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Unsere Zukunft mit KI: Horrorszenario oder goldene Zeiten?

Zukunft passiert nicht einfach so, sie wird gemacht. Wer die Zukunft gestalten will, muss diese zunächst ergründen, muss Zukunftsverständnis entwickeln, muss Szenarien erstellen und panikfrei mit ihrer Hilfe erkunden, wie die Welt in fünf oder zehn Jahren aussehen könnte. Das betrifft insbesondere auch die KI.

Kennt ihr das Buch KI 2041? Darin geht es um zehn Zukunftsvisionen, die der preisgekrönte chinesische Science-Fiction-Autor Qiufan Chen in realitätsnahe, spannende Geschichten verpackt hat. Im Mittelpunkt jeder Geschichte steht eine im Jahr 2041 voraussichtlich verfügbare Technologie, die der taiwanesische KI-Experte Kai-Fu Lee anschließend erläutert.

Technologien an sich, so betont Lee, der leitend bei Microsoft, Apple und Google gearbeitet hat, sind wertneutral. Maßgeblich ist, mit welcher Absicht, mit wie viel Bedacht und welchem Verantwortungsbewusstsein sie erschaffen und dann eingesetzt werden. Bei allem Überschwang über Programmiererfolge müssen die Entwickler:innen und Entscheider:innen, so Lee, in den digitalen Macherfirmen neben dem Positiven, das sie uns bringen, immer auch die möglichen Langzeiteffekte mit einkalkulieren.

KI kann die Tür zu einer strahlenden Zukunft öffnen, unglaublichen Wohlstand schaffen, unsere Fähigkeiten durch Mensch-KI-Symbiose erweitern und uns in ein Zeitalter des Überflusses führen. KI kann allerdings auch zahllose Gefahren mit sich bringen, verursacht von Menschen, die KI in niederträchtiger Absicht, blauäugig und leichtsinnig nutzen. Denn hinter jedem Algorithmus stecken Interessen.

Horrorszenarien und KI-Terror sind kaum realistisch

Manche, ich will das hier nicht verschweigen, sehen eine eher düstere KI-Zukunft voraus, zum Beispiel die technologische Singularität. Den Zeitpunkt dafür hat der Futurologe und Transhumanist Ray Kurzweil, auch einst bei Google beschäftigt, auf 2045 vorausberechnet und das in seinem Buch Menschheit 2.0 ausführlich erläutert.

Es sei das Datum, so Kurzweil, zu dem künstliche Intelligenz die menschliche Intelligenz ganz und gar aussteche und den technologischen Fortschritt derart beschleunige, dass die Zukunft der Menschheit nicht mehr vorhersehbar sei, weil wir eine neue Zivilisationsstufe erreichen.

Ob überhaupt und wenn ja, wie genau das passiert, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Manche kommen mit den abstrusesten Dystopien daher. Hollywoodtesk sagen sie das Ende der Menschheit durch machthungrige Maschinen voraus. KI-gesteuerte Roboter würden uns vernichten, um den Planeten vor uns zu schützen. Oder sie würden uns in einen Menschenzoo sperren. Zumindest aber würde eine allmächtige KI uns versklaven, da sie uns ja haushoch überlegen sei.

Solche Szenarien, pechschwarz und bedrohlich, entfachen massenhaft Panik und sorgen für Hysterie. Einen schwereren Fehler kann es kaum geben, denn Dauerangst lähmt und macht dumm. Ein gesundes Maß an Wachsamkeit ist sicherlich sinnvoll. Doch derart destruktive Narrative sind schlechte Wegbegleiter, weil sie keinerlei Lösungen bieten, stattdessen aber vergiften und alles blockieren. Beides können wir, um die mächtigen Herausforderungen der Zukunft zu meistern, ganz sicher nicht brauchen.

Anastrophe oder Dystopie: Wir haben die Wahl

Wenn KI eines Tages nicht nur superintelligent, sondern auch weise ist, hat sie aus dem Vergangenheitsmaterial, mit dem sie trainiert wurde, (hoffentlich) auch das gelernt: Zusammenarbeit ist mächtiger als Konfrontation. Ein fruchtbares Miteinander trägt - auf Dauer betrachtet - reichere Früchte als Zerstörung, Kampf und Krieg. Das haben schon die ersten Menschengemeinschaften verstanden, sonst gäbe es uns heute nicht mehr.

Ergo: Gewaltfantasien und Dystopien sind in Filmen vielleicht spektakulär, im wahren Leben jedoch keine sehr kluge Wahl. Die Anastrophe beschreibt in der Soziologie eine Kehrtwende zum Guten. Und Menschen haben enormes Stehauf-Potenzial. Vor allem die Digitalisierung bringt sie voran.

So hat eine große Mehrheit der derzeitigen Gründer auf ihrer Jagd nach dem „Einhorn“ das Ziel, mit ihrem Wirken nicht nur Geld und Geltung anzusammeln, sondern auch Impact zum Wohl des Planeten zu stiften. Das Einhorn gilt ja als das edelste aller Fabeltiere und ist ein Symbol für das Gute. In der modernen Wirtschaft bezeichnet man mit diesem Begriff ein nicht börsennotiertes Startup mit einem Marktwert von mehr als einer Milliarde US-Dollar.

Die meisten von ihnen sind gut finanziert. Und sie sind Vorreiter in digitalen Technologien. Das Geld, das erfolgreiche Gründer verdienen, stecken sie nicht nur in die eigene Firma, sondern auch in weitere Startups. Oder sie werden zu Investoren in neu entstehenden Märkten. So verstärken sich die erwünschten Effekte.

Die Welt, in der wir arbeiten und leben werden

Digitalisierte Technologien sind die großen Transformatoren der Zukunft. Menschen, humanoide Roboter und künstliche Intelligenzen bewegen sich mit rasanter Geschwindigkeit aufeinander zu. Die komplette Verschmelzung der realen mit der virtuellen Welt, die Mixed Reality, ist in ersten Ausprägungen da.

Zum Beispiel werden uns Dinge nicht nur als Hologramme erscheinen, wir selbst können als Hologramm in physischen Räumen anwesend sein. Wir tummeln uns, auf Wunsch als supercoole Avatare hochgestylt, auf Holodecks und in dreidimensionalen Metaversen.

Im Gegensatz zum Zusammenkommen am Bildschirm sehen sich in einem virtuellen dreidimensionalen Raum die Avatare als ganze Personen, die sich frei und beinahe natürlich bewegen. Wir können ungezwungen mit ihnen interagieren, mit jedem Gegenstand in diesem Raum hantieren und alles aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Arbeitsorte und -materialien können mit wenigen Klicks für die jeweiligen Besprechungen oder Workshops gestaltet und eingebracht werden.

Sobald das Anfangsstadium des Erprobens überwunden ist, ermöglicht diese neue Art der Interaktion vielfältige Dimensionen des ortsungebundenen Miteinanderarbeitens und -lernens. „Hier ist jeder losgelöst von den Barrieren der eigenen Räumlichkeiten, von allzu vertrauten Umfeldern mit vorbelasteten Assoziationen und Ablenkungen. Keine Nachrichten auf dem Handy können einen erreichen oder E-Mails nebenbei auf dem Bildschirm auftauchen. Die menschliche Imagination ist in dieser Blase losgelöster und frei“, schreibt der Soziologe Thomas Druyen.

Virtuelle Realitäten: ein fester Bestandteil der Zukunft

Persönliche KI-Gefährten beginnen bereits damit, unser Leben und unsere Arbeit zu organisieren. Sie können uns zur Seite stehen, uns coachen, uns unterhalten und für uns einkaufen gehen. Nichtmenschliche Wirtschaftsakteure, Custobots genannt, sind mächtige Kunden der Zukunft, die völlig neue Vermarktungskonzepte erfordern. Bots werden mit Bots verhandeln. Das ist B2B auf eine ganz neue Art.

Virtuelle Realitäten sind ein fester Bestandteil der Zukunft. Immer ausgefeiltere XR-Technologien, das ist der Oberbegriff für ein ganzes Spektrum immersiver und interaktiver Technologien, werden individuelle Erfahrungen möglich machen, die wie eine parallele Wirklichkeit wirken. Jeder von uns kann, wie Alice, ins Wunderland gehen.

Hunderte von Menschen werden sich fortan gleichzeitig in virtuellen Showrooms treffen, an Konferenzen teilnehmen, ferne Länder und imaginäre Welten bereisen, virtuelle Konzerte und Ausstellungen gemeinsam besuchen, Gebäudekomplexe, Werksanlagen und das Innenleben von Maschinen virtuell inspizieren. Spannende Zeitreisen in die Vergangenheit und Zukunft werden erlebbar.

Sowohl dem schulischen als auch dem beruflichen Lernen bieten sich vielfältige neue didaktische Möglichkeiten. Virtuelle Firmenzentralen sind denkbar. All diese Entwicklungen haben Auswirkungen sowohl auf die Infrastruktur und Gebäudeplanung als auch auf die firmeninternen Arbeitslandschaften. Strömen Beschäftigte nur noch punktuell ins Büro, werden Städte zu DiMiDo-Städten werden, was bedeutet: Das geschäftige Leben konzentriert sich auf den Dienstag, Mittwoch und Donnerstag.

Quellenhinweis: Dies sind Ausschnitte aus meinem neuen Buch „Zukunft meistern“.

Anne M. Schüller schreibt über Touchpoint Management, Unternehmensführung, Kundenorientierung

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft.

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