Vom Aufbruch, Suchen und Ankommen: Interview mit dem Lyriker Frank L. Richter
Der Lyriker Frank L. Richter gibt in seinem aktuellen Gedichtband „seelen-w-orte“ einen Überblick über die Vitalität seiner dichterischen Produktion. Unterwegs auf inneren und äußeren Zeitreisen öffnet er auch als Fotograf mit seinen Bildern Räume, damit seine Seelenworte atmen und im Bewusstsein der Leser weiterwirken können.
Herr Richter, Ihr neuer, inzwischen vierter, Gedichtband trägt den Titel „seelen-w-orte“. Was verbirgt sich hinter diesem ungewöhnlichen Titel?
Seelenorte und Seelenworte verschmelzen auf meiner Reise poetisch miteinander – zu besonderen Orten und vielleicht auch zu den Leserinnen und Lesern selbst. Diesmal spreche ich nicht nur in Worten, sondern auch in Bildern: 33 Fotografien, alle von mir aufgenommen. Jede ist ein Unikat – nie wiederholbar, da kein zweiter Mensch im gleichen Augenblick am exakt gleichen Ort steht. Zeugnisse des Moments, die meine Gedichte wie eine zweite Sprache begleiten. Diese Orte gibt es wirklich: im Spiel des Wassers, in der Weite des Horizonts, im Schatten eines Baumes, im Wachsen einer Pflanze, im Morgenlicht eines Fensters, in der Stille zweier Atemzüge. Orte des Innehaltens, der Freude, Demut, Trauer und Wandlung – des Aufbruchs, Suchens und Ankommens zugleich. Vielleicht ist Vergessenes erkennbar, vielleicht öffnet sich Neues. Vielleicht finden die Leser nicht nur ein Stück zu mir, sondern auch mehr zu sich selbst. Es geht darum, sich treiben, berühren und überraschen zu lassen. Manchmal spricht das Bild. Manchmal bleibt der Vers. Und manchmal erinnert ein "seelen-w-ort" daran, wie lebendig das L(i)eben ist.
Warum werden Ihre „seelen-w-orte“ gerade jetzt veröffentlicht?
Das ist eine sehr spannende Frage. Womöglich sehnt sich meine Seele in den Zeiten der vielen Unsicherheiten in der Welt nach eben diesen Seelenworten und Seelenorten der Vergangenheit sowie Gegenwart. Das komprimierteste Gedicht „Nicht weit davon“ in dem Gedichtband ist womöglich die beste Beschreibung sowie Zeugnis von der Paradoxität und Ambivalenz der Spezies Mensch. „seelen-w-orte“ ist ein Zeitzeugnis des Beginns des 21. Jahrhunderts.
”Das passende Gedicht findet seinen würdigen Leser zur richtigen Zeit.”Frank L. Richter
Nach welchen Kriterien wurden die „Text-Bild-Kombination“ ausgewählt?
Das war in der Tat sehr langwierig. Diesmal stand der Titel des Gedichtbandes zuerst fest. Ich bin riesiger Fan des Wortspieles „seelen-w-orte“. Und von Anfang an habe ich mich auf die Zahl „33“ limitiert. Die Zahl „3“ bzw. „3x3“ ist mir sehr wichtig. Danach ging es in mein Bilderarchiv der letzten 20 Jahre. Es war in der Tat die berühmte Qual der Wahl. Ich wollte auch keine „Allerweltsbilder“ von berühmten Orten nehmen. Vielmehr habe ich mich wieder hereingefühlt in die Emotionen, Gedanken sowie Empfindungen in den Moment der Aufnahme. Das war spannend – gerade bei Bildern, die älteren Datums sind. Zu drei Aufnahmen hatte ich bereits Gedichte fertig, bei den restlichen ausgesuchten habe ich Gedichte neu verfasst.
Woraus schöpfen Sie Ihre Ideen bzw. was sind die Quellen Ihrer Inspiration?
Ich beobachte meine Umwelt in den verschiedensten Situationen. Im Café, in der Natur, während guten Gesprächen, beim Einkaufen, auf Reisen. Mit diesen Impulsen sende ich dann mein "lyrisches Ich" in die Zwischensphäre aus Fantasie und Realität. Zudem kann noch besser zuhören und beobachten als schreiben.
Wann haben Sie mit dem Schreiben begonnen?
In meinem Inneren habe ich wohl schon „immer“ geschrieben. Allerdings benötigte ich die ersten 33 Jahre meines Lebens, um die Reife und Erfahrungen des L(i)ebens zu sammeln. Dann brach es wie ein Vulkan aus mir heraus. Das Erl(i)ebte wollte poetisch den Weg in die Welt einschlagen. So begann ich nach und nach aus meinem Fundus in der Schublade sowie frische Lyrik zu veröffentlichen.
Wie hat sich das eigene Schreiben im Laufe der Zeit entwickelt?
Mir wird nachgesagt, dass ich die Gabe habe, große Bilder mit wenigen Worten [= Verdichtungen] zu zeichnen. Das ist eine Art Erkennungszeichen. Auch die Vielfalt rund um die Thema Leben, Lieben, Transzendenz, Philosophie, gute Fragen zu stellen hat sich nach und nach entwickelt. Ich möchte in keine lyrische Schublade passen. Ich verwende klassische Gedichtformen und entwickle ebenso völlig mir eigene Stilelemente – sehr gerne mit wiederkehrenden Elementen in den Strophen.
Wie ist das lyrische Schreiben mit Ihrem Leben verwoben?
Lyrik ist ein essentieller Teil meines Lebens. Es ist meine Form der Kreativität, mit der Welt und den Sinnfragen in Balance zu kommen und zu bleiben. Keine Lyrik ist halt auch keine Lösung. Dabei ist es dieser künstlerische Egoismus: Ich schreibe rein für mich und nicht dem Gefallen einer Leserschaft. Es ist also eine Form der Selbstreflexion sowie der Konservierung meiner Empfindungen und Gedanken für meine Nachfahren bzw. Nachwelt. Mein Brot- und Butter-Beruf gibt mir die finanzielle Freiheit, dies selbstbestimmt zu machen. Na klar freut es mich, wenn meine Lyrik andere Menschen berührt und sie durch deren Interpretation und Lebenssichtweisen weitere Räume erobern kann. Dies ist dann das „i-Tüpfelchen“.
Welchen Themen widmen Sie Ihre Zeit, wenn Sie keine Bücher schreiben?
Ich reise sehr gerne, fahre leidenschaftlich gern Fahrrad und organisiere kulturelle Events in meiner Freizeit. Ich bin Genussmensch und schätze gute Küche mit passendem Wein sehr.
Auf welche Bücher darf sich Ihre Leserschaft als nächstes freuen?
Mit dem Verfassen von Gedichtbänden ist es wie bei einer "Sucht". Wenn man ein Projekt abgeschlossen hat, dann sage ich zu mir: "Jetzt hast du alles gesagt". Dann dauert es wieder zwei bis fünf Jahre, und das Erlebte und Erfühlte auf will zu Papier gebracht werden. A neverending story? Es bleibt also spannend. Ende 2025 und Anfang 2026 werde ich mit verschiedenen Gedichten in mehreren Anthologien des Klee Verlages vertreten sein. 2026 ist geplant, den Gedichtband „LYRISOPHIE – kleines Alphabet des L(i)ebens pt.1 & pt.2“ mit einem Cover des Corporate Design „Lyrisophie“ neu herauszubringen. Auch sind der Lyriker Stephan Mörs und ich in der Überlegung eine „erweiterte Neuauflage“ der „Lyrischen Bouquets aus dem Glas des Lebens“ zu veröffentlichen. Panta rhei - alles ist im Fluss. Ich freue mich auf alles was da noch kommt.
Für 2026 sind für Q1/Q2 vier Lesungen in Vorbereitung: Eine an einem Seelenort aus dem Gedichtband = „Ferropolis“; dann eine zweite musikalisch-lyrische Lesung mit der Musikerin Kathleen Lapius in Dessau; eine Lesung in der Stadtbibliothek Paderborn sowie die erneute Teilnahme am Literaturfest Meißen. Für Einladungen oder Tipps für Lesungen außerhalb meines Umkreises „Dessau / Wittenberg“ bin ich jederzeit offen.
Zur Person
Frank L. Richter (geboren 1979 in Lutherstadt Wittenberg, Vater eines Sohnes) lässt in seiner Liebe zur Lyrik all die Begegnungen, Beobachtungen und Empfindungen einfließen, die ihm auf den suchenden Reisen und findenden Wegen seines L(i)ebens begegnen. Für ihn sind das Miteinander mit Menschen, das tiefe Fühlen und das freie Denken unerschöpfliche Quellen der Inspiration.
Im beruflichen Leben widmet er sich als Portfolio Manager für Energiespeichersysteme in maritimen Anwendungen der Verbindung von Technik, Energie und Zukunftsgestaltung. Seine Ausbildungen im Ingenieurwesen und im Business Management verleihen seinem Denken eine Brücke zwischen Präzision und Weitblick – Eigenschaften, die sich auch in seiner lyrischen Arbeit widerspiegeln.
Als Organisator der Kulturreihe „Kultur im Logenhaus Dessau“ bringt er Literatur, Musik und Menschen zusammen. Zudem ist er Mitgründer der Radiosendung „Landmann liest: Poetische Betrachtungen“. Monatlich steuert er dort seine Rubrik „Lyrisophie“ bei. Seit 2024 ist Frank L. Richter Mitglied der Erich Kästner Gesellschaft e. V. Gemeinsam mit dem Lyriker Stephan Mörs produzierte er 40 Episoden des Podcasts „Lyrische Bouquets aus dem Glas des Lebens“, in dem beide auf Suche nach der Relevanz von Lyrik in unserer Zeit gehen. Auf Instagram ist er unter seinem Pseudonym „Lyrisoph“ zu finden. Das "L" im Namen ein Zeugnis davon.
