„VSS Unity“ auf dem Weg ins All - (Foto: Virgin Galactic)
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Virgin Galactic schickt erstmals zahlende Kunden ins Weltall

Mit dem Flug am Donnerstag will Raumfahrt-Unternehmer Richard Branson ein lukratives Geschäft starten. Der Zeitpunkt sorgt jedoch für Kritik.

Düsseldorf. Am Donnerstag um 17 Uhr deutscher Zeit soll es so weit sein: Der erste kommerzielle Flug von Virgin Galactic startet von einem Flughafen im US-Bundesstaat New Mexico. Für das 2004 gegründete Unternehmen von Milliardär Richard Branson ist es der wohl wichtigste Flug der Firmengeschichte. Nach zahlreichen Testflügen befördert das Raumfahrzeug „VSS Unity“ erstmals zahlende Kunden in den Weltraum.

Drei Mitglieder der italienischen Luftwaffe und des nationalen Forschungsrats von Italien wollen mehrere Minuten in der Schwerelosigkeit nutzen, um eine Reihe von wissenschaftlichen Experimenten durchzuführen. Michael Colglazier, Chef von Virgin Galactic, spricht von einer „neue Ära von wiederholbarem und verlässlichem Zugang zum Weltraum“.

Das Timing stößt auf Kritik. Der Flug findet nur wenige Tage nach dem Unfall des Tauchboots „Titan“ statt, bei dem die Passagiere die Reise zum Wrack der „Titanic“ mit ihrem Leben bezahlten. „Das darf doch nicht wahr sein, müssen wir schon wieder so etwas mitmachen?“, fragte ein Nutzer auf Twitter. „Kann man es auch mit einem Logitech-Regler steuern?“, schrieb ein anderer und spielte damit auf die Steuerung des verunglückten Tauchboots an.

Der Spott hat einen ernsten Hintergrund. „Beide Unternehmen setzen unerprobte Technologien ein“, sagt Ulrich Walter, Professor für Raumfahrtechnik an der TU München. Der Tauchboot-Betreiber Oceangate verwendete Kohlefasern statt Stahl für die Ummantelung. Auch Virgin Galactic betritt mit seinem hybriden Ansatz aus Flug- und Raumfahrtechnik Neuland.

Allerdings schätzt Walter die Erfolgschancen von Virgin Galactic als sehr hoch ein. Es habe anders als bei der „Titan“ viele Tests gegeben, auch habe die US-Luftfahrtbehörde FAA grünes Licht gegeben. „Die sehen sehr genau hin“, sagt der ehemalige Astronaut. Dagegen sei das Tauchboot von Oceangate bewusst in internationalen Gewässern eingesetzt worden, um Inspektionen zu umgehen.

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Ein Trägerflugzeug bringt das Raumschiff hoch

Andere Firmen wie SpaceX von Elon Musk und Blue Origin von Jeff Bezos befördern ebenfalls Touristen ins Weltall, sie setzen aber auf konventionelle Raketenstarts. Virgin Galactic dagegen will mit einer Mischung von Luft- und Raumfahrt Kosten sparen.

Statt von der Erde abzuheben, wird das Raumschiff vom Typ Spaceship Two mit einem Trägerflugzeug in die Luft gebracht und auf einer Höhe von 15 Kilometern ausgeklinkt. Die „VSS Unity“ zündet erst dann seine Raketenmotoren, um die sechsköpfige Besatzung auf rund 88 Kilometer Höhe zu bringen. Zwar ist die Kombination ungewöhnlich, aber die Technologien wie die des Flugzeugs oder des Raketenantriebs seien lange erprobt, sagt Raumfahrtexperte Walter.

Mit einer Ausnahme: Das Ausfahren der sogenannten Federposition. Die Flügel des Raumschiffs werden ausgefahren, um die Rückkehr abzubremsen – ähnlich wie bei einem Badminton-Ball. „Das geht an die Grenzen des Materials“, sagt Walter. Die Geschwindigkeit sei extrem hoch, die Technologie vergleichsweise neu.

Bislang wurden für das Abbremsen von Raketen Fallschirme und Hitzeschilder genutzt. Das von Luftfahrtingenieur Burt Rutan vor mehr als 20 Jahren ersonnene Verfahren macht das überflüssig. Doch sind die Gefahren groß. „Ein falscher Winkel oder ein Flügel fährt nicht ganz aus“, warnt Walter, „und schon kommt es zum Unglück.“

„VSS Unity“ von Virgin Galactic - (Foto: dpa)
„VSS Unity“ von Virgin Galactic - (Foto: dpa)

Bei einem Testflug 2014 löste der Co-Pilot die Federposition zu früh aus, das Raumschiff „VSS Enterprise“ stürzte ab – nur der Pilot überlebte schwer verletzt.

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Neues Raumschiff Delta soll wöchentlich fliegen

Das neue Raumschiff „VSS Unity“ durchlief bislang erfolgreich zahlreiche Gleit- und Flugtests, den letzten erst vor wenigen Wochen. Bereits 2021 erhielt Virgin Galactic die Erlaubnis der US-Luftfahrtbehörde für kommerzielle Flüge. Im Juli 2021 hob Firmengründer Richard Branson medienwirksam mit zum ersten Passagierflug ab.

Ab August will das Unternehmen im monatlichen Rhythmus Flüge durchführen. Ein neues Raumschiff namens „Delta“ soll die Schlagzahl 2026 deutlich erhöhen. Dieses kann mit sechs Passagieren doppelt so viele wie bislang transportieren und wöchentlich fliegen.

Der Zeitplan ist ehrgeizig. Der erste Testflug soll 2025 stattfinden. Kostenpunkt ist laut Virgin Galactic 50 bis 60 Millionen Dollar pro Raumschiff, es soll rund 500 Mal einsetzbar sein.

Richard Branson - (Foto: AP)
Richard Branson - (Foto: AP)

Die Firma hofft auf ein lukratives Geschäft. Die Details rechnete das Unternehmen in der jüngsten Analystenkonferenz zu den Quartalsergebnissen vor. Danach kostet der Betrieb eines „Delta“-Fluges in den Weltraum 400.000 Dollar, dazu würde man noch bis zu 120.000 Dollar pro Flug für Material und Baukosten abschreiben. Dem stünden Einnahmen von 2,7 Millionen Dollar pro Flug gegenüber. „Wir erwarten sehr attraktive Gewinnmargen“, sagte Finanzchef Doug.

Die Nachfrage scheint da zu sein. Bislang setzte Virgin Galactic seit Verkaufsbeginn vor zehn Jahren ungefähr 800 Tickets ab, die anfangs jeweils 200.000 Dollar und heute 450.000 Dollar kosten.

Investmentbanken und Branchendienste sehen das Umsatzpotenzial des gesamten Weltraumtourismus 2030 bei drei bis zwölf Milliarden Dollar. „Es ist noch sehr früh“, sagte Analyst Michael Leshock von Keybanc Capital Markets. Aber in seinen Augen könne sich Virgin Galactic mit seinen Plänen „langfristig als Marktführer positionieren“.

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