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Vollbeschäftigung ohne Ressourcenvergeudung? Die Wahrheit über Ameisen

Wohl niemand von uns möchte leben und arbeiten wie die Ameisen – dennoch wurde schon vor Jahren in den Medien kommuniziert, dass vor allem komplexe Organisationen das genial Einfache von ihnen lernen können: Ressourcen zu nutzen, anstatt sie zu verschwenden und sich perfekt zu organisieren.

Allerdings haben Ameisen ein winziges Gehirn, das eigentlich kein sehr komplexes Arbeitsprogramm enthalten kann. Ihre Programmierung ist mit einem einfachen Roboter vergleichbar. Doch sind Ameisen sehr raffiniert, denn sie können als Team Hervorragendes und Nachhaltiges leisten. „Sie führen uns vor, was wir erst seit kurzer Zeit ganz modisch Schwarmintelligenz nennen“, schreibt der Mathematiker und Autor Prof. Gunter Dueck. Ameisen entstanden vor 110 bis 130 Millionen Jahren. Es gibt ca. 22.000 Ameisenarten, davon sind über 12.500 genau bestimmt. Der Ameisenstaat ist keine Monarchie, hat jedoch eine Königin. Jede Ameise hat ihre Rolle in diesem komplexen System, das auf Basis der „Vollbeschäftigung“ funktioniert, denn jeder hat einen Job. Mit Duftstoffen kennzeichnen sie den Weg zu ihrer Beute. Wird eine Ameise zerquetscht, entsteht ein Duftstoff-Alarm, der eine Vielzahl von Ameisen anzieht, die wiederum alles „angreifen, was nicht niet- und nagelfest ist“ (Hans-Dietrich Reckhaus). Aufgrund ihres hohen Nahrungsbedarfs und ihres effizienten Jagdverhaltens regulieren die Architektinnen maßgeblich auch die Populationen anderer Insekten. Bei der Bodenkultivierung kommt ihnen eine besondere Bedeutung zu: Sie tragen Aas, Pilze, faules Holz und organischen Abfall ab und unterstützen den Wald darin, „sauber“ zu bleiben. Sie lockern, durchmischen und durchlüften die Böden durch den Nestbau, zerkleinern Material und machen es damit zugänglich für kleinere Organismen. Ihre Exkremente sind für die Pflanzen ein hervorragender Dünger.

Würden die Menschen die Systeme und Gemeinden nach dem Vorbild der Ameisen einrichten, „könnten sie – auch bei einer weit größeren Bevölkerungszahl als der heutigen – blühen und gedeihen und dabei produzieren und konsumieren, was sie wollen“, sagt der Verfahrenstechniker und Chemiker Prof. Michael Braungart, der gemeinsam mit William McDonough das Cradle-to-cradle-Konzept entwickelte. Schon Donald Duck war von diesen fleißigen Insekten fasziniert, weil sie nicht erst lange fragen würden, was sie tun sollten, sondern eben etwas täten. Entenhausen ist auch dem ehemaligen Cheftechnologen bei IBM Gunter Dueck nicht fremd. Hier wurde er „Wild Duck“ genannt. Er spricht von der Wirkung des Erhabenen des Insektenstaats auf uns, der gleichzeitig bestechend und genial einfach ist. Wissenschaftler haben Ameisen vor einigen Jahren angefärbt und tagelang „verfolgt“. Das Ergebnis war 2015 in der Süddeutschen Zeitung zu lesen.

  • 2,6 Prozent der Ameisen arbeiten pausenlos (jene, die sichtbar sind und von uns bestaunt werden).

  • Knapp drei Viertel der Ameisen arbeiten ab und zu einmal, „lümmeln“ dann aber lange Zeit im Bau herum.

  • Ein letztes Viertel der Ameisen tut nichts Erkennbares.

Spekuliert wurde, dass die „untätigen“ Ameisen die Reserve für nahrungsarme Zeiten sind. Gunter Dueck spekulierte damals herzerfrischend mit: „Die untätigen Ameisen könnten ja auch Wissenschaftler sein, oder? Denen sieht man ja auch nicht von außen an, ob sie arbeiten oder nicht. Sie könnten Journalisten sein, die die hereinkommende Ameisenmehrheit (das sind die, die „lümmeln“) interviewen, wie das Wetter draußen ist und wo sie etwas gefunden haben.“ Er nahm als sicher an, dass die Ameisen im Bau keineswegs „lümmeln“, sondern eben etwas mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit in Meetings mit den Stabsameisen verbringen, die die ganze Zeit alles planen. Das verschlingt alle Zeit der Stabsameisen, und deshalb haben sie den Bau noch niemals verlassen können. Das erklärt die oft beklagte Weltfremdheit der Prozesse in Großameisenhaufen. Die Wahrheit ist für ihn, dass Ameisen nicht besser als wir sind: „Menschen sind die Krone der Schröpfung, niemand sonst.“

  • Gunter Dueck: schwarm dumm. So blöd sind wir nur gemeinsam. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2015.

  • Michael Braungart und William McDonough: Intelligente Verschwendung. Auf dem Weg in eine neue Überflussgesellschaft. München 2013.

  • Hans-Dietrich Reckhaus: Insect Respect. Das Gütezeichen für mehr Nachhaltigkeit im Umgang mit Insekten. Bielefeld: Insect Respect 2015.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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