Vier Red Flags, die Sie in der Probezeit besser nicht ignorieren
Aus dem Handelsblatt-Archiv: Die Probezeit gilt als Testlauf für beide Seiten. An welchen Warnzeichen Chefs und Kandidaten merken, dass es im neuen Job nicht läuft – und was dann zu tun ist.
Düsseldorf. Eine Probezeit soll helfen, Angestellten und Chefs die Entscheidung leichter zu machen: Passt der neue Job zu mir? Oder: Will ich die Kandidatin wirklich langfristig in meinem Team behalten? Nicht alle Beteiligten sehen die Testphase allerdings positiv, wie eine Umfrage der Online-Stellenbörse Indeed für das Handelsblatt zeigt. Der Arbeitgeber profitiere stärker davon als die Mitarbeitenden – dieser Meinung waren fast 40 Prozent der 1000 befragten Nutzerinnen und Nutzer.
Mehr als die Hälfte der Talente würde sich demnach sogar eher auf eine Stelle bewerben, wenn sie ganz ohne Probezeit ausgeschrieben wäre. Der Grund: Sie fühlen sich beobachtet und deshalb unter Stress.
Dieser Stress entsteht nicht grundlos. Denn am Ende jeder Probezeit kann eine Trennung stehen. Woran aber erkennt man, dass es besser ist, die Arbeitsbeziehung zu beenden? Karriereexperten verraten, auf welche Warnzeichen Mitarbeiter und Führungskräfte achten sollten.
1. Red Flag im neuen Job: Die Integration ins Team klappt nicht
Aus Sicht der Führungskraft: Sabine Votteler war selbst lange Führungskraft in verschiedenen Unternehmen und berät inzwischen Manager. Sie sagt: Gerade Menschen, die im Kontakt mit den neuen Kolleginnen immer wieder Vergleiche zu ihrem Ex-Arbeitgeber anstellen, finden nicht gut ins neue Team hinein. „Es ist ungeschickt, wenn jemand ständig betont: ,In meiner Ex-Firma haben wir das immer so und so gemacht.‘“ Solche Aussagen kämen vor allem bei anderen Teammitgliedern meist nicht gut an. „Sie bekommen das Gefühl, es mit einem Besserwisser zu tun zu haben“, erklärt Votteler.
Ständige Vergleiche mit dem früheren Job seien auch deswegen eine „Red Flag“, also ein Warnsignal, weil die betreffende Person offenbar stark an Vergangenem festhalte. Dabei sei Veränderungsbereitschaft heute eine Schlüsselkompetenz. „In Transformationszeiten müssen sich Beschäftigte schnell neuen Umständen anpassen können“, so die Karriereexpertin.
Aus Sicht des Mitarbeiters: Es ist kaum möglich, als Kandidat schon im Bewerbungsprozess einzuschätzen, wie man mit der Kultur eines neuen Arbeitgebers zurechtkommt. Es bleibt also nur die Probezeit, um das zu prüfen, sagt die Karriereberaterin Nane Nebel. „Sollte deutlich werden, dass etwas nicht stimmt, gehört offen auf den Tisch, was sich für Sie nicht gut anfühlt“, rät Nebel.
Die neuen Kollegen sind Ihnen gegenüber zurückhaltend bis skeptisch, Sie werden nicht zum gemeinsamen Mittagessen mitgenommen oder bei Projekten, die Ihren Bereich betreffen, nicht über neue Entwicklungen informiert? Dann artikulieren Sie, dass Sie sich freuen würden, wenn Sie stärker einbezogen würden und warten Sie ab, ob die Kolleginnen ihr Verhalten ändern. Wer hingegen schweigt, verschärft das Problem – und wird womöglich als desinteressiert wahrgenommen.
2. Red Flag im neuen Job: Der Mitarbeiter hat sich zu gut verkauft
Aus Sicht der Führungskraft: Stefan Wickenhäuser ist Coach und berät Unternehmen auch dazu, wie sie gute Mitarbeiter halten können. Stelle ein Chef fest, dass sein neuer Mitarbeiter nicht über die benötigten Fähigkeiten verfügt, müsse er sich eine Frage stellen, so Wickenhäuser: „Sind diese Fähigkeiten trainierbar?“ Laute die Antwort „nein“, sollten Chefs ernsthaft über eine Trennung nachdenken – oder überlegen, ob der Mitarbeiter Stärken hat, die sich anderswo im Team oder in der Abteilung besser einsetzen lassen.
Häufig seien Wissens- oder Kompetenzlücken aber auch zu schließen. „Wenn eine Mitarbeiterin ansonsten gut in die Unternehmenskultur passt, sollten Vorgesetzte unbedingt in Weiterbildung investieren“, ergänzt Beraterin Nebel. Das gehe aber nur, wenn besagte Lücke nicht zu groß sei – und wenn genug Zeit für eine Weiterbildung da ist.
Aus Sicht des Mitarbeiters: „Es kommt vor, dass Mitarbeiterinnen sich vorsätzlich besser verkaufen, als sie sind“, sagt Beraterin Sabine Votteler. Bei Fehlbesetzungen sieht sie trotzdem eher die Führungskraft in der Verantwortung, die bei der Einstellung „schlecht aufgepasst“ habe.
Trotzdem können Sie auch als Mitarbeiterin für klare Verhältnisse sorgen – indem Sie bei Ihrer Führungskraft nachforschen, ob Sie mit Ihren Fähigkeiten im neuen Unternehmen wirklich richtig sind. „Es gilt, der Sache auf den Grund zu gehen. Was wird hier verlangt? Haben wir uns womöglich missverstanden?“ Wenn herauskommt, dass Sie viele Erwartungen an Sie weder kannten noch erfüllen können, ist das Grund zur Skepsis.
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3. Red Flag im neuen Job: Die Jobbeschreibung stimmt nicht mit der Realität überein
Aus Sicht der Führungskraft: Wenn die neu eingestellte Person nicht die Leistung abliefert, die sich die Führungskraft von ihr versprochen hat, sollte das ein Warnzeichen sein. Doch ganz so einfach ist es nicht – denn oftmals performen neue Mitarbeitende deswegen nicht, weil sie ganz anders eingesetzt werden als vor dem Jobstart besprochen.
„Es ist fast immer so, dass sich die Tätigkeit am Ende stark von dem unterscheidet, was im Bewerbungsprozess vermittelt wurde oder was in der Stellenbeschreibung stand“, sagt Coach Stefan Wickenhäuser, der bereits mehr als hundert Kandidatinnen und Kandidaten in Bewerbungsverfahren begleitet hat.
Er erlebt häufig, dass Vorgesetzte deswegen erst „on the job“ merken, dass sie ein falsches Bild der Tätigkeit vermittelt haben. „Dann sind Führungskräfte in der Pflicht, das zu kommunizieren – und auch die Verantwortung zu übernehmen, wenn es nicht passt.“
Gerade bei neu geschaffenen Positionen gilt es hier, aufmerksam zu sein, sagt auch Beraterin Sabine Votteler. Denn bei solchen Jobs sei es noch schwieriger, vorher genau abzustecken, wie der zukünftige Tätigkeitsbereich aussehe. „Führungskräfte machen es sich zu einfach, wenn sie das vergessen und während der Probezeit einfach sagen: ,Hier liefert aber jemand nicht richtig ab.‘“
Aus Sicht des Mitarbeiters: Für Mitarbeitende in der Probezeit, die das Gefühl haben, sich auf etwas völlig anderes eingelassen zu haben als das, was sie nun vorfinden, hat Nane Nebel einen Rat: Bringen Sie Struktur in das Chaos Ihrer Tätigkeit. „Konfrontieren Sie Ihre Führungskraft etwa so: ,Ich kann keinen guten Nutzen stiften, wenn sich dauernd die Aufgaben ändern oder nicht dem entsprechen, weshalb ich zu Ihnen gekommen bin. Können wir das besser miteinander abstimmen und strukturieren?‘“
Wenn das zu nichts führt und die neue Führungskraft nicht in der Lage scheint, etwas am Tätigkeitsprofil zu ändern oder eine verlässliche Struktur zu geben – dann ist das ein schlechtes Zeichen. „Niemand sollte naiv sein: Eine chaotische Führungskraft bleibt eine chaotische Führungskraft“, macht Nebel klar. Wer mehr Klarheit und verlässliche Ansagen brauche, sollte über eine Trennung nachdenken.
4. Red Flag im neuen Job: Das Onboarding ist schlecht – oder es gibt keins
Aus Sicht der Führungskraft: Beraterin Nane Nebel sagt, es sei fahrlässig, wenn Unternehmen glauben, ohne strukturierte Einarbeitungsprozesse erfolgreich sein zu können. Das Onboarding, so die Expertin, sei Chefsache und eine strategische Aufgabe des Arbeitgebers. Aber: Wenn neue Mitarbeitende nicht daran interessiert sind, wen sie wann kennenlernen und an welche Aufgaben sie wann und wie herangeführt werden – dann kann dieses Desinteresse auch ein Warnzeichen für Führungskräfte sein. „Wer nicht danach fragt, trägt Mitverantwortung, wenn es am Ende nicht klappt“, so Nebel.
Es sei hingegen eine „Green Flag“ für Unternehmen – ein positives Zeichen also – wenn neue Mitarbeitende sich explizit nach dem Onboarding-Ablauf erkundigen.
Aus Sicht des Mitarbeiters: Dass eine strukturierte Einarbeitung für Mitarbeitende in der Probezeit wichtig ist, um möglichst schnell gute Arbeit machen zu können, ist logisch. Dass ein gutes Onboarding aber auch für Chefinnen und Chefs wichtig ist, würden Vorgesetzte vergessen, sagt Beraterin Sabine Votteler. „Wenn eine Führungskraft nicht daran interessiert ist, neue Mitarbeitende einen strukturierten Prozess durchlaufen zu lassen, ist sie entweder schlecht organisiert – oder legt nicht genug Wert auf eine schnelle Integration.“ Beides ist für neue Mitarbeitende eine eindeutige Red Flag.
Gute Führungskräfte bringen neue Teammitglieder schnell in Kontakt mit wichtigen neuen Kolleginnen und Kollegen, erklären Prozesse und sorgen dafür, dass die Arbeitsumgebung stimmt – dazu gehören auch Faktoren wie eine funktionierende IT. Tue ein Vorgesetzter all das nicht, sei es ein schlechtes Zeichen, findet Votteler.
Neue Mitarbeitende sollten in solchen Fällen darüber nachdenken, zum Ende der Probezeit zu kündigen und sich einen neuen passenderen Job zu suchen.
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