„Wir werden mehr Neubauten verkaufen als ursprünglich geplant.“ - Vonovia-CEO Rolf Buch (Foto: Jann Höfer für Handelsblatt)
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Vonovia-Chef: „Wenn die Inflation dauerhaft bei vier Prozent liegt, müssen Mieten dementsprechend ansteigen“

Rolf Buch, der Vorstandsvorsitzende des Immobilienkonzerns, spricht im Interview über die Konsequenzen der Teuerung, Hürden bei der Energiewende und seine Prognose für den Wohnungsmarkt.

Bochum. Erstpublikation: 01.06.22, 04:07. Uhr Deutschlands größter Vermieter, der Dax-Konzern Vonovia, hält Mieterhöhungen angesichts der hohen Inflationsraten für unausweichlich. Der Immobilienriese besitzt rund 565.000 Wohnungen in Europa, ein Großteil davon in Deutschland.

In den ersten drei Monaten haben sich die Mieten bei Vonovia im Schnitt bereits auf 7,40 Euro pro Quadratmeter erhöht – das waren 3,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Mit dem Handelsblatt sprach der 57-Jährige Vorstandschef Rolf Buch darüber, was auf Mieter und Immobilienkäufer in den nächsten Jahren zukommt – und wie er heute über seine Beteiligung am Rivalen Adler denkt.

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Lesen Sie hier das Interview mit Vonovia-Chef Rolf Buch:

Herr Buch, der Wohnungsbauboom hat ein vorläufiges Ende gefunden. Ist der Plan der Bundesregierung, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, bereits Makulatur?

Ich glaube, es wird schwierig. Die 400.000 waren ein ambitioniertes Ziel, das man sich politisch gesetzt hat. Doch die Welt hat sich inzwischen komplett geändert. Es sind gleich eine ganze Reihe von Faktoren, die den Bau neuer Wohnungen ausbremsen. Im Endeffekt dürfte das Ziel zumindest dieses Jahr kaum mehr zu erreichen sein.

Rechnen Sie damit, dass zunehmend Bauprojekte auf Eis gelegt werden?

Nun, wir haben stark steigende Preise, einen Mangel an Facharbeitern, fehlendes Baumaterial, höhere Zinsen, und wir haben eine KfW-Förderung, die weggefallen ist: Die Branche segelt also quasi in einem perfekten Sturm. Auch wir haben unser Investitionsbudget wegen gestiegener Kapitalkosten angepasst. Statt 2,1 bis 2,5 Milliarden Euro geben wir im laufenden Jahr nun 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro für Bestand und Neubau aus. Bei den Investitionen für mehr Klimaneutralität werden wir keine Abstriche machen, aber beim Neubau für den eigenen Bestand. Wir werden mehr Neubauten verkaufen als ursprünglich geplant.

Viele Experten sagen ein Ende der Preisrally voraus. Steht der ewige Boom am Immobilienmarkt vor dem Ende?

Eine grundsätzliche Erkenntnis, wenn man zurückschaut, ist, dass sich Immobilienpreise trotz Inflation immer konstant zu den Baupreisen entwickelt haben. Und die Baupreise werden in nächster Zukunft nicht zurückgehen, weil alles teurer wird, was ich für Neubauten brauche. Deswegen gehe ich davon aus, dass auch der Immobilienmarkt in unserem Segment mindestens stabil bleiben wird. Die Konsequenz dieser Preisspirale ist allerdings, dass viele Baufirmen nun keine Neubauten mehr in Angriff nehmen. Niemand wird Projekte bauen, wenn die Firmen das Geld später nicht wieder einnehmen können.

Die Inflation hat auch einen negativen Effekt für viele Ihrer Kunden: Sie fürchten höhere Mietsteigerungen. Worauf müssen sich die Mieter der 500.000 Wohnungen von Vonovia einstellen?

Viele Bankmanager sagen mir, dass sie davon ausgehen, dass wir auf Dauer mit einer höheren Teuerung als in den letzten Jahren in Deutschland leben werden müssen. Ein Geschäftsmodell, bei dem der Umsatz stabil bleibt und die Kosten mit der Inflation steigen, ist daher endlich. Wenn die Inflation dauerhaft bei vier Prozent liegt, müssen auch die Mieten künftig jährlich dementsprechend ansteigen. Sonst werden viele Vermieter in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Wir können nicht so tun, als wenn die Inflation an den Mieten vorbeigeht. Das wird nicht klappen.

Vonovia-Chef: Inflation wird nicht an Mieten vorbeigehen

Die Zinswende könnte die Marktsituation deutlich verändern. Steht der Markt vor einer Zeitenwende, wie eine Bank bereits vorhersagt?

Ich glaube, da muss man differenzieren. Wenn ich über den Wohnungsmarkt spreche, dann meine ich die klassische, bezahlbare Mietwohnung mit 60 Quadratmetern. Ich rede nicht über die Premium-Dach-Apartments, nicht über Eigenheime und nicht über Luxusbauten. Da mag es sein, dass das Penthouse im Preis nicht immer nur steigt, sondern auch mal sinkt. Aber der Markt für die Gebäude, in denen die Mehrzahl der Deutschen lebt, funktioniert anders. Da gehen die Preise nicht runter. Um unseren Bestand mache ich mir insofern null Sorgen.

Die Bundesbank warnte dennoch unlängst vor einer Überhitzung der Preise in großen Städten und warnte vor Überbewertungen von bis zu 40 Prozent. Diese Prognose beunruhigt Sie nicht?

Nein, denn die Ökonomen schauen sich einen anderen Markt an. Bei dem Markt für sehr teure Wohnungen kann es sein, dass es zu Überhitzungstendenzen kommt. Ich rede über die normalen Mietwohnungsquartiere, die wir im Bestand haben. Und eine Blase könnte es da nur geben, wenn es ein Problem bei der Nachfrage gibt. Doch die Wohnungen in den Städten, die wir anbieten, werden uns aus den Händen gerissen. Von einer Blase ist da nichts zu spüren. Wir würden erst dann eine Nachfragelücke bekommen, wenn die Leute nicht mehr in den Städten leben wollten. Danach sieht es aber nicht aus.

Welche Rolle auf dem Wohnungsmarkt spielen die aktuell über 600.000 in Deutschland registrierten Flüchtlinge aus der Ukraine?

Ich habe persönlich die Befürchtung, dass dieser Krieg sich noch lange hinziehen wird. Das könnte bedeuten, dass viele der Flüchtlinge für längere Zeit in Deutschland bleiben werden. Das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen erscheint mir vor diesem Hintergrund eher zu niedrig angesetzt als zu hoch.

Muss die Politik mehr unternehmen, um den Neubau wieder anzukurbeln?

Die Ampelkoalition hat derzeit sehr viele Themen auf dem Tisch. Da verstehe ich, dass sich Berlin aktuell auf einige wesentliche Punkte konzentriert. Aber wir sollten uns keine Illusionen machen, dass wir beim Reizthema Wohnen und Bauen auf neue Probleme zusteuern – und viele Hürden endlich abgeräumt werden müssen.

Können Sie da bitte konkreter werden?

Ich habe mir diese Woche angeschaut, was beim Thema Wärmepumpe bei uns so los ist – und das ist der helle Wahnsinn. Wir müssen unsere Geräte bei rund 900 verschiedenen Netzbetreibern beantragen – und jeder hat ein anderes Formular. Jeder will andere Daten haben. Von den Wärmepumpen, die wir im letzten Jahr beantragt haben, haben wir bisher nur für zehn Prozent eine Genehmigung erhalten. Bei rund 50 Prozent steht eine Antwort der Netzbetreiber noch aus. Wir müssen gemeinsam den Prozess vereinheitlichen und beschleunigen, damit die erwünschte energetische Erneuerung nicht an der Bürokratie scheitert.

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Steht die Energiewende in Deutschland auf dem Spiel?

Wenn wir die Energiewende wirklich wollen, dann sollte den Energieversorgern vorgeschrieben werden, dass sie innerhalb von sechs Wochen über einen solchen Antrag entscheiden müssen – sonst gilt das Gerät als genehmigt. Außerdem müssen die Anträge standardisiert werden. Wir brauchen eine Vereinfachung des Vorgehens. Es reicht einfach nicht, über Wärmepumpen zu reden. Wir müssen uns auch damit beschäftigen, wie wir sie schnell ans Netz bekommen. Denn das Potenzial ist riesig: Statten wir kurz- bis mittelfristig unsere bautechnisch geeigneten Bestände mit einer Wärmepumpe aus, können wir den Erdgasbedarf im Gesamtportfolio um bis zu 30 Prozent senken.

Das Unternehmen besitzt rund 565.000 Wohnungen in Europa. - Vonovia-Zentrale in Bochum (Foto: AFP/Getty Images)
Das Unternehmen besitzt rund 565.000 Wohnungen in Europa. - Vonovia-Zentrale in Bochum (Foto: AFP/Getty Images)

Wie sehr schadet das Hin und her bei der Förderung energetischer Neubauten durch die KfW?

Darüber könnte ich lange schimpfen. Da sagt wohl auch keiner in der Regierung, dass das eine Glanzleistung war. Aber das sollten wir abhaken. Das Problem ist jedoch, dass die Subvention nicht nur eine Förderung für den energetischen Bau, sondern auch für den Wohnungsbau an sich war. Vielmals waren die durchschnittlich 18.000 Euro Förderung Ersatz für den Eigenkapital-Anteil für den einen oder anderen Bauherren. Ohne diese Förderung werden neue Wohnungen für die Mittelschicht jedoch noch teurer. Die Mitte der Gesellschaft kann sich das Leben in der Stadt jetzt schon nicht mehr leisten. Die Krankenschwester, die dieses Land aufrechterhält, findet bald kaum noch eine neue Wohnung.

Wie teuer werden die steigenden Energiepreise für Mieter in Deutschland?

Wir haben das durchgerechnet: Das kann bis zu zwei Monatsmieten im Jahr zusätzlich kosten. Nur um anschaulich zu machen, was das bedeutet: Die Menschen geben heute durchschnittlich 30 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für das Wohnen aus. Wenn ich ihnen noch zwei Monatsmieten Nebenkosten abnehme, schreibe ich eine Rechnung über das gesamte Einkommen, das sie im Monat haben. Da steckt also soziale Sprengkraft drin. Denn nicht jeder kann es sich leisten, jetzt Geld zurückzulegen. Wir sind allerdings nicht das Problem, wir verdienen daran keinen Cent. Ich glaube deshalb, dass der Staat nicht umhinkommt, hier noch einmal finanziell zu helfen.

Heikel ist auch Ihre Position als Großaktionär von Adler. Fürchten Sie kein Reputationsrisiko, wenn Ihr Firmenname in einem Atemzug mit einer Firma genannt wird, das für seinen Abschluss kein Testat hat und gegen das die Staatsanwaltschaft ermittelt?

Wir haben einen klaren Blick auf die Bestände bei Adler, und die sind durchaus werthaltig. Wir dachten deshalb, dass es eine gute Idee wäre, bei Adler einen Fuß in die Tür zu bekommen – aber der Kapitalmarkt sieht das anders. Ich akzeptiere, dass die Mehrheit unserer Aktionäre eine Übernahme nicht wünscht, und deshalb werden wir es auch nicht tun. Wir werden bei Adler nicht weiter kaufen und sind perspektivisch bereit, unsere Beteiligung auch zu verkaufen.

Wäre ein rasches Ende mit Schrecken bei der Beteiligung nicht das Klügste?

Es macht, glaube ich, derzeit keinen Sinn. Wir sind der Meinung, dass die Werte bei Adler derzeit nicht im Börsenkurs abgebildet sind. Deshalb warten wir lieber noch ab. Ich bin zuversichtlich, dass das neue Führungsteam bei Adler jetzt eine Governance aufbauen wird, die transparent ist. Wir haben also genug Zeit, um zu warten, bis uns jemand einen fairen Preis für unseren Anteil bietet.

Adler wird sich also Ihrer Meinung nicht zu einem zweiten Wirecard entwickeln?

Der große Unterschied ist, dass die Projekte und Bauten da sind. Das sind keine Scheingeschäfte in Asien, sondern Immobilien. Die kann ich anfassen und anschauen. Das Portfolio kann sich nicht in Luft auflösen.

Der Shortseller Frazer Perring hat sowohl bei Wirecard als auch bei Adler früh vor angeblichen Unregelmäßigkeiten gewarnt. Haben Sie vor dem Einstieg seinen Adler-Report gelesen?

Klar, jede Zeile, und das sehr aufmerksam. Ehrlich gesagt, waren für uns die meisten Sachen, die dort standen, schon im November keine große Überraschung. Entweder weil wir sagen, wir sehen es anders. Oder aber: ja, weil es so ist. Aber das ist Vergangenheit. Jetzt setzen wir darauf, dass dem neuen Führungsteam um Adler-Aufsichtsratschef Stefan Kirsten der Neustart gelingt.

Herr Buch, vielen Dank für das Interview.

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Vonovia-Chef: „Wenn die Inflation dauerhaft bei vier Prozent liegt, müssen Mieten dementsprechend ansteigen“

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