Warum eine längere Elternzeit bei Vätern für mehr Gleichgewicht sorgt
Die Elternzeit ist eine entscheidende Phase im Leben vieler Familien – intensive Zeit mit dem Kind, Ankommen in der neuen Vater- oder Mutterrolle, Einspielen von Routinen und Organisation des neuen familiären Alltags sind nur einige der Aspekte.
Es ist also eine Zeit, die weitreichende Auswirkungen auf das familiäre Gleichgewicht und die persönliche Entwicklung der Eltern hat.
Der Blick in die Statistik zeigt, dass nach wie vor die Elternzeitdauer bzw. der Elterngeldbezug der Väter deutlich unter dem der Mütter liegt:
Die durchschnittliche Dauer des geplanten Elterngeldbezugs lag bei den Frauen im Jahr 2022 bei 14,6 Monaten. Die von Männern lag bei durchschnittlich 3,6 Monaten. (Quelle: destatis.de)
Die Statistik sagt auch: Es gibt demnach Väter, die deutlich mehr als die üblichen „2 Partnerschaftsmonate“ genommen haben.
Wie erleben Väter die Veränderungen? Welche Vorteile sind bei einer längeren Elternzeit erkennbar – und warum sorgt das für mehr Gleichgewicht?
Elternzeit bietet Vätern die Gelegenheit, eine intensive Bindung zu ihrem Kind aufzubauen und aktiv an der Erziehung teilzunehmen. Diese Zeit kann entscheidend dazu beitragen, traditionelle Geschlechterrollen aufzubrechen und eine gleichberechtigte Elternschaft zu fördern. Väter, die längere Zeit in Elternzeit gehen, berichten häufig von positiven Erfahrungen, die ihre Sichtweise auf die Balance zwischen Arbeit und Privatleben nachhaltig verändern.
Statistische Einblicke
Laut einer Umfrage geben 78%* der Väter, die mindestens eine dreimonatige Elternzeit in Anspruch genommen haben, an, dass sich ihre Prioritäten hinsichtlich Beruf und Familie ausgeglichener gestalten. Diese hohe Prozentzahl zeigt deutlich, dass praktische Erfahrungen in der Elternzeit zu einer Neubewertung von Lebensprioritäten führen können. Und es ist zugleich ein starkes Plädoyer für eine längere Elternzeit und macht deutlich, dass uns manchmal erst das konkrete Erleben zur „Einsicht“ bringt.
Vorteile einer längeren Elternzeit für Väter
Stärkere Bindung zum Kind: Eine längere Elternzeit ermöglicht es Vätern, eine tiefere und intensivere Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen. Die frühe Kindheit ist eine entscheidende Phase für die emotionale und soziale Entwicklung eines Kindes. Wenn Väter in dieser Zeit präsent sind, können sie eine stabile und vertrauensvolle Bindung zu ihren Kindern aufbauen.
Gleichberechtigte Elternschaft: Eine längere Elternzeit der Väter führt zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Erziehungsaufgaben zwischen den Eltern. Dies entlastet die Mütter, die traditionell den Großteil der Kinderbetreuung übernehmen, und ermöglicht es beiden Elternteilen, Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren. Diese Gleichberechtigung fördert ein harmonisches Familienleben und verhindert das Entstehen von Rollenkonflikten.
Ausgeglichenere Work-Life-Balance: Eine längere Elternzeit hilft deutlich, die Balance zwischen Beruf und Familie besser zu finden, Prioritäten anders zu setzen, bestehende Strukturen zu hinterfragen und nach neuen Arbeitsmodellen zu suchen
Vorbildfunktion für zukünftige Generationen: Wenn Kinder sehen, dass beide Elternteile sich gleichberechtigt um die Familie kümmern, übernehmen sie dieses Rollenverständnis eher selbst. Dies trägt dazu bei, dass zukünftige Generationen eine ausgewogenere Sicht auf die Verteilung von Aufgaben in der Familie entwickeln. Langfristig kann dies zu einer nachhaltigeren Veränderung der gesellschaftlichen Normen führen.
Positive Auswirkungen auf die Partnerschaft: Eine fairere Aufteilung der Familienarbeit kann die Partnerschaft stärken. Denn der sogenannte Mental Load (der allermeist bei der Mutter liegt) ist einer der Haupttrennungsgründe unter Eltern.
Die praktische Erfahrung, Zeit mit dem Kind zu verbringen und sich intensiver mit der Familie zu beschäftigen, bringt oft neue Einsichten.
Viele Väter berichten, dass sie durch die Elternzeit gelernt haben, wie wertvoll und erfüllend die Zeit mit der Familie ist. Dies führt häufig zu einer bewussteren Gestaltung des Berufslebens und einer stärkeren Einbindung in die Familienarbeit nach der Rückkehr in den Job.
Auf vieles können wir uns (theoretisch) vorbereiten – auf das Erlebnis Vater- oder Mutterschaft in seiner ganzen Dimension nur bedingt. Hier sorgt das intensive Erleben, das Hineinwachsen in unsere Rolle und Aufgabe, die neu erlebten Gefühle und unglaublichen Herausforderungen für einen Boost in Sachen Prioritäten. Auch dafür ist eine (längere) Elternzeit gut und wichtig.
Ich erlebe das in den Gesprächen mit den Vätern immer wieder: „Das hätte ich mir niemals so vorgestellt!“ Denn mit einer längeren Elternzeit kommen viele Väter ins Grübeln und Hinterfragen – tatsächlich oft auch sehr grundsätzlich. Wie die Fragen, ob ich noch nach meinen Werten lebe, was mir wirklich wichtig ist, auf was ich verzichten kann und auf was ich mich einlassen möchte.
FAZIT: Persönliche Veränderung und gesellschaftlicher Impact
Die längere Elternzeit für Väter ist nicht nur ein persönlicher Gewinn, sondern auch ein gesellschaftlicher Fortschritt. Sie trägt zu einer gerechteren Verteilung der Erziehungsaufgaben bei, fördert die Vater-Kind-Bindung, unterstützt die Gleichstellung der Geschlechter und fördert ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Berufs- und Privatleben. Die hohen Zustimmungswerte unter Vätern, die diese Zeit erlebt haben, sprechen eine deutliche Sprache und zeigen, dass praktische Erfahrungen oft der Schlüssel zur Einsicht sind.
Durch die bewusste Entscheidung für eine längere Elternzeit können Väter aktiv dazu beitragen, eine gleichberechtigtere und harmonischere Familienstruktur zu schaffen.
* Quelle: Väterreport. Hrsg. Vom BMFSFJ. 2018