Vier neue Modelle: VW plant das 20.000-Euro-Auto für China schon ab 2026
VW hat auf dem wichtigsten Elektroautomarkt akuten Aufholbedarf. Eine chinaeigene Plattform soll die Kosten senken – und womöglich auch in anderen Märkten eingesetzt werden.
Hefei, Düsseldorf. Schneller, günstiger, innovativer: Volkswagen plant in China eine Offensive bei preiswerten Elektroautos. Landeschef Ralf Brandstätter kündigte jetzt die Entwicklung einer eigenen Fahrzeugplattform in China für das Einstiegssegment an. Mit dem neuen Baukasten will Europas größter Autobauer die Kundenbedürfnisse vor Ort besser erfüllen, sagte der VW-Manager. Es sei „nicht so einfach wie früher, in China zu wachsen“.
Volkswagen hat in der Volksrepublik bei der Elektromobilität akuten Aufholbedarf. Das meiste Geld verdienen die Wolfsburger auf ihrem wichtigsten Absatzmarkt nach wie vor mit dem Verkauf von Verbrennerfahrzeugen – jenem Bereich, der auf dem größten Automarkt der Welt strukturell schrumpft. Im stark wachsenden, hart umkämpften Elektrosegment spielt VW hingegen eine Nebenrolle.
Zwar lief das vergangene Quartal besser als im Vorjahresvergleich, wie Konzernzahlen zeigen. In den ersten zehn Monaten lag der Absatz mit rein elektrischen Fahrzeugen der Marke VW in China demnach aber um rund zwei Prozent unter Vorjahr – obwohl das gesamte E-Segment chinaweit rapide wächst.
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Mit der neuen Plattform will der Konzern das ändern. Entwickelt wird die Fahrzeugarchitektur von der Tochterfirma „Volkswagen China Technology Company“ (VCTC) im ostchinesischen Hefei.
Ab 2026 sollen dann vier zusätzliche China-Elektromodelle auf den Markt kommen, in einer Preisspanne von umgerechnet 18.000 bis 22.000 Euro. Die Autos gehören der unteren Kompaktklasse an und lassen sich etwa zwischen Polo- und Golf-Größe einordnen. Vor allem im Massensegment erwartet VW in den kommenden Jahren für China vielfach den Umstieg von Verbrenner- auf E-Autos.
Die Entwicklungszeit in Hefei soll um ein Drittel schneller laufen als im Westen, die Kosten sollen um ein Drittel niedriger liegen. 95 Prozent der Fahrzeugteile für die neuen Modelle kommen aus China. Auch soll es chinaspezifische Lösungen bei Batterie, Elektroantrieb und Elektromotor geben. Bei seiner Einheitsbatteriezelle wird Volkswagen in China auf das dort verbreitete Lithium-Eisenphosphat (LFP) setzen, entwickelt gemeinsam mit dem chinesischen Partner Gotion.
Vorerst sei die Entwicklung nur in China für China geplant. Erweise sich die Technologie jedoch als wettbewerbsfähig, stehe es für jeden offen, deutete Chinachef Brandstätter an. Zu den Entwicklungskosten für die neue Plattform machte Volkswagen keine Angabe.
Der Standort in Hefei ist Volkswagens größtes Forschungs- und Entwicklungszentrum außerhalb Deutschlands. Erst im April hatte der Konzern den Aufbau des Zentrums in China bekannt gegeben, die Investitionen von VW in den Standort betragen rund eine Milliarde Euro.
Volkswagen in China: Zurzeit unter Vorjahr – und das war von Corona geprägt
Intern rechnen die Wolfsburger damit, dass die Elektro-Neuzulassungen in der Volksrepublik bereits 2025 mit den klassischen Antrieben gleichziehen. Anfang des Jahres musste die Marke VW erstmals seit Jahrzehnten ihre Marktführerrolle an den chinesischen Elektrokonkurrenten BYD abgeben. Das Unternehmen aus Shenzhen könnte im letzten Quartal 2023 weltweit sogar Tesla beim Absatz mit Elektroautos überholen.
In China tobt ein Preiskampf um Elektroautos. Ob das Unternehmen derzeit mit seinen Elektroautos auf dem hart umkämpften Markt Geld verdient, wollte Brandstätter nicht sagen. Insgesamt sei VW in China allerdings „hochprofitabel“, betonte der Manager.
Er erwartet jedoch, dass der Preiskampf auf dem größten Elektroautomarkt anhält und es auf absehbare Zeit ein „sehr aggressives Preisniveau“ gibt. Mithilfe der neuen Plattform und einer hohen Lokalisierungsquote will das Unternehmen die Kosten so weit senken, „um dann profitabel sein zu können“.
VWs Ziel ist es seit Neuestem nicht mehr, Marktführer in China zu sein, sondern nur noch zu den größten drei Autobauern in China zu zählen und dabei der größte internationale Hersteller in dem asiatischen Land zu sein.
Für den VW-Konzern sind die Gewinne aus China überlebenswichtig, finanzieren sie doch die teure Transformation ins Elektrozeitalter – auch in Europa. Etwa 40 Prozent ihrer Gesamtproduktion verkaufen die Wolfsburger jedes Jahr in China, dennoch schwächelte der Absatz zuletzt.
2022 lagen die Auslieferungen an Kunden mit 3,18 Millionen verkauften Fahrzeugen auf einem Neunjahrestief. Derzeit liegt der Gesamtabsatz sogar leicht unter dem von der Pandemie geprägten Vorjahresniveau – auch wenn VW im abgelaufenen Quartal etwa durch gesteigerte Verkäufe beim ID.3 Boden gutmachen konnte.
„VW hat inzwischen erkannt, dass sie in China Vollgas geben müssen“, sagt Stefan Bratzel, Gründer und Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Unter diesem Aspekt sei auch die Plattformankündigung jetzt zu betrachten, die früheren Ankündigungen aus diesem Jahr etwa zu Kooperationen in China ähnelt.
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Von SAIC bis Xpeng: Plattformkooperationen sollen VWs Wettbewerbsfähigkeit sichern
Bislang schafften es die Wolfsburger nicht, mit ihrem Elektroangebot, „dem Markt wirklich etwas entgegenzusetzen“, sagt Bratzel. Für VW als Volumenhersteller sei dabei das niedrige Segment strategisch von hoher Bedeutung. „Die entscheidende Frage wird aber auch sein, zu welchen Kosten diese Angebote entstehen und in welchen Punkten sie besser sind als die Konkurrenz“, sagt der Experte.
Hier müsste Volkswagen vielen chinesischen Autokäufern erst noch beweisen, dass es in Sachen Elektromobilität gegenüber lokalen Anbietern aufgeholt hat oder sogar Vorteile hat.
Die Ankündigung jetzt ist nicht der erste Eingriff von Chinachef Brandstätter in die Plattformstrategie des Konzerns. Ende Juli hatte Volkswagen eine Plattformkooperation mit dem chinesischen Elektroautobauer Xpeng verkündet und sich dazu zunächst für 700 Millionen Dollar mit knapp fünf Prozent bei dem Unternehmen eingekauft, inzwischen ist die Beteiligung auf 6,85 Prozent gestiegen. Auch Volkswagens Premiummarke Audi setzt in der Elektromobilität verstärkt auf Hilfe von VWs chinesischem Joint-Venture-Partner SAIC.
Eine interne Unterlage, die dem Handelsblatt vorliegt, deutet außerdem auf ein mögliches weiteres Puzzlestück in VWs Plattformstrategie hin. Demnach ist unterhalb der nun angekündigten Chinaplattform der Einstieg eines weiteren Partners für die VW-Submarke Jetta angedacht. Jetta gilt in China als preisgünstige Alternative zu den teureren VW-Modellen und bietet bislang ausschließlich Verbrennerfahrzeuge an.
Chinesischen Medienberichten zufolge soll zwischenzeitlich das chinesische Auto-Start-up Leapmotor ein Kandidat für die Kooperation gewesen sein; das Handelsblatt berichtete. Vor einigen Wochen verkündete VW-Konkurrent Stellantis jedoch, mit Leapmotor in der Elektroauto-Produktion und im Vertrieb zusammenzugehen. Spätestens damit dürften die Verhandlungen mit VW beendet gewesen sein. Die elektrische Zukunft von Jetta ist damit weiter ungewiss.
Aus Konzernkreisen ist zu hören, dass derzeit intern etliche Analysen zu dem Thema laufen. Eine Frage sei, ob der preissensible Budgetbereich überhaupt noch zu VW und der internen Strategieparole „Value over Volume“ (Wertschöpfung über Volumen) passe.
Eine andere Frage ist, ob VW für seinen Jetta-Plan wirklich einen neuen Partner brauche oder ob man nicht mit bestehenden Bordmitteln und Kooperationen zu vergleichbaren Ergebnissen komme. Chinachef Brandstätter wollte zu weiteren möglichen Kooperationen keine Aussage machen.
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