder kennt die rechtliche Situation in der Schweiz und verrät, was wirklich erlaubt ist und was nicht.
Grundsätzlich gilt: «Bei einem Bewerbungsgespräch darf das Unternehmen nur Personendaten erheben und bearbeiten, die der Abklärung der Eignung des Bewerbers für das Arbeitsverhältnis dienen.», so der Rechtsanwalt. Auf seine subjektive Neugierde muss das Unternehmen verzichten. Folgende Themen sind am Bewerbungsgespräch nicht erlaubt: Religionszugehörigkeit, sexuelle Ausrichtung, persönliche Einstellung (hinsichtlich Militär, Politik und Weltanschauung), Gesundheitszustand oder bestehende Schwangerschaft. Wenn diese Aspekte für die Ausübung der Arbeit eine Beeinträchtigung aufzeigen könnten, wie z.B. eine Schwangerschaft, sind solche Fragen ausnahmsweise zulässig. Auch Fragen zur politischen oder geistlichen Anschauung, wenn diese bei einem sog. Tendenzbetrieb entscheidend sind. Zum Artikel des Beobachters
Die juristische Grauzone: Bei Tätigkeiten ohne besondere Verantwortung müssen sich die Fragen auf den beruflichen Bereich beschränken. Bei Positionen, welche ein besonderes Vertrauen erfordern wie z.B. in der Führung, darf ein Bewerber in einem gewissen Mass auch hinsichtlich Charaktereigenschaften und privater Verhältnisse befragt werden. Gemäss Dr. Stefan Rieder kann es sich hierbei um eine Grauzone handeln, in der nicht immer alles erlaubt ist: Das Verlangen eines Straf- und Betreibungsregisterauszuges kann, ist aber nicht immer zulässig. Die Branche ist natürlich ebenfalls relevant: Während bei einem Bankangestellten Vorstrafen im Vermögensbereich relevant sein können (Verkehrsdelikte jedoch nicht), sind bei einem Berufschauffeur nur Verkehrsdelikte für die Eignungsabklärung von Bedeutung. Zum Artikel von 20 Minuten
Ihre Rechte als Bewerber: Bei einer unerlaubten Frage steht dem Bewerber die Möglichkeit einer Notlüge offen. Spricht er von sich aus Themen an, die eigentlich nicht erlaubt wären, dann müssen seine Ausführungen wahr und vollständig sein. “Entsteht aufgrund einer wahren Antwort eine Benachteiligung im Bewerbungsprozess, ist dies im Regelfall schwer beweisbar“, erklärt Stefan Rieder. Wenn unzulässige Fragen gestellt werden, kann dies grundsätzlich als Persönlichkeitsverletzung eingestuft werden und somit kann ein Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung bestehen. Solche Ansprüche hat Stefan Rieder erfahrungsgemäss jedoch als sehr schwer durchsetzbar erlebt. Mehr über die Persönlichkeitsverletzung und die damit verbundenen Rechtsartikel finden Sie hier:
Die Lösung? Anonyme Bewerbungen sollen verhindern, dass ein Mensch aufgrund seines Geschlechts, seiner Herkunft, seines Alters oder infolge anderer Faktoren diskriminiert wird. Eine gute Idee? Diskutieren Sie unter diesem Beitrag mit.
Dr. Stefan Rieder, Rechtsanwalt & Partner bei Bratschi AG in St. Gallen, berät nationale und international agierende Unternehmen an der Schnittstelle von Compliance, Arbeitsrecht und Datenschutz. Im Arbeitsrecht ist er sowohl beratend als auch prozessierend tätig.