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Verantwortung ist mehr als die Gesinnung, die sich auf das Gute richtet

Verantwortung schließt über die gute Absicht hinaus die Erkenntnis des Richtigen ein. Es ist allerdings sehr leicht, große Sätze darüber zu veröffentlichen.

Oft heißt es in Unternehmenspublikationen: „Wir sind uns unserer Verantwortung für Mensch, Gesellschaft und Mitarbeiter bewusst.“ – „Wir fühlen uns verantwortlich für die künftigen Generationen.“ Es fehlt das Präzise. „Verantwortung ist immer konkret. Sie hat einen Namen, eine Adresse und eine Hausnummer“, sagte der Philosoph Karl Jaspers. Der Begriff stammt aus dem Rechtswesen und wurde im Sinne von „be-antworten“ (der Angeklagten) verwendet. Verantworten bedeutete, „sich vor Gericht verteidigen“ (und vor Gott). Es geht nicht darum, in die Verantwortung „gezogen“ zu werden oder sich auf die Dummheit und Gemeinheit der anderen zu berufen, denn das ist, wie Theodor Heuss einmal sagte, „immer eine Flucht aus der eigenen Verantwortung.“ Häufig verweisen Menschen auch darauf, weisungsgebunden zu sein. Die Last der Entscheidung wird dann auf viele Schultern verteilt, um sie in der Unverbindlichkeit der Gruppe bequem abzulegen. Hier gibt es keine identifizierbaren Verantwortlichen, weil Verantwortung organisatorisch so aufgestellt ist, dass kaum eine Person wirklich Verantwortung trägt. Ein Mensch, der den Wert, sich verantwortlich zu fühlen, erkennt und verinnerlicht, dem ist es leicht möglich, sich in unserer komplexen Welt zurecht zu finden und ein guter Mensch zu sein. Das gelingt bereits durch kleine Schritte im Alltag, auf die US-amerikanische Sachbuchautorin und Journalistin Arianna Huffington in ihrem Buch „Die Neuerfindung des Erfolgs“ (2014) verwiesen hat:

  • verantwortungsvoll durch das Üben von Verantwortung

  • großzügig durch das Üben von Großzügigkeit

  • mitfühlend durch das Üben von Mitgefühl

  • wohlhabend durch das Üben des Schenkens.

Denn für alles braucht es heute Gründe, Erwartungen, Nachweise und Zwecke – als ob das Gute für sich genommen nicht schon gut genug ist. Auch der Begriff „Gutmensch“, der 2011 auf den 2. Platz bei der Wahl zum Unwort des Jahres kam, wird oft diffamierend verwendet. Aber eine nachhaltige Gesellschaft braucht Gutmenschen - auch weil ihre Handlungen nicht nur einmalig, sondern wirklich nachhaltig sind. Sie lehren uns, unsere „Wohltätigkeitsmuskeln“ regelmäßig zu trainieren. Wer sein Leben sinnvoll gestalten möchte, bewegt sich nicht nur um sich selbst, sondern richtet seine Aufmerksamkeit auf etwas, das über ihn hinausreicht und mit sozialen Erlebnissen wie Kooperieren, Teilen oder Engagement für andere verbunden ist.

Allerdings wird, wer selbstlos handelt und anderen einfach nur zugewandt ist und Gutes tut, von seinen Mitmenschen häufig belächelt. Denn für alles braucht es heute Gründe, Erwartungen, Nachweise und Zwecke – als ob das Gute für sich genommen nicht schon gut genug ist. Auch der Begriff „Gutmensch“, der 2011 auf den 2. Platz bei der Wahl zum Unwort des Jahres kam, häufig diffamierend verwendet. Aber eine nachhaltige Gesellschaft braucht Gutmenschen, weil ihre Handlungen nicht nur einmalig sind. Durch sie lernen auch viele andere, ihre „Wohltätigkeitsmuskeln“ regelmäßig zu trainieren. Wer sein Leben sinnvoll gestalten möchte, bewegt sich nicht nur um sich selbst, sondern richtet seine Aufmerksamkeit auf etwas, das über ihn hinausreicht und mit sozialen Erlebnissen wie Kooperieren, Teilen oder Engagement für andere verbunden ist.

Doch häufig handeln sie im Widerspruch zu ihren Wertvorstellungen und stehen zwischen dem Guten und dem Eigennutz. Denn Egoismus ist Teil der menschlichen Natur – die gut und böse zugleich ist. Armin Falk, Professor für Verhaltensökonomie an der Universität Bonn und Leiter des Institute on Behavior and Inequality (briq), erforscht, unter welchen Umständen Menschen bereit sind, sich moralisch zu verhalten und wann nicht. Er fragt beispielsweise: Würden Sie für 100 Euro ein Leben retten? Die Antwort scheint klar, denn wollen wir Menschen nicht immer das Gute? Doch zeigt er, dass Menschen oft das Gute wollen und es dann doch nicht tun – sie sind viel weniger gut, als sie denken. Was hindert sie daran, sich anständig und nachhaltig zu verhalten? Auf Ökostrom umstellen, kein Plastikgeschirr mehr nutzen, spenden, das Klima schützen, auf das Tierwohl achten …

Die Welt ist nicht nur schwarz-weiß, sondern auch grau. „Es ist ein Wechselspiel aus Situation und Persönlichkeit, das bestimmt, wie wir uns verhalten.“ Wenn wir das verstehen, so Falk, wird es uns leichter fallen, nicht nur uns selbst zu verändern, sondern auch die Rahmenbedingungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Lösung gesellschaftlich relevanter Probleme hängt seiner Meinung nach davon ab, ob und wie es uns gelingt, Eigeninteressen zurückzustellen und im Sinne des Gemeinwohls zu kooperieren. Menschen sind eher bereit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, wenn sie die Bereitschaft dafür auch bei anderen sehen, schreibt er in seinem aktuellen Buch „Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein. … und wie wir das ändern können“, in dem er ausführlich auf die genannten Studien und den Kampf gegen den Klimawandel eingeht.

  • In Gruppengefügen wird oft unmoralisch gehandelt, weil die Verantwortung nicht klar geregelt ist.

  • Unsere Bereitschaft Gutes zu tun, hängt maßgeblich davon ab, ob unser Verhalten von anderen beobachtet wird.

  • Ein sauberes, soziales Image und eine positive Fremdwahrnehmung sind zentraler Treiber für moralischen Handeln.

  • Wer glaubt, dass sich sein Umfeld klimafreundlich verhält, ist auch selbst eher dazu bereit („bedingte Kooperation“). Auch eingefleischte Gegner lassen sich dafür gewinnen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie das Gefühl haben, dass die gesellschaftliche Mehrheit dahintersteht.

  • Frauen lassen sich Klimaschutz mehr kosten lassen als Männer.

  • Durch Nicht-Wissen-Wollen und selektives Erinnern bei moralisch schwachen Entscheidungen betrügen wir uns selbst.

  • Die Angst, einen Verstoß zu begehen und dafür sanktioniert zu werden, führt dazu, dass Menschen Normen beachten. Staatliches Handeln kann dazu beitragen, sie zu verstärken.

  • Je mehr wir unserem idealisierten Selbstbild entsprechen wollen, desto moralischer ist unser Verhalten.

  • Unsere moralischen Skrupel verringern sich, wenn wir sehen, was andere für zulässig oder angemessen halten.

  • Aufgeklärte klimaskeptisch eingestellte Personen zeigten sich offener und solidarischer als nicht aufgeklärte Klimaskeptiker.

  • Armin Falk: Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein. … und wie wir das ändern können. Siedler Verlag, München 2022.

  • Bodo Greiff: Besichtigung eines Begriffs: Verantwortung in der Wissenschaft. In: Leviathan. 2/1998, S. 228-242.

  • Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Frankfurt/M. 1979.

  • Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. SpringerGabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2020.

  • Matthias Maring: Verantwortung. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Darmstadt 2001. Bd. 11, Sp. 569-575.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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