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Wann lohnt es sich, den goldenen Handschlag abzulehnen? Dieses Bild wurde mit KI generiert. - Foto: Julia Buschmann/Midjourney
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Wann Sie eine hohe Abfindung besser ablehnen sollten

Aus dem Handelsblatt-Archiv: Wollen Firmen Mitarbeiter loswerden, bieten sie oft hohe Abfindungen. Doch was verlockend klingt, ist oft kein gutes Angebot. Denn es gibt bessere Optionen.

Berlin. Etwa 700.000 Euro betrug die Abfindung, die ein großer deutscher Versicherungskonzern seiner langjährigen Führungskraft anbot, damit er das Unternehmen verlässt. „Auf den ersten Blick eine hohe Summe“, sagt der Arbeitsrechtsanwalt Christoph Abeln, der den Manager juristisch berät. Dennoch riet er seinem Mandanten zur Vorsicht.

„Geraten Unternehmen in eine Schieflage, versuchen sie oft, altgediente und teure Manager über Abfindungsprogramme loszuwerden“, sagt der Anwalt, der in Berlin die Kanzlei Abeln betreibt. Der Pharmariese Bayer etwa machte kürzlich Schlagzeilen, indem er seinen Mitarbeitern Abfindungen von bis zu 52,5 Monatsgehältern anbot.

Was erst mal nach einer riesigen Summe klingt, ist laut Abeln jedoch nicht immer eine gute Lösung für die, die gehen sollen. Denn eine Abfindung muss versteuert werden. Wechselt jemand nicht nahtlos in einen anderen Job, droht auch eine Sperre beim Arbeitslosengeld. Zudem können wichtige Rentenansprüche verloren gehen.

Rechtsanwalt Abeln, sein Kollege André Kasten und der Steuerberater Henry Scheel erklären, was Sie bei einer Abfindung beachten sollten, wann Sie ein Angebot besser ablehnen – und welche Optionen sich alternativ anbieten.

Abfindung: Vorsicht beim ersten Angebot

Ein allgemeines Recht auf eine Abfindung besteht nicht. Strukturiert ein Unternehmen allerdings um und will dabei auch Personal entlassen, gibt es oft einen sogenannten Sozialplan. Dort werden Abfindungssummen nach sozialen Kriterien wie Beschäftigungsdauer oder Anzahl minderjähriger Kinder festgehalten; Betriebsrat und Unternehmen handeln ihn aus.

„Das ist einer der seltenen Fälle im Arbeitsrecht, in denen der Arbeitnehmer einen Abfindungsanspruch hat, der ihm nicht mehr genommen werden kann“, sagt Abeln.

Abfindung: Vorsicht beim ersten Angebot

Ein allgemeines Recht auf eine Abfindung besteht nicht. Strukturiert ein Unternehmen allerdings um und will dabei auch Personal entlassen, gibt es oft einen sogenannten Sozialplan. Dort werden Abfindungssummen nach sozialen Kriterien wie Beschäftigungsdauer oder Anzahl minderjähriger Kinder festgehalten; Betriebsrat und Unternehmen handeln ihn aus.

„Das ist einer der seltenen Fälle im Arbeitsrecht, in denen der Arbeitnehmer einen Abfindungsanspruch hat, der ihm nicht mehr genommen werden kann“, sagt Abeln.

Arbeitsrechtsexperte Christoph Abeln rät zur Vorsicht auch bei hohen Abfindungssummen. - Foto: abeln
Arbeitsrechtsexperte Christoph Abeln rät zur Vorsicht auch bei hohen Abfindungssummen. - Foto: abeln

Die im Sozialplan festgelegten Summen seien allerdings nur der kollektive Mindestanspruch. Die Arbeitgeber, sagt Abeln, suggerierten zwar gern: „Das haben wir mit dem Betriebsrat ausgehandelt. Mehr gibt es nicht.“ Dabei sei es durchaus möglich, für sich selbst eine höhere Summe herauszuholen.

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„So schafft man einen Anreiz, dass die Mitarbeiter schneller gehen“, sagt Kasten. Weil die Prämie aber in der Regel nicht mehr als drei Bruttomonatsgehälter umfasse, lohne sich diese meist nur in Einzelfällen – zum Beispiel, wenn bereits eine neue Stelle in Aussicht ist.

Abfindung annehmen: Was ist zu beachten?

Selbst wenn die Abfindungssumme im sechsstelligen Bereich liegt, sollten Mitarbeiter laut den beiden Rechtsanwälten gut abwägen, ob sie das Angebot annehmen. Denn: Abfindungen – egal ob freiwillig gezahlt oder vor Gericht erstritten – sind lohnsteuerpflichtig.

Henry Scheel, Steuerexperte des Deutschen Steuerberaterverbands (DStV), rechnet vor: Bei einer Abfindung von 100.000 Euro plus einem zu versteuernden Einkommen von 50.000 Euro würden im Jahr 2024 rund 55.300 Euro an Steuern fällig. Zwar lässt sich die Steuerlast durch einige Tricks, wie zum Beispiel die Anwendung der sogenannten Fünftelregelung, reduzieren. Nichtsdestotrotz geht ein nicht unerheblicher Teil der Abfindung ans Finanzamt.

Was zunächst üppig klingt, ist also am Ende oft nicht mehr viel. Vor allem, sagt Abeln, wenn man der Netto-Abfindung die Summe gegenüberstellt, die eine Führungskraft von Mitte fünfzig oder älter durch die Kündigung verliert – zum Beispiel, weil sich die Ansprüche aus der betrieblichen Altersvorsorge verringern.

„Das Thema spricht natürlich niemand an“, sagt Abeln. Doch gerade bei Managerinnen oder Führungskräften, die schon viele Jahre im Unternehmen sind, spiele es eine erhebliche Rolle.

Sonderfall betriebliche Altersvorsorge

Ein Fallbeispiel ist der Manager eines Versicherungskonzerns, den Abeln derzeit berät. Im Moment verdient Müller pro Jahr 450.000 Euro brutto. Zusätzlich zahlt der Arbeitgeber jährlich 50.000 Euro in Müllers betriebliche Altersvorsorge ein. „Diesen Betrag muss Müller zunächst nicht versteuern“, sagt Abeln. Die Steuer wird erst bei Auszahlung der Rente fällig, fällt dann aber deutlich niedriger aus.

Für Unternehmen wiederum sei die Abfindung oft die bessere Variante, sagt Abeln. „Es zahlt eine einmalige Summe und ist dann mit den Rentenzahlungen aus dem Schneider.“ Der 55-jährige Müller hingegen verliert bis zu seiner Rente mit 63 jedes Jahr 50.000 Euro, also insgesamt 400.000 Euro. Findet Müller bis zur Rente keinen neuen Job, muss er zudem mit Abschlägen bei der gesetzlichen Rente rechnen.

Hätte er die Abfindung von 700.000 Euro angenommen, wären ihm nach Abzug der Steuern laut Abeln etwa 360.000 Euro geblieben. „Er büßt aber allein bei seiner betrieblichen Altersvorsorge einen Betrag von 400.000 Euro ein.“

Alternativen zur Abfindung: Vorruhestand und Altersteilzeit

Gerade für rentennahe Beschäftigte kann sich deshalb ein Vorruhestand oder eine Altersteilzeit lohnen. „Beim Vorruhestand bekommt der Arbeitnehmer keine einmalige Zahlung“, sagt Rechtsanwalt Kasten. Stattdessen fließe ein gestaffeltes Vorruhestandsgeld, das gezahlt wird, bis man in Rente geht.

Dieses Instrument ist nach Ansicht der Fachanwälte bei Unternehmen aber weniger beliebt, denn die Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge und auch zur gesetzlichen Rentenversicherung muss das Unternehmen weiterhin zahlen. „Der Vorruhestand ist für Arbeitgeber die teuerste Option“, sagt Kasten.

Eine weitere Möglichkeit ist die sogenannte Altersteilzeit. Hier wird die Arbeitszeit um die Hälfte reduziert und die Vergütung entsprechend gekürzt. Ein wesentlicher Pluspunkt liegt laut Kasten in dem sanften Übergang: „Arbeitnehmer können schrittweise ihre Arbeitszeit reduzieren“, sagt er. „Und so den abrupten Wechsel von einem vollen Arbeitspensum zum Ruhestand abmildern.“

Die Vorteile der Altersteilzeit würden zudem durch die Tatsache verstärkt, dass während dieser Zeit normalerweise die Sozialleistungen weiterlaufen. Arbeitnehmer haben also weiterhin Anspruch auf Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und andere Leistungen.

Hinzu kommt laut Kasten, dass die Rentenbeiträge auf 90 bis 100 Prozent aufgestockt werden, selbst wenn man in Teilzeit arbeitet. Das heißt: Trotz reduzierter Arbeitszeit haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Fall keine Einbußen bei der späteren Rente.

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