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Warum ein Burnout oft gar nicht von zu viel Arbeit kommt

Frankfurt. Stress im Job ist laut der Weltgesundheitsorganisation WHO „eine der größten Gefahren des 21. Jahrhunderts“. Längst ist das Burn-out-Syndrom – also die vollkommene emotionale Erschöpfung infolge von andauerndem chronischen Stress, der nicht erfolgreich verarbeitet werden kann – auf der ganzen Welt zum Massenphänomen geworden.

In Deutschland spürt jeder fünfte Beschäftigte laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung McKinsey Burn-out-Symptome wie Dauermüdigkeit, Konzentrationsstörungen oder eine starke Ablehnung gegenüber dem eigenen Job. Mehr als ein Drittel aller Beschäftigten in Deutschland (37 Prozent) klagt über körperliche und geistige Erschöpfung.

Doch selten ist die Ursache dafür allein Überarbeitung im Job. Stattdessen gibt es einige weitere Faktoren, die die Entstehung der Krankheit begünstigen.

Zum Beispiel: wie Beschäftigte ihre Arbeit wahrnehmen und erleben. Es geht nicht nur um die schiere Quantität der Arbeit, sondern vor allem um die Qualität des Arbeitsumfelds.

Ursprünglich prägte der New Yorker Psychotherapeut Herbert Freudenberger den Begriff „Burn-out“. In den 1970er-Jahren erkannte er das Krankheitsbild bei Menschen in sozialen Berufen, die wegen der hohen eigenen Ideale und des eigenen Einsatzes im Dienst für andere ausbrannten.

Hält dieser Stress auf Dauer an und wird chronisch, fehlt die Aussicht auf nachhaltige Besserung oder kleine Veränderungen, können selbst längere Zeiten der Entspannung dies nicht mehr kompensieren. Das ganze System ist überfordert. Die Folge: der völlige emotionale und körperliche Erschöpfungszustand.

Bei der Burn-out-Prävention gilt es also, die Ursachen der Belastung genau zu eruieren. Arbeitspsychologen unterscheiden zwischen äußeren und inneren Stressfaktoren.

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Äußere Risiken für ein Burn-out

Toxisches Arbeitsumfeld

Der wohl größte Stressfaktor ist das direkte Arbeitsumfeld mit Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten. Zwischenmenschliche Konflikte, ein streitbares Betriebsklima oder ein fehlendes Gemeinschaftsgefühl belasten alle Betroffenen. So weisen Arbeitnehmer, die ausgegrenzt oder gemobbt werden, viel häufiger Burn-out-Symptome auf.

Fehlende Wertschätzung

Ein weiteres Burn-out-Erklärungsmodell ist das der Gratifikationskrise: Demnach erkrankt ein Mensch, wenn die wahrgenommenen Anforderungen (Engagement, Leistung, Zeit) die Belohnungen (Arbeitsplatzsicherheit, Aufstiegsmöglichkeiten, Gehalt, Wertschätzung) weit übersteigen. Vor allem mangelnde Anerkennung durch Vorgesetzte wiegt laut Experten schwer. Dabei wäre das für Führungskräfte leicht zu verändern.

Unklare Erfolgskriterien

Wer als Beschäftigter nicht genau weiß, was bei der Arbeit verlangt und erwartet wird und was als erfolgreich gilt, läuft Gefahr, sich ständig zu verausgaben, ohne dafür Anerkennung zu erfahren. Auch wer seine Aufgaben als sinnlos oder den eigenen inneren Überzeugungen widersprechend empfindet, ist gefährdeter für ein Burn-out.

Mangelnde Selbstbestimmung

Wer nur Vorgaben von oben erfüllen muss und sich als reiner Befehlsempfänger ohne Kontrolle und Mitspracherecht in Sachen Gestaltung des eigenen Arbeitsalltags fühlt, ist schnell frustriert und erlebt Arbeit als Belastung.

Hoher Druck

Auch ein hoher Zeit- und Termindruck, eine hohe Arbeitslast, häufige Überstunden und Spät- und Nachtschichten sowie unregelmäßige Arbeitszeiten können stark auslaugen.

Ungünstiges Berufsfeld

Bis heute sind bestimmte Berufsgruppen besonders Burn-out-gefährdet, weil sie im Job meist unter einer hohen Arbeits- und emotionalen Belastung sowie Personalmangel und Zeitdruck leiden. Zu ihnen gehören Polizisten, Ärztinnen, Feuerwehrleute. An erster Stelle der Gefährdung stehen indes Lehrer: Sie empfinden ihre Arbeit oft als frustrierend, weil sie von Eltern und Schülern nur wenig Wertschätzung erfahren.

Private Belastungen

Mitunter kommen im stressigen Joballtag private Probleme hinzu. Das sind etwa familiäre Konflikte, finanzielle Sorgen, plötzliche Erkrankungen im Familienkreis, die Pflege von Angehörigen oder eine Trennung vom Partner. Wer dauerhaft solche Sorgen bewältigen muss, verfügt über weniger persönliche Ressourcen zur Stressbewältigung und ist schneller erschöpft.

Innere Faktoren, die ein Burn-out begünstigen

Perfektionismus

Besonders gefährdet für eine Burn-out-Erkrankung sind Menschen mit hohen inneren Leistungsansprüchen. Wer sich stark mit der Arbeit identifiziert und den eigenen Selbstwert eng an seine berufliche Leistungsfähigkeit koppelt, dem fällt es schwer, Aufgaben auch einmal abzulehnen oder zu akzeptieren, dass etwas liegen bleibt. Auch wer ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung hat und sich selbst im Job für unentbehrlich und stets einsatzbereit hält, dem gelingt das meist nicht so gut. Menschen mit hohem Verantwortungsbewusstsein und starkem Pflichtgefühl neigen zur Selbstüberforderung – oft aus einer übersteigerten Angst heraus, sonst äußeren Erwartungen und Ansprüchen etwa des Vorgesetzten nicht gerecht zu werden.

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Dysfunktionale Glaubenssätze

Starke innere Antreiber können dazu führen, dass man immer weiter macht, auch wenn der Akku lange leer ist. Dazu gehören Einstellungen wie „Sei perfekt!“, „Mach es allen recht!“ oder „Sei stark und frage nie nach Hilfe!“. Oder auch tief verwurzelte Glaubenssätze wie „Ich muss immer funktionieren“ oder „Versage ich auf der Arbeit, versage ich als Mensch“. Betroffene können mithilfe einer Psychotherapie lernen, diese Antreiber zu entmachten und aus dysfunktionalen Mustern auszubrechen.

Burn-out hat viele Facetten

So vielseitig die Ursachen für ein Burn-out sind, so belastend ist das Krankheitsbild in der Praxis. Beschäftigte sollten daher regelmäßig innehalten und reflektieren, wie es ihnen geht. So gelingt es, persönliche Belastungsgrenzen zu erkennen und zu respektieren.

Wer lernt, Grenzen zu setzen, „Nein“ zu sagen, sich bewusst Zeit für Erholung zu nehmen und realistische Ziele zu formulieren, bleibt meist gesund. Und wer sich in effektiven Methoden der Stressbewältigung übt: Achtsamkeitspraktiken, Meditation oder Yoga.

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