Universal Robots wagt den nächsten Schritt: Neue Roboter können noch schwerere Lasten heben
Hersteller klassischer Industrieroboter dringen in das Segment der Cobots vor. Der dänische Weltmarktführer nimmt die Herausforderung an.
**München.**Universal Robots aus Dänemark hat vor rund 15 Jahren das neue Segment der kollaborierenden Roboter, sogenannter Cobots, begründet und verteidigt bis heute die Weltmarktführerschaft. Nun wagt das Unternehmen den nächsten großen Schritt.
Mit einer völlig neu entwickelten Plattform und einem ersten Modell mit einer Traglast von 20 Kilogramm, das am Dienstag zum Start der Messe Automatica in München präsentiert wurde, weitet das Unternehmen seine Modellpalette nach oben aus – und rückt so näher an die traditionellen Industrieroboterbauer heran.
„Für uns ist das ein enorm großer Schritt“, sagte Universal-Robots-Chef Kim Povlsen dem Handelsblatt. Man habe eine Lücke in der Modellpalette festgestellt. Es gebe in der Industrie viele Tätigkeiten, die Kraft erfordern und für die man immer schwieriger Beschäftigte finde. „Wenn Sie 800-mal am Tag Boxen heben, tut Ihnen abends der Rücken weh.“ Das neue Modell soll dem Menschen nun Aufgaben wie das Palettieren abnehmen.
Die Grenzen zwischen den kleinen Cobots, die direkt mit Menschen zusammenarbeiten, und den großen Industrierobotern verschwimmen derzeit zunehmend. So heben die kollaborierenden Roboter beispielsweise inzwischen größere Gewichte über weitere Arbeitsbereiche hinweg und arbeiten manchmal neben anderen Maschinen.
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Auf der anderen Seite setze sich die einfachere Programmierung, die vor allem im Cobot-Segment entwickelt wurde, auch zunehmend bei den klassischen Robotern durch, sagte Susanne Bieller, Geschäftsführerin des Weltbranchenverbands IFR. So wüchsen die Segmente stärker zusammen.
Auch Robotik-Experte und Berater Guido Bruch, Chef des KI-Start-ups Vischeck, sagt: „Cobots und Industrieroboter kommen sich immer mehr ins Gehege. Sie gleichen sich an.“ Die kollaborativen Maschinen würden immer schneller, wenn kein Mensch in der Nähe ist. Im Gegenzug könnten Industrieroboter inzwischen teilweise abbremsen, wenn sich ein Mensch nähere. Die ersten Hersteller kämen nun mit einheitlichen Betriebssystemen für alle Roboterklassen auf den Markt.
Traditionelle Roboterbauer dringen in das Cobot-Segment vor
Damit ist auch der Branchenpionier Universal Robots herausgefordert. Bislang bietet das Unternehmen Cobots mit einer Traglast von drei bis 16 Kilogramm an. Die kleinste Variante wiegt selbst nur elf Kilogramm und kann zum Beispiel auf einer Werkbank leichte Montagearbeiten übernehmen. Der UR16 ist rund 33 Kilogramm schwer und eignet sich zum Beispiel für die Maschinenbestückung.
Der neue UR20 nun hat eine Reichweite von 1,75 Meter und kann Teile bis zur Höhe einer Standard-Europalette von zwei Metern stapeln. Eingesetzt werden könnte er beim Palettieren, aber auch beim Schweißen oder der Maschinenbeschickung. Das Modell soll der „Startschuss für eine neue Serie leistungsstarker Cobots der nächsten Generation“ sein, so das Unternehmen.
Die traditionellen Roboterbauer bewegen sich derweil aus ihren angestammten Segmenten nach unten. Auch Kuka und Co. bieten leichter zu programmierende Roboter an und stoßen verstärkt von oben in das Cobot-Segment vor. „Wir wollen einer der führenden Cobot-Hersteller der Welt werden“, sagte ABB-Robotik-Chef Sami Atiya dem Handelsblatt, als er die neuen Modellfamilien vorstellte.
Ähnlich ambitioniert sind die Pläne des japanischen Roboterbauers Fanuc. „Mittelfristig wollen wir klarer Marktführer für Cobots in Europa werden“, kündigte Europachef Shinichi Tanzawa an. Auch Kuka hat eine Reihe von Cobots im Portfolio – zudem bieten die Hersteller auch traditionelle Roboter mit niedrigen Traglasten zum Beispiel für das Schutzgasschweißen oder das Kleben und Polieren an.
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Noch kommt Universal Robots, das inzwischen zum US-Elektronikspezialisten Teradyne gehört, laut Branchenschätzungen auf einen Marktanteil von etwa 50 Prozent. Die Umsätze der Dänen stiegen im vergangenen Jahr um 41 Prozent auf 311 Millionen Dollar.
Um seine starke Marktposition zu behaupten und die Wachstumsraten halten zu können, entschied sich das Unternehmen nun für die Einführung der neuen Serie. „Die Roboter sind genauso einfach zu programmieren, vieles wurde aber komplett neu entwickelt“, sagt Povlsen. Die neuen Cobots seien schneller, aber genauso sicher und für das Arbeiten neben dem Menschen geeignet.
Erstes Modell auf neuer Plattform
Absatzziele will der Konzernchef nicht nennen. „Das Interesse bei unseren Kunden ist aber groß.“ Die notwendigen Komponenten wie Chips für die Cobots zu bekommen sei eine tägliche Herausforderung. Bislang sei es aber gelungen, lieferfähig zu bleiben.
Der UR20 soll nur das erste Modell auf der neuen Plattform sein. Ob das nächste noch schwerere Lasten tragen kann, ist laut Povlsen noch nicht entschieden. „Das hängt von den Bedürfnissen unserer Kunden ab, wir werden das genau beobachten.“
Das Umfeld ist derzeit für alle Anbieter günstig. Wegen des Trends, Produktion in die Heimat zurückzuholen, und des Fachkräftemangels investieren die Unternehmen weltweit derzeit stark in Automatisierung. Der Absatz von Industrierobotern stieg im vergangenen Jahr um 27 Prozent auf 487.000 ausgelieferte Maschinen.
Von dem Trend profitiert auch die Branche in Deutschland. In den ersten vier Monaten legten die Auftragseingänge um 38 Prozent zu, wie der VDMA am Dienstag auf der Automatica berichtete. Für das Gesamtjahr erwartet der Branchenverband beim Umsatz nur ein vergleichsweise moderates Plus von sechs Prozent auf 14,4 Milliarden Euro.
Das liegt daran, dass die Bestellungen wegen des Teilemangels nicht so schnell wie gewohnt abgearbeitet werden können. „Jetzt gilt es, die Engpässe in den Lieferketten zu managen“, sagte Frank Konrad, Vorsitzender des VDMA-Fachverbands Automation und Robotik.
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