Virtuelle VR-Konferenzen: Sehen so etwa die Assessment-Center der Zukunft aus?
Oft hat man in den vergangenen Jahren den Begriff „Online-Assessment-Center“ gehört, womit dann in der Regel der Einsatz von Onlinetests im Rahmen der Personal(vor)auswahl gemeint war. Wir haben immer versucht, diese Begrifflichkeit zu vermeiden, weil ein Auswahltest und ein Assessment-Center zwei verschiedene Paar Schuhe sind.
Während das eine (Test) ein konstruktbasiertes Messverfahren ist, mit dem auswahlrelevante Merkmale wie etwa kognitive Leistungsfähigkeit, Problemlösekompetenz oder berufsbezogene Persönlichkeitsmerkmale gemessen werden, handelt es sich bei dem anderen (Assessment-Center) um ein Auswahlinstrument, das in der Regel mehrere verschiedene Beurteilungsverfahren kombiniert und dabei oft zu einem Großteil (oder sogar vollständig) auf Beobachtung setzt. Das heißt, die Beurteiler (Assessoren) bewerten das Verhalten, die Bearbeitungsqualität oder die Fähigkeiten der Beurteilten (Assessees) auf Basis ihrer auf Beobachtung gewonnenen Eindrücke. Oft werden dabei Fallstudien, Rollenspiele, Gruppendiskussionen oder Übungen eingesetzt. Tests und Interviews runden das Ganze dann bestenfalls noch ab.
Ein Online-Assessment-Center ist daher definitorisch nicht der Einsatz von Onlinetests, sondern im Prinzip ein multimethodales und beobachtungsbasiertes Verfahren, das im Gegensatz zum (Präsenz-)Assessment-Center online durchgeführt wird.
Wenn man ehrlich ist, spielte diese Form der Assessment-Center bis vor Kurzem noch so gut wie keine Rolle. Beobachtung erfolgte eben nicht online, sondern von Angesicht zu Angesicht.
Doch dann kam Corona.
Das hat nicht nur dazu geführt, dass Interviews, die ja früher auch beinahe vollständig von Person zu Person mit gleichzeitiger physischer Präsenz an einem Ort stattfanden, auf einmal flächendeckend zu Video- bzw. Online-Interviews wurden, sondern auch dazu, dass einige Unternehmen ihre Assessment-Center ins Internet verlagerten.
Das ist für mich überhaupt keine überraschende Entwicklung. Dass sich das Internet sukzessive immer weitere Stücke der Recruitingprozesskette abbeißt, ist eine Art Naturgesetz, das ich schon vor einigen Jahren beschrieben habe. Corona hat bei den Interviews also im Prinzip nur eine ohnehin unvermeidbare Entwicklung (deutlich) beschleunigt.
Und Ähnliches werden wir daher auch ganz sicher für die Assessment-Center beobachten bzw. tun es bereits, wie etwa dieses Beispiel der BAUR-Gruppe zeigt… Ihr könnt also an die obige Abbildung im Prinzip rechts ein weiteres Kästchen „Online-Assessment-Center“ hängen.
Aktuell heißt das wahrscheinlich noch nicht viel mehr, als dass die ACs nun eben auch über Teams, Zoom, Webex oder Skype ablaufen, ggf. unterstützt durch Tools wie Applysia, sodass auch Beoabachtungsbefunde gleich digitalisiert vorliegen.
Aber dass die Recruitingwelt nicht auf diesem Level stehen bleiben wird, dürfte auch allen klar sein. So habe ich ja bereits mehrfach den Gedanken skizziert, dass Assessment-Center z.B. mittels Technologien wie HoloLens bzw. Microsoft Mesh in die Augmented- bzw. Mixed Reality umziehen könnten. Die Technologie dafür ist heute schon da, die erforderliche Verbreitung bei Unternehmen und Nutzern indes natürlich noch nicht.
Und nun lief mir noch ein anderes Beispiel über den Weg, das ebenfalls aufzeigt, wohin hier die Reise gehen könnte.
So stellte Facebook nämlich nun die App Horizon Workrooms vor. Als Teil der von Mark Zuckerberg langfristig formulierten Vision des „Metaverse“, einer Art begehbarem, dreidimensionalem Internet, handelt es sich bei Horizon Workrooms um die Möglichkeit, mit bis zu 16 Personen an einem Meeting im virtuellen Raum teilzunehmen. Im Gegensatz zu Teams oder Zoom jedoch nehmen die Personen hier buchstäblich „räumlich“ an dem Meeting teil, und zwar vertreten durch einen eigenen Avatar in einer Virtual Reality. 16 Personen/Avatare können an dem Meeting aktiv teilnehmen und interagieren, 34 weitere per Videocall zuschauen.
Das Ganze funktioniert, indem sich die Teilnehmer eine „Oculus Quest 2“-VR-Brille aufsetzen. Im Gegensatz zu Microsoft Mesh geht es hier als nicht um Augmented oder Mixed Reality, sondern um Virtual Reality.
Das Eintauchen in die virtuelle Welt heißt bei Horizon Workrooms dann konkret, dass man etwa den Kopf in Richtung einer Person drehen muss, um diese zu sehen, oder dass die Stimme einer anderen Person tatsächlich aus der Richtung kommt, wo diese (im virtuellen Raum) sitzt. Wie das aussehen kann, zeigt ein Video, das ich über den unten stehenden Link im Recrutainment Blog verfügbar gemacht habe.
Klar, auch hier stehen wieder die ganzen Hürden im Weg, die ich auch schon bei dem Microsoft-Beispiel beschrieben habe (verfügbare Hardware etc.), aber man kann auch hier erahnen, wo das vielleicht mal hinführen wird. Denn wenn Meetings auf diese Weise gehen, warum dann nicht auch Assessment-Center?
Auch wenn dann natürlich der Avatar, also das virtuelle Abbild der Person, Subjekt der Beurteilung wird…
Den Originalbeitrag inklusive Video finden Sie im Recrutainment Blog.