Vier Fähigkeiten, die Sie sich von Spitzensportlern abschauen können
Leistungssportler hören spätestens mit Ende 30 auf. Was danach kommt und wie sie Geld verdienen, müssen sie akribisch planen. Was lässt sich von ihnen lernen?
Frankfurt, München. Den bisherigen Höhepunkt seiner sportlichen Karriere erreichte der Kajakfahrer Jacob Schopf vor drei Jahren in Tokio, als die Olympischen Spiele während der Coronapandemie ohne Publikum stattfinden mussten. Dieses Jahr tritt der 25-Jährige erneut bei Olympia an.
„Die Vorfreude auf die Spiele in Paris ist noch einmal höher, weil wieder Zuschauer dabei sein können und daher zahlreiche Freunde und Verwandte zu meinen Wettkämpfen kommen werden“, sagt Schopf. Dieses Mal will er im Zweier- und im Vierer-Kajak an den Start gehen. Vor allem im Vierer rechnet er sich Medaillenchancen aus.
Der Sport hat für Schopf Priorität – vor allem in**diesem Olympia-Jahr.** Dennoch ist es nicht alles, was der vierfache Weltmeister im Kopf haben muss. Im Gegensatz etwa zu hochbezahlten Fußballprofis müssen sich die Athletinnen und Athleten in den meisten anderen Sportarten Gedanken um ihre berufliche Zukunft machen. „Ich werde wahrscheinlich nach dem Leistungssport zügig in den Beruf einsteigen müssen“, sagt Schopf. Er studiert an der Universität Potsdam Sport und Geografie auf Lehramt.
Es ist nicht leicht, für sportliche Höchstleistungen zu trainieren, parallel die berufliche Aus- und Weiterbildung voranzutreiben und all das zu finanzieren. Doch es funktioniert. Wie Schopf und andere Profis das schaffen, davon können sich auch Nicht-Leistungssportler etwas abschauen.
Tipp 1: Karriereberatung nutzen
Eine Herausforderung für Schopf ist, dass das Studium in Präsenz stattfindet. Mit seiner Laufbahnberaterin Beate Pezold vom Olympiastützpunkt Brandenburg plant er daher genau, was er in welchem Semester erreichen will.
Laufbahnberaterinnen und -berater sind Ansprechpartner für Bundeskaderathleten und Perspektivkader des jeweiligen Olympiastützpunktes. Beim Erstgespräch befänden sich viele Athletinnen und Athleten noch in der Schulausbildung, erzählt Pezold. Sie helfe vor allem dabei, die Doppelbelastung von schulischen oder beruflichen sowie sportlichen Aufgaben zu organisieren.
Wichtig sei ihr, dass „die Athleten ihre beruflichen Vorstellungen nicht dem Leistungssport unterordnen, sondern dass wir für möglichst jeden einen individuellen Weg finden“. Der Leistungssport könne auch durch Verletzungen jederzeit zu Ende sein. Insofern sei es wichtig, die Bildungskarriere im Blick zu behalten.
Der Karrierecoach Bernd Slaghuis hat schon mehr als 2000 Menschen bei ihrem Werdegang begleitet. Er sagt: Mehr Langfristplanung täte auch manchen Nicht-Sportlern gut. Sie sollten nicht nur über ihre jeweils nächste Station nachdenken – sondern darüber, „wie es darauf aufbauend in fünf oder zehn Jahren weitergehen kann“.
Auch Pezold rät jungen Menschen abseits des Leistungssports, sich Partner und Unterstützer zu suchen, die ihnen bei der Karriereplanung helfen. Das gelte vor allem in Phasen des Übergangs – von der Schule zur Ausbildung oder zum Studium sowie später in den Beruf.
Tipp 2: Finanzielle Förderer suchen
Leistungsdruck bekommt Kanute Schopf vor allem bei der Finanzierung der sportlichen Karriere zu spüren. „Die Weltmeisterschaft im August ist in den nicht-olympischen Jahren das wichtigste Ereignis in unserem Sport. Eine WM-Medaille macht einen großen Unterschied“, berichtet er. Sie entscheide darüber, in welchen Kader ein Athlet komme und welche finanzielle Unterstützung er von der Sporthilfe oder den Verbänden erhalte.
Für ihn selbst ist die Bundeswehr eine große Stütze: „Als Sportsoldat bekomme ich einen monatlichen Sold und bin für den Sport freigestellt.“ Inklusive der Vor- und Nachbereitung benötige er für das Training etwa 30 Stunden pro Woche.
Hinzu komme die Zeit, die er für Physiotherapie und andere Aufgaben aufwende. „Das ist ein Vollzeitjob, der kaum zu schaffen wäre, wenn ich noch anderweitig Geld verdienen müsste“, sagt Schopf. Finanzielle Unterstützung erhält er auch von seinen Sponsoren, etwa um Trainingslager oder eine gesunde Ernährung zu finanzieren.
Pezold sagt, die Athleten könnten Sport und Studium auch mit einer Förderung durch die Sporthilfe oder mit einem Stipendium finanzieren. Daneben gibt es die Sportfördergruppen der Polizei oder Feuerwehr. Hier befinden sich die Athleten in einer dualen Ausbildung oder einem dualen Studium, der zeitliche Aufwand ist an den Sport angepasst.
Auch große Arbeitgeber setzen sich für Leistungssportler ein. Ein Beispiel ist der Personaldienstleister Adecco, der Praktika und Ausbildungsplätze bietet, die sich mit dem Sport vereinbaren lassen. Das sei für die Athletinnen und Athleten häufig der Einstieg, um auch längerfristig im Unternehmen zu bleiben, betont eine Firmensprecherin.
Die Fördermöglichkeiten sind vielfältig – auch abseits des Spitzensports. „Viele Arbeitnehmer kennen die Möglichkeiten aber nicht oder trauen sich nicht, sie in Anspruch zu nehmen, weil sie den vermeintlich hohen bürokratischen Aufwand scheuen“, sagt Karrierecoach Slaghuis. Dabei ließen gerade junge Menschen oft finanzielle Mittel liegen, die sie über Stiftungen, Stipendien oder internationale Organisationen bekommen könnten.
Tipp 3: Kontakte knüpfen, bevor Sie sie brauchen
Über spezielle Athletenprogramme können Sportler frühzeitig Kontakte zu Unternehmen knüpfen. Der Versicherer Allianz unterstützt Athleten mit einem solchen Programm in der persönlichen Entwicklung, in der Aus- und Weiterbildung für die Zeit nach dem Leistungssport, beim Aufbau einer Marke und mit Versicherungsleistungen.
Vielen fehle die Zeit, sich neben dem Training noch um ihre Finanzen zu kümmern, erklärt die Olympia-Verantwortliche der Allianz, Eike Bürgel. Der Versicherer biete Lehrformate und Veranstaltungen, um sich hier ein Grundwissen aufzubauen. „Im Rahmen unseres Buddy-Programms arbeiten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein halbes Jahr mit einem Athleten zusammen. Sie tauschen sich aus, wie man sich für große Ziele motiviert oder bei Rückschlägen Resilienz aufbaut“, so Bürgel.
Für die Athleten interessant ist auch der Talentpool, über den sie in Jobs innerhalb des Konzerns vermittelt werden können. Diese Möglichkeit hat der ehemalige Monoskifahrer und zweimalige Weltmeister Georg Kreiter genutzt, der inzwischen bei der Allianz-Tochter Allianz One arbeitet.
Seit einem Motorradunfall im Jahr 2002 ist Kreiter querschnittsgelähmt. „An den Unfall habe ich keine Erinnerungen, aber der Sport half mir, mit dieser Lebenssituation umzugehen“, sagte der 39-Jährige bei einem Pressegespräch in München. Der Unfall sei während seiner Ausbildung zum Mediengestalter passiert, die er trotzdem abgeschlossen hat. Anschließend habe er im Unternehmen seines Vaters gearbeitet.
Netzwerken: Nicht erst in der Not, sondern in sicheren Zeiten
2014 und 2018 nahm Kreiter jeweils an den Paralympischen Spielen teil. Dass es dort nicht für eine Medaille gereicht hat, bedauert er: „Mir war es aber immer wichtig, auch an die berufliche Zukunft zu denken.“
Einige Zeit nach dem sportlichen Karriereende fragte ihn die Allianz, ob er sich vorstellen könne, für das Unternehmen zu arbeiten. Heute unterstützt er seine Kollegen bei der Medienerstellung für ihre Projekte und Kampagnen: „Hier kann ich meine Kompetenzen ausspielen und mich stetig weiterentwickeln“, sagt er.
Das Beispiel zeigt: Kreiter hatte sich bereits um ein Netzwerk bemüht, bevor er darauf angewiesen war. Karrierecoach Slaghuis sagt, viele Menschen dächten erst daran, neue Kontakte zu knüpfen, wenn sie den Job wechseln wollten. „Besser ist es, aus der Sicherheit eines Jobs heraus Kontakte zu knüpfen, das Netzwerk systematisch auszubauen und zu pflegen.“
Tipp 4: Sich auf die persönlichen Stärken konzentrieren
Paralympics-Teilnehmer Kreiter erzählt, dass er im Sport gelernt habe, mit Hochs und Tiefs zurechtzukommen. „Als Athlet habe ich immer versucht, möglichst präzise und perfekt zu sein. Diese Eigenschaften kann ich heute auch im Job gebrauchen“, sagt er. Zudem könne er gut mit Unsicherheiten umgehen: „Im Skisport kann man im Training und vor einem Wettkampf viele Daten analysieren. Der Schnee und die Strecke sind dennoch jeden Tag anders.“
Auch Pezold vom Olympiastützpunkt Brandenburg nennt einige Charaktereigenschaften ihrer Athleten, die ihnen im beruflichen Umfeld helfen: „Leistungssportler sehen Chancen statt Problemen. Sie lieben Herausforderungen, verfolgen beharrlich ein Ziel und besiegen auch ihre Ängste.“ Sie hätten außerdem ein gutes Zeitmanagement.
Doch das gilt nicht nur für Spitzenathleten. „Wer sich seiner persönlichen Stärken bewusst ist, kann auch im Job gezielter mehr von dem tun, was Freude macht und Kraft gibt“, sagt Coach Slaghuis. Viele seiner Klientinnen und Klienten, erzählt er, seien beispielsweise sehr kreativ – könnten das im Job aber kaum ausleben.
Nach Pezolds Ansicht können sich junge Menschen von den Leistungssportlern vor allem die Leidenschaft abschauen. Gleichwohl klappt auch bei den Athleten nicht immer alles. „Wenn das Training intensiv war, fällt es mir manchmal schwer, danach noch zu lernen“, sagt Kajakfahrer Schopf.
Und an Wochenenden, wenn er um 22 Uhr ins Bett falle, werde ihm manchmal bewusst, „dass ich kein normaler Student bin und die besten Partys verpasse“. Mit einer weiteren Medaille bei Olympia könnte er diese Entbehrungen wohl vergessen.
