Dr. Mira Eichholz - Tanja Elm

Warum ein gutes Lektorat für Schreibende unverzichtbar ist

Eine Liebeserklärung für diesen Berufsstand hat uns der Publizist Roger Willemsen hinterlassen. In seinem Aufsatz „Die Raupe“ schreibt er: „Es ist dem Autor von seinem einzigen Konkurrenten, dem Schöpfer, ein Lektor mitgegeben. Dieser Lektor müsste eigentlich wie eine mittelalterliche Stifterfigur in verkleinerten Proportionen unten im Bild stehen, frömmelnd vor sich hinsehen und wissen, was er getan hat. Ein guter Lektor tut viel. Er liest all das Schadhafte und Fadenscheinige weg. Hat die Jacke drei Arme, fällt es ihm auf, ist die Seide bloß Viskose, schüttelt er, ganz gute Hausfrau, darüber den Kopf und zeigt aufs Etikett. Hat man sich eingesaut, lässt er einen so nicht aus dem Haus.“ Sein Lektor und idealer Leser hieß Jürgen Hosemann. Sie hatten „Lebenslänglich“.

Nach einem Studium der Pädagogik und Soziologie wurde Mira Eichholz zunächst Dozentin im Studiengang Bachelor-Pädagogik an der FAU Erlangen-Nürnberg. Dieser Weg mündete in eine Promotion innerhalb der Organisationspädagogik und später in den Bereich der Engagementforschung am Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit in Nürnberg. Nach ihrer wissenschaftlichen Karriere tauchte sie im Zentrum Aktiver Bürger Nürnberg und im Freiwilligenzentrum Fürth – beides Freiwilligenagenturen – auch praxisorientiert in die Welt der Freiwilligenarbeit ein. Dort baute sie hauptamtlich (Infra-)Strukturen auf und mit, wobei sie Engagement-Initiativen, vor allem im bildungsunterstützenden Bereich, unterstützte und beriet. Ihre Erfahrungen in Wissenschaft & Praxis haben peu à peu aus ihr herausgekitzelt, was sie besonders gut kann, und was ihr am Herzen liegt, nämlich Lektorin und Texterin zu sein. Seit 2019 folgt Mira Eichholz dieser Leidenschaft. Seit Mai 2022 ist sie selbstständig als Lektorin tätig mit "Lektorat Mira", nachdem sie bereits seit 2018 zuerst ehrenamtlich, dann nebenberuflich immer wieder Arbeiten von Studierenden (auch Schreibberatung) und dann auch Belletristik lektoriert hatte. Sie ist spezialisiert auf Abschlussarbeiten von Studierenden sowie auf wissenschaftliche Publikationen, lektoriert aber auch gern für NGO's (Texte, Pressemeldungen, Broschüren etc.), betreibt allerdings kein Ghostwriting.

In der Regel erhalte ich einen Text, der aus Sicht der Schreibenden fertig ist. Ich lese ihn durch, verfeinere die Ausdrucksweise, merze formale Fehler (Rechtschreibung, Grammatik, Zeichensetzung) aus und lasse den roten Faden, die Nachvollziehbarkeit, die Argumentations- oder Erzählweise auf mich wirken, überlege, ob Sätze oder Passagen verschoben werden sollten. Über Kommentare, aber auch direkte Eingriffe (Verschiebungen, kleinere Ergänzungen, soweit ich das Wissen habe) gebe ich neue Ideen in den Text und vor allem Feedback im Hinblick darauf, wie der Text auf mich wirkt, was ich nicht verstehe, was mir fehlt, aber auch, was mir besonders gut gefällt. Neben der lektorierten Arbeit erhalten die Schreibenden ein finales Feedback von mir, in dem die wichtigsten Aspekte noch einmal zusammengefasst werden und manchmal auch weiterführende Gedanken von mir enthalten sind. In der Regel erfolgt das schriftlich, aber natürlich ist ein direkter Austausch immer möglich. Besonders, wenn das Lektorat schreibbegleitend funktioniert, was ebenfalls möglich ist, ist ein direkter Austausch von Vorteil, um immer wieder über die Ideen und nächsten Schritte sprechen zu können.

Im Zentrum steht letztlich, dass ich die Rolle der Rezipierenden einnehme. Ich verstehe mich insofern als eine Mischung aus Testleserin bzw. im Falle der Studierendenarbeiten als Testprüferin und feedbackgebende Co-Autorin, indem ich konkrete Vorschläge für Änderungen mache. Entscheidend ist trotzdem: Es ist nicht mein Text, es ist immer der Text der Schreibenden. Sie sind diejenigen, die darüber entscheiden, was sie von meinen Ideen annehmen, aufgreifen, gut finden. Und bei allem, was ich ergänze, versuche ich im Duktus der Schreibenden zu bleiben, in ihren Worten zu sprechen, den Text nicht zu meinem eigenen zu machen, sondern ihn zu erweitern und zu perfektionieren.

Sie sind hierbei ein ganz entscheidendes Arbeitsmittel, indem ich darin klar mache, was ich verstehe, aber auch was ich meine, warum ich eine weitreichendere Änderung oder Ergänzung einfüge oder welche Änderungen unumstößlich sind, weil es sich um Formfehler handelt. Das hat vor allem im Falle der Studierendenarbeiten auch immer etwas Pädagogisches, weil ich einiges zum wissenschaftlichen Schreiben erkläre, was für weitere wissenschaftliche Arbeiten eine große Hilfe sein kann.

Manche Autorinnen und Autoren sagen selbst: Ein Buch ist immer nur so gut wie die Lektorin bzw. der Lektor, die/der dabei unterstützt hat. Ich selbst habe im Rahmen meiner Doktorarbeit die Erfahrung gemacht, dass ein Lektorat vor allem wichtig ist, um vorzuprüfen, wie der Text verstanden wird. Deshalb verstehe ich mich in der Rolle als Lektorin auch zum Teil als Testleserin. Alle, die schreiben, wissen, wie tief sie in ihrem Text drinstecken. Für einen selbst ist jedes Wort logisch, man kennt die Hintergedanken, die Entstehungsgeschichte. Im Falle der wissenschaftlichen Texte hat man viele Quellen oder viel empirisches Material studiert, die in der Arbeit abstrahiert und auf den Punkt gebracht werden. All dieses Vorwissen kann nicht von den Lesenden vorausgesetzt werden, sie kennen all diese Hintergründe nicht oder zumindest nicht im Detail. Ein Lektorat hilft deshalb dabei, zu überprüfen, wie gut es gelungen ist, all diese Hintergründe verständlich, transparent zu machen, sie zu übersetzen und vor allem auch in eine schöne, lesbare, ästhetische Sprache zu transformieren.

Lesen soll uns außerdem in der Regel Spaß machen, es soll auf seine Weise immer zumindest ein bisschen spannend, stimulierend sein. Wenigstens soll es nicht in erster Linie anstrengend sein. Ein Lektorat kann genau dabei sehr gut helfen, diesen Aspekt des Lesens zu erfüllen. Es hilft also dabei, Texte geschmeidig zu machen, den Gehalt zu steigern und jedes Wort verständlich zu machen. Wer den eigenen Text nie jemandem zu lesen gibt, bevor er/sie ihn veröffentlicht, oder im Falle der Studierenden als Prüfungsleistung einreicht, der begibt sich in die Gefahr, dass all das nicht erreicht wird, vor allem, dass der Text die Lesenden letztlich nicht erreicht. Dabei ist das doch das eigentliche Ziel eines jeden Textes – denn wenn wir Texte veröffentlichen, schreiben wir sie nie für uns, sondern immer für die anderen.

Vielen Dank für das Gespräch.

  • Website von Dr. Mira Eichholz

  • Disseration: Mira Eichholz (2020): Anerkennung in Freiwilligenorganisationen des Alters. Erlangen.

  • Artikel zur Dissertation: Mira Giskes (2020): Anerkennung im Alter als zivilgesellschaftliche Ressource – Eine qualitative Untersuchung in Freiwilligenorganisationen des Alters. In: Andreas Schröer et al. (Hrsg.): Organisation und Zivilgesellschaft. Beiträge der Kommission Organisationspädagogik. Wiesbaden. S. 157-166.

  • Forschungsarbeit zum freiwilligen Engagement von Muslimas gemeinsam mit Julia Schimmer 2021.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

Artikelsammlung ansehen